Donnerstag, 25. April 2024

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Freiwillige Gehaltserhöhung
Klinikgruppe will für Pflegekräfte attraktiver sein

Die St. Elisabeth Gruppe in Herne wollte nicht auf die Politik warten und zahlt ihren Fachpflegekräften fünf Prozent mehr Lohn. Damit wolle man die Lücke zwischen dem Fachkräftemangel und der Bezahlung schließen, sagte Sabine Edlinger aus der Geschäftsleitung im Dlf. Außerdem solle die Entscheidung Druck auf die Politik ausüben.

Sabine Edlinger im Gespräch mit Klemens Kindermann | 29.03.2018
    Eine Krankenpflegerin im Gespräch mit einem älteren Patienten
    Die Gehaltserhöhung in Höhe von fünf Prozent sei völlig freiwillig, sagte Sabine Edlinger im Dlf (Imago )
    Klemens Kindermann: In ihrer Regierungserklärung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Pflegenden, ob privat oder beruflich, als "die stillen Helden" der Gesellschaft gelobt. Und im Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde vereinbart, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar zu verbessern. Doch noch ist davon wenig Konkretes von der Koalition zu hören. Die St. Elisabeth Gruppe aus Herne, die Akutkrankenhäuser, Fachkliniken und andere Einrichtungen mit insgesamt mehr als 4.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt geht jetzt voran: Sie zahlt Ihren Fachpflegekräften ab sofort fünf Prozent mehr Gehalt. Ich habe vor dieser Sendung mit Sabine Edlinger, Mitglied der Geschäftsleitung der St. Elisabeth Gruppe gesprochen und sie gefragt: Wie kam es zu dieser Entscheidung?
    Sabine Edlinger: Nachdem im Koalitionsvertrag zu lesen war, dass zum einen tatsächlich ein Handlungsbedarf bei der Pflegefinanzierung besteht und zum anderen auch eine zusätzliche Finanzierung folgen soll, da haben wir uns entschieden, hier tatsächlich in Vorleistung zu gehen. Wir wollen zum einen damit die Regierung auch ein Stück weit auffordern, tatsächlich zügig zu handeln. Insofern wollen wir auch ein wenig Druck erhöhen, denn das eine ist, sage ich jetzt mal, die Ankündigung, aber das andere ist, dann auch tatsächlich zügig Taten folgen zu lassen.
    Kindermann: Warum haben Sie denn nicht abgewartet, bis die Politik das dann sicherstellt, diese bessere Bezahlung der Pflegekräfte?
    Edlinger: Weil die Bezahlung beziehungsweise eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte in der Tat auch ein Thema ist, was nicht erst seit Bildung der neuen Regierung uns begleitet, sondern auch im Vorfeld schon eine Entwicklung letztendlich hinter sich gebracht hat.
    Kindermann: Können Sie das noch etwas näher erklären?
    Edlinger: Wenn man sich mal anschaut, wie die Vergütung zum Beispiel in anderen Bereichen ist, in denen ein Fachkräftemangel besteht, dann liegen da doch deutliche Welten zwischen diesen Bereichen und der Vergütung in der Pflege. Und wenn man dann noch mal sich vor Augen hält, dass gerade der Pflegeberuf ein hoch qualifizierter Beruf ist - die Mitarbeiter sind sehr gut ausgebildet, sie tragen eine hohe Verantwortung für die Patienten, die sie tagtäglich betreuen, und sie sind zum Beispiel auch im Schichtdienst unterwegs; das bedeutet eine Tätigkeit 24 Stunden am Tag, das sieben Tage in der Woche -, dann führt das schon dazu, dass man sagen muss, hier muss grundsätzlich etwas passieren und eine Anpassung der Gehälter nach oben auch erfolgen.
    "Wertschätzung zeigen"
    Kindermann: Vor Ihrer Initiative, hat es denn da Forderungen von Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben? Oder ist die tatsächlich völlig freiwillig jetzt?
    Edlinger: Die ist völlig freiwillig. Diese Gehaltserhöhung in Höhe von fünf Prozent, die wurde dann tatsächlich durch die Geschäftsleitung der St. Elisabeth Gruppe initiiert. Uns ist es ein Anliegen, den Pflegekräften darüber zum einen die Wertschätzung zu zeigen, aber zum anderen wollen wir auch noch mal betonen, dass es sich immer lohnt, wenn man berufsbegleitend sich weiterqualifiziert oder auch weiter spezialisiert.
    Kindermann: Wieviel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen diese Lohnsteigerung bei Ihnen und sind das sowohl Alten- als auch Krankenpflegerinnen?
    Edlinger: Das sind insgesamt rund zehn Prozent unserer insgesamt 2.200 Pflegekräfte, die jetzt die fünfprozentige Gehaltssteigerung erhalten. Die Mitarbeiter sind examinierte Kranken- und Kinderkrankenpfleger, die sich dann mit einer zweijährigen berufsbegleitenden Fachweiterbildung auf ganz besondere Bereiche in der Pflege spezialisiert haben. Hierzu zählen unter anderem Spezialisten, die zum einen auf der Intensivstation arbeiten, oder auch in der Endoskopie tätig sind. Es sind aber auch Pflegekräfte, die sich ganz häufig auf die besondere Versorgung von Krebspatienten spezialisiert haben.
    Kindermann: Das sind ja jetzt Fachpflegekräfte. Wird diese Lohnerhöhung auf die begrenzt bleiben, oder wird das dann auch auf die anderen Pflegekräfte ausgedehnt?
    Edlinger: Die Gehaltserhöhung, die bezieht sich tatsächlich auf diese Fachpflegekräfte. Eine Ausweitung ist erst dann möglich, wenn tatsächlich die Politik auch reagiert hat.
    Kindermann: Was kostet Sie diese Gehaltserhöhung?
    Edlinger: Die Gehaltserhöhung kostet uns eine dreiviertel Million jährlich.
    "Müssen gut mit dem Geld haushalten"
    Kindermann: Und wie stellen Sie das dar, die Finanzierung? Sie sind an gesetzliche Finanzierungsentscheidungen gebunden und auf eine Finanzierung aus Mitteln auch der gesetzlichen Krankenversicherung.
    Edlinger: Es ist in der Tat so. Mit der Behandlung eines Patienten erbringen wir medizinische und pflegerische Leistungen, und das ist dann tatsächlich so: Die werden dann von den gesetzlichen beziehungsweise von den privaten Krankenkassen auch bezahlt, diese Leistungen. Die Preise für einzelne Leistungen, die können wir natürlich nicht selber festlegen. Das ist tatsächlich gesetzlich geregelt. Neben diesen Zahlungen erhalten wir dann zum Beispiel auch ergänzende Leistungen oder Zahlungen des Landes, zum Beispiel für Investitionen. Diese sind nicht Teil der direkten medizinischen und pflegerischen Leistung. Das bedeutet für uns aber, wir müssen insgesamt gut mit dem Geld auch haushalten. Für uns ist immer wichtig, die Qualität für unsere Patienten zu optimieren, und um das gewährleisten zu können, müssen wir auch investieren können. Das bedeutet auch, dass wir die Kosten konsequent und permanent im Blick haben, und jetzt haben wir das große Glück, dass unsere Gruppe dank großer Einkaufsmengen zum Beispiel auch an vielen Stellen bei gleichbleibender Materialqualität Kosten optimieren kann. Das ermöglicht uns in diesem Fall auch zum Teil diese aktuelle Lohnerhöhung mit zu finanzieren.
    Kindermann: Wenn es bei Tarifverhandlungen weitere Lohnerhöhungen gibt, wird dann das fünf Prozent Plus damit verrechnet?
    Edlinger: Nein, das ist völlig unabhängig davon. Wir gehen auch davon aus, dass in diesem Jahr tatsächlich noch Tarifsteigerungen und Verhandlungen zum einen stattfinden und dann auch die Steigerungen erfolgen. Aber das ist völlig unabhängig von den folgenden Tariferhöhungen.
    Kindermann: Sie haben es schon gesagt: Sie wollen Druck auf die Politik machen. Aber was versprechen Sie sich selbst als Haus, angesichts des Fachkräftemangels? Meinen Sie, Sie sind dann dadurch attraktiver für Fachkräfte?
    Edlinger: Wir versprechen uns selbstverständlich auch davon, dass wir durch diese Gehaltserhöhung tatsächlich als Krankenhausgruppe und als Arbeitgeber für die Pflegekräfte attraktiver sind. Aber darüber hinaus versprechen wir uns auch eindeutig, dass die Politik, ich sage mal, handelt und auch zukünftig höhere Gehälter möglich macht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.