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Fremde Federn finden

Es gibt ein paar wenige Plagiatoren, die es zu Weltruhm gebracht haben: Bertolt Brecht etwa. Oder Shakespeare. Aber die meisten blieben wohl doch eher unerkannt. Dabei gibt es immer mehr: In Zeiten des Internets scheinen die Skrupel bei vielen immer mehr zu schwinden, irgendwo abzuschreiben, ohne die Quelle zu nennen. Ein Problem, dass auch viele Hochschulen beschäftigt, schließlich sollen die Studierenden und Doktoranden eigene Leistungsnachweise bringen und nicht einfach nur abkupfern. Eine Berliner Professorin hat sich dieser Frage angenommen und bietet Lehrkräften nun Hilfe an, wie man Plagiate erkennen kann.

Von Daniela Siebert | 01.10.2004
    Letztlich sei es immer eine Frage der Intuition, ein Plagiat zu erkennen beziehungsweise überhaupt erst mal misstrauisch zu werden, dass man eines vor sich haben könnte sagt Debora Weber-Wulff. Der Grund, dass sich die US-Amerikanerin so für Plagiate interessiert liegt drei Jahre zurück und war für sie ein echtes Ärgernis:

    Es begann in einem Seminar, wo ich relativ viele Arbeiten gegeben habe. Diese Arbeiten waren dann zu einem Drittel fast tatsächlich Plagiate gewesen.

    So nicht! - dachte sich die Professorin für Internationale Medieninformatik an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin - und befasste sich systematisch damit, wie man Plagiate erkennen kann.

    Man erkennt Plagiate an den Brüchen: Das sehen eigentlich Lehrkräfte immer, wenn sie etwas lesen und es gibt plötzlich einen Übergang: von einem Schreibstil zum anderen, Formatierungsübergang, Übergang alte deutsche Rechtschreibung zur neuen und wieder zurück. Solche Sachen fallen einem komisch auf.

    Aus ihren Erkenntnissen machte die E-learning-Expertin eine Lernhilfe, die sie seit kurzem kostenlos im Internet zur Verfügung stellt. "Fremde Federn finden" heißt diese Lerneinheit, die sich vor allem an Lehrer und Professoren wendet. Denn Plagiate gibt es auf allen Ebenen: bei Hausarbeiten ebenso wie bei Magister- und Diplomarbeiten, ja sogar bei Doktorarbeiten.

    "Fremde Federn Finden" erklärt nicht nur was ein Plagiat ist, sondern zeigt auch verschiedene Möglichkeiten auf, es zu entdecken. Dazu gehören Hinweise auf einschlägige Computerprogramme, die Weber-Wulff auch auf ihre Tauglichkeit getestet hat.
    Oder einfach der Tipp: auffällige Formulierungen oder Rechtschreibfehler in eine Internet-Suchmaschine eingeben.

    Bislang ist das Feedback zu der Lernhilfe sehr gut. Auch viele Studenten freuen sich, wenn Plagiatoren auffliegen:

    Weil es doch nichts bringt, wenn man sich selber bescheißt und man sollte lieber selber auf Lösung kommen als irgendwo abschreiben, weil man lernt doch nichts dabei.

    Man soll ja Eigenleistung bringen, sonst braucht man nicht zu studieren. Und bei uns ist das so, dass wir die Quellen nennen müssen und dass es auch kontrolliert wird.

    Doch das sehen nicht alle so, sonst würde es nicht so viele Plagiate geben. Und viele, die so unverfroren abschreiben, haben offenbar noch nicht mal so etwas wie ein Unrechtsbewusstsein. Die Schuld dafür sieht Debora Weber-Wulff teilweise sogar bei den Hochschulen selbst:

    Wir leben es teilweise nicht richtig vor, wir bringen es den Leuten nicht bei, wir haben gerade in den technischen Fächern in der Regel keine Propädeutiken, wo die Leute beigebracht bekommen: Was ist wissenschaftliches Arbeiten?

    Eine ganz andere Frage ist noch mal, was dann tatsächlich passiert, wenn Plagiate entdeckt werden. Debora Weber-Wulff weiß von einem Fall zu berichten, in dem jemand damit sogar bei einer Doktorarbeit durchkam, weil der Professor ihn gedeckt hat. Eine Faustregel, was Abschreibern blüht, gibt es nicht:

    Manche Dozenten haben ein ungutes Gefühl, sagen nichts. Manche sprechen mit den Studierenden und stellen spitze Fragen: Wo haben Sie dieses Buch denn nur gefunden? Man stellt Fragen. Wenn man ganz böse ist, gibt man eine Fünf und sagt: OK, jetzt musst Du diese Leistung noch mal erbringen. Einige Hochschule in der BRD haben begonnen einen Passus in die Prüfungsordnung zu schreiben, dass im Falle eines Plagiates tatsächlich jemand von der Hochschule fliegen kann, aber in der Regel ist es so in Deutschland: Es wird einem auf die Finger geklopft und man darf noch mal.

    Eine Fußnote (!) noch am Schluss: Die Lerneinheit funktioniert natürlich auch andersrum! Auch Studierende können mit ihrer Hilfe herausfinden, ob ihre Professoren vielleicht von ihnen geklaut haben. Denn auch die schmücken sich mitunter gerne mit "fremden Federn"!