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Freund und Feind

"Kronjurist der Nazis", "Steigbügelhalter Hitlers", so nannten seine Kritiker den Rechtstheoretiker Carl Schmitt. In den Augen seiner Bewunderer war er einer "der Großen des Staatsrechts", ein "Mensch mit faszinierender Ausstrahlung", ein "scharfer Denker mit brillanten Formulierungen".

Von Otto Langels | 07.04.2005
    "Da schreibt man über den Begriff des Politischen, da macht man in allernächster Nähe die interessantesten Dinge mit, macht sich Gedanken, erfindet so eine schöne Theorie und fühlt auf einmal, Existenz, ja was ist das eigentlich?"

    In den 70er Jahren räsonierte der Staatsrechtslehrer Carl Schmitt in einem Rundfunkgespräch über sein Leben. Schmitt, einer der bekanntesten und zugleich umstrittensten deutschen Rechtstheoretiker des 20. Jahrhunderts, starb am 7. April 1985 in seinem sauerländischen Heimatort Plettenberg.

    Carl Schmitt studierte Jura in Berlin, München und Straßburg. 1921 wurde er als Professor für Staatsrecht an die Universität Greifswald berufen. Weitere Stationen waren Bonn, Köln und schließlich Berlin. In Schriften wie "Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus" und "Verfassungslehre" entwickelte Schmitt seine autoritäre Staatstheorie. Die parlamentarische Demokratie lehnte er als "veraltete bürgerliche Regierungsmethode" ebenso ab wie die Weimarer Verfassung, weil sie den Staat durch einen "neutralisierenden" Liberalismus schwäche. Er unterschied kategorisch zwischen Freund und Feind in der Politik und befürwortete einen starken Staat totalitären Zuschnitts.

    "In manchen Staaten hat es der Parlamentarismus schon dahin gebracht, dass die Politik, weit davon entfernt, die Angelegenheit einer Elite zu sein, zu dem ziemlich verachteten Geschäft einer ziemlich verachteten Klasse von Menschen geworden ist."

    Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit pflegte Carl Schmitt Anfang der 30er Jahre enge Kontakte zu rechten politischen Kreisen bis hin zum späteren Reichskanzler Kurt von Schleicher. Schmitt war einer der Wortführer der "Konservativen Revolution" und bereitete den Nationalsozialisten den Weg.

    "Ich war kein Eremit. Ich interessierte mich auch für die Gespräche. Die kamen ja immer jeden Tag gelaufen. Es wusste ja keiner, um die schöne Redensart zu gebrauchen, wohin der Hase lief. Und Hitler gab sich von der nettesten Seite. Alles war entzückt. Wir waren alle beeindruckt."

    Recht war für Carl Schmitt primär ein Instrument der Macht. Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, ein entscheidender Schritt zur Errichtung der totalitären Diktatur, bezeichnete der Jurist als "vorläufige Verfassung der deutschen Revolution".
    In der Rückschau kommentierte Schmitt 40 Jahre später die Machtübernahme der Nazis so:

    "Hitler betrachtete ja seine Ernennung zum Reichskanzler als Wunder. Alle seine Freunde haben dieses Wunder gefeiert. Hitler glaubte jetzt, wie er sagte, an seinen Stern. Was in Wirklichkeit geschehen war, war Folgendes: Es war der Selbstmord der Weimarer Verfassung, der aus Furcht vor einem gewaltsamen Tod begangen worden war."

    Am 1. Mai 1933 trat Schmitt in die NSDAP ein, im November wurde er Präsident der Vereinigung nationalsozialistischer Juristen. Hermann Göring ernannte ihn zum Preußischen Staatsrat. Als Hitler Ende Juni 1934 nach dem so genannten Röhm-Putsch die SA-Führung, aber auch konservative Gegner des Regimes und unbequeme Personen wie General von Schleicher liquidieren ließ, rechtfertigte Schmitt die Morde als "höchste Form administrativer Justiz":

    "Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Missbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft. Der wahre Führer ist immer auch Richter. Aus dem Führertum fließt das Richtertum."

    Carl Schmitt war Antisemit. Er bezeichnete Juden als "Parasiten" und forderte, das deutsche Recht vom "jüdischen Geist" zu säubern. Dennoch warf ihm die SS vor, kein wahrer Nationalsozialist zu sein. Schmitt verlor seine Parteiämter, blieb aber bis 1945 Professor an der Berliner Universität und behielt den Titel Preußischer Staatsrat.

    Nach dem Ende des Krieges wurde der Jurist von den Alliierten festgenommen und verhört. Zu einer Anklage kam es allerdings nicht. So konnte sich Schmitt in seinen Geburtsort Plettenberg zurückziehen. In der Bundesrepublik blieb er wissenschaftlich und politisch weitgehend isoliert, auch wenn sein Werk wegen der analytischen Schärfe einige Bewunderer fand und in jüngster Zeit unter US-amerikanischen Neokonservativen eine Renaissance erlebt. Bis zu seinem Tod distanzierte er sich nie ausdrücklich von seinem Wirken in der NS-Zeit und bekannte, er sei dankbar, Preußischer Staatsrat und nicht Nobelpreisträger geworden zu sein.