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Freundlich, aber eiskalt in der Sache

Wirklich stoppen lässt sich Tanja Gönner nicht – weder Diskussionen noch bei ihrer Karriere. Im Jahr 2000 landet sie mit gerade einmal 31 Jahren im Vorstand der Bundes-CDU. Sie gehört dem Girlscamp von Angela Merkel an. Was ihr in der baden-württembergischen Alt-Herren-CDU Respekt verschafft.

Von Barbara Roth | 24.03.2011
    "Frau Ministerin, Frau Gönner, ich darf Sie namens der Stadt hier herzlich begrüßen. Sie sind ja hier eine Altbekannte. Gut-Bekannte muss man sagen, damit es hier keine Verwerfungen gibt ..."

    Eine Unbekannte ist Tanja Gönner in Oberschwaben wahrlich nicht. Das Hinterland des Bodensees ist ihr Wahlkreis. Eine konservative Gegend – Wahlergebnisse von weit über 50 Prozent für die CDU sind hier nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Umweltministerin kandidiert erstmals für den baden-württembergischen Landtag. Früher war sie hier die Bundestagabgeordnete. Ortstermin, der zweite von neun an diesem Tag.

    Besichtigung einer Einrichtung für Langzeitarbeitslose. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist dabei. Das gibt gute Fotos, ist aber schlecht für die Frauen am Band. Denn die Ministerin aus Hannover versteht deren breiten schwäbischen Dialekt nicht. Heimvorteil für Tanja Gönner.

    "Das ist geschickt, dann brauchen Sie gar nicht gucken. Das heißt aber, ich sollte mit Ihnen nicht schwätzen, sonst kriegen sie nachher mit den Kolleginnen Ärger."

    TV-Moderator Frank Plasberg hat die 41-Jährige das – Zitat - "sympathische Gesicht der Landesregierung" genannt. Denn auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 war sie es, die durch die Talkshows tingelte und mit den Gegnern des Bahnprojekts diskutierte. Immer freundlich, immer mit viel Verständnis auch für den Ärger der Gegenseite. So manche Schärfe hat sie so aus der hitzigen Debatte genommen – was ihrem Ministerpräsident Stefan Mappus nie gelang.

    "Das ist richtig, ich will aber nicht leugnen, dass es ein durchaus anstrengender Prozess war, der auch körperlich und geistig sehr viel abverlangt hat. Und sie wissen, wenn sie als Politikerin in einen solchen Prozess hineingehen, nicht, ob sie gewinnen oder verlieren. Es hätte auch das Gegenteil herauskommen können. Es war im Übrigen auch ein Prozess, der auch meiner Art Politik zu machen, sehr entgegenkam. Denn ich will Menschen überzeugen mit Argumenten."

    Wirklich stoppen lässt sich Tanja Gönner nicht – weder bei Diskussion noch bei ihrer Karriere. Schon früh stößt sie zur Jungen Union, arbeitet sich zielstrebig bis zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden hoch. Im Jahr 2000 landet sie mit gerade einmal 31 Jahren im Vorstand der Bundes-CDU. Und nutzt die Gelegenheit, emsig Netzwerke ins Zentrum der Partei zu knüpfen. Sie gehört sie dem Girlscamp von Angela Merkel an. Was ihr in der baden-württembergischen Alt-Herren-CDU Respekt verschafft.

    "Wer bringt Ihnen die Sachen? Die Männer. Das ist in Ordnung. Ein Mal wird man von den Männern bedient, da ist man aber auch froh. Wir erfüllen die Frauenquote. Das ist in Ordnung. Wir Männer sind in der Minderzahl und müssen folgen. Das mit dem Folgen ist sicher nicht zu ihrem Schaden."

    Die burschikose Ministerin weiß sich durchzusetzen. Als intelligent, fleißig und ehrgeizig wird Gönner beschrieben. Sie selbst sagt, sie mache Politik mit viel Herzblut. Es wäre aber völlig falsch, sie deshalb als Gegenpart des ruppigen Mappus darzustellen. Tanja Gönner mag verbindlich im Ton sein, sie ist aber knallhart in der Sache. Und seine engste Vertraute im Kabinett. Beide wurden vom ehemaligen Ministerpräsident Erwin Teufel entdeckt, das verbindet.

    "Ich würde sagen, dass es seit Langem keine Wahl gegeben hat in Baden-Württemberg, die so eng war. SPD und Grüne habe viele Umbrüche vor, beispielsweise in der Bildungspolitik. Insofern kann man von einer Richtungswahl sprechen."

    Die Tour durch ihren Wahlkreis führt die Ministerin in die kleine Gemeinde Illmensee. Am Ortsrand stehen unübersehbar drei Windräder. Die Hügel in Oberschwaben eignen sich hervorragend für Windenergie. So steht es auch im Windatlas der Landesregierung. Doch die Bevölkerung am Ort wehrt sich. Drei Windräder sind genug, weitere will man nicht akzeptieren.

    "Ich bin für diese Diskussion dankbar, denn von den Grünen und der SPD werden wir jedes Mal vorgeführt. Die Schlagzeile lautet immer: Das Land verhindert Windkraft. Und wir sagen immer, Leute es muss auch die Akzeptanz vor Ort da sein. Sie haben hier drei, sie wissen, wie es gelaufen ist und deshalb finde ich es höchst spannend."

    Ihr Versprechen, sich gegen weitere Windräder stark zu machen, wird Gönner nicht einhalten können. Denn sie hat hinter den Kulissen fleißig mitgewirkt an Merkels Atommoratorium und das AKW Neckarwestheim 1 sofort vom Netz genommen. Wahlkampftaktik? Davon will die CDU-Politikerin nichts wissen. Gebetsmühlenartig spricht sie das geduldig in jedes Mikrophon.

    "Wir haben auch gesagt, dass wir lernen müssen aus Japan. Und ich finde, man muss auch seiner Regierung auch zugestehen, dass sie in einer solchen Phase auch bereit ist, auch noch mal nachzudenken und diesen Diskussionsprozess einzugehen. Wenn man es genau will, haben wir jetzt eine Art Faktencheck der Energiepolitik."

    Am Sonntag muss Gönner vielleicht um ihr Ministeramt fürchten, nicht aber um ihre Karriere. Ihr traut man durchaus zu, die CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag zu führen. Andere sehen sie bereits auf der Berliner Bühne. Als Bundesumweltministerin war sie im Gespräch. Der Job ging an Norbert Röttgen. Ein Hindernis? Nicht für sie, sagen ihre Parteifreunde, denn sie sei – Zitat - "eiskalt" beim Ausschalten ihrer Gegner.