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Fricke: ESM-Mittel den Banken zu geben, wäre ein katastrophaler Fehler

Die Idee der Europäischen Zentralbank EZB , notleidende Banken mit Geldern aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu versorgen, hält der FDP-Politiker Otto Fricke für grundfalsch. Nur Länder, die Reformen anstrengen, sollten aus seiner Sicht ESM-Mittel erhalten.

Das Gespräch führte Christoph Heinemann | 27.04.2012
    Christoph Heinemann: Es ist einmal wieder Zeit, in der Euro-Buchstabensuppe herumzurühren. EFSF ist der bis Mitte 2013 befristet geplante Euro-Rettungsfonds,ESM der dauerhafte Rettungsmechanismus, der in diesem Jahr im Juli funktionieren soll und ein Kreditvolumen von rund 500 Milliarden Euro bereithalten soll. Und auf diesen sollen, Zeitungsberichten zufolge, künftig Banken zurückgreifen, denen das Geld ausgeht. Bisher, so ist es vorgesehen, können nur Regierungen Geld beantragen, wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, also einen Sparplan vorgelegt haben. Das Prinzip: Geld gegen Disziplin. Der Hintergrund: Spanien bereitet Sorgen. Gerade ist das Land von einer Ratingagentur wieder herabgestuft worden. – Am Telefon ist Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer und haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.

    Otto Fricke: Einen schönen Frühlingsmorgen aus Berlin.

    Heinemann: So weit der Kurzwetterbericht aus der Hauptstadt. – Herr Fricke, sollen wackelnde Banken Geld aus dem europäischen Rettungsmechanismus ESM bekommen?

    Fricke: Nein, sollen sie nicht, ist nicht vorgesehen, steht auch nicht in dem maßgeblichen Artikel 15, sondern es bleibt dabei – und das war Grundvoraussetzung der Verhandlungen -, dass es die Länder sind, die Hilfen beantragen können, und zwar, um das gleich zu sagen, aus einem einfachen Grund. Wenn aus dem ESM oder auch aus anderen Ebenen Geld gegeben wird, müssen die Länder die entsprechenden Anstrengungen unternehmen und müssen gegenüber ihren Banken handeln und müssen bei sich selbst handeln. Alles andere würde in eine völlig falsche Richtung gehen.

    Heinemann: Nun unterstützt offenbar die IWF-Chefin Christine Lagarde die Idee, dass Banken direkt Zugriff haben könnten. Sie befürchtet, dass Heuschrecken, um mit Franz Müntefering zu sprechen, über Italien zum Beispiel herfallen könnten, wenn ein Land wie Spanien den offiziellen Weg unter den Rettungsschirm antreten müsste. Wie groß ist diese Gefahr?

    Fricke: Na ja, es ist der übliche Versuch zu sagen, jetzt versuchen wir mal, eine schnelle Lösung zu finden. Es ist übrigens auch seitens der EZB dies ein wenig ein Wunsch, weil man das Gefühl hat, dass man von der einen Billion, die man gegeben hat, langsam runterkommen müsste. Aber noch mal: Es wäre der alte katastrophale Fehler, den man machen würde, dass man irgendwo schnell Geld gibt.
    Und ich will auch noch mal ein wenig beruhigen. Jetzt schauen wir uns mal die spanischen Banken an. Ja, die sitzen auf der Immobilienblase, ja, sie haben Probleme. Aber dann nehmen wir als Beispiel mal das erste Quartal und gucken uns eine Bank Santander an. Die hat in dem Fall ein Minus von 1,6 Milliarden gehabt, hat aber auch, weil das Land Spanien die Aufgaben wahrnimmt, an der Stelle genau dafür Gewinnrücklagen gemacht, um eben dieses Minus, das sie im Immobilienmarkt hat, auch aufzufangen.
    Man muss hier vorsichtig sein, dass man nicht aus den einzelnen Meldungen den Versuch macht, das gesamte System, nämlich der Verantwortung der Staaten dafür, endlich die Reformen zu machen, die man über Jahre verschleppt hat, wieder zu verschieben und zu sagen, na ja, ich muss da vielleicht nichts tun, es hilft ja entweder irgendjemand aus Europa oder der ESM, und ich muss noch nicht einmal als Land da hingehen und das bekennen. Das geht nicht.

    Heinemann: Herr Fricke, Sie haben die Europäische Zentralbank angesprochen. Mario Draghi denkt laut nach über ein Auffangsystem für Banken auf europäischer Ebene. Wie stellen Sie sich das vor, ein solches Auffangsystem?

    Fricke: Na ja, ich glaube, Herr Draghi – das ist jetzt leicht ironisch gemeint – hat gesehen, wie wir das in der Bundesrepublik Deutschland mit dem SoFFin gemacht haben, also mit dem Bankenrettungsfonds, der hier dafür sorgt, dass es eine Stabilisierung des Bankenmarktes gibt – ich nenne noch mal den Fall Hypo Real Estate, aber insbesondere auch die Fälle anderer Banken sowie auch die Frage der öffentlichen Banken -, dass wir so was in anderen Ländern auch machen. Nur der Unterschied ist auch da wieder: Hier hat das Land Bundesrepublik Deutschland dieses getan, hat entsprechende Anforderungen gestellt und dieses alles ist – und das halte ich für sehr wichtig – in hoher Transparenz gelaufen. Da, glaube ich, liegt wiederum einer der großen Denkfehler, die es gibt in der letzten Zeit, immer zu versuchen, es nicht über das Bekenntnis in der Öffentlichkeit zu machen, es ist etwas schief gelaufen, ja, wir sind reformbereit, wir brauchen die Hilfe Europas, deswegen sind wir auch bereit, dieses und jenes zu tun.

    Heinemann: Kritiker sagen genau, dass zu diesem Bekenntnis dazugehört, ja, wir würgen die Volkswirtschaften ab.

    Fricke: Ja. Aber dann will ich sagen, dann wären wir in einem ewigen Zyklus zu sagen, immer wenn es ein Problem gibt, schmeißen wir weiteres Geld auf den Markt, es wird schon irgendwo gut gehen, am Ende machen wir dann halt ein bisschen Inflation und dann haben halt die leider Pech, die sich vernünftig verhalten haben, die gespart haben, die zurückgelegt haben, derjenige, der seine Lebensversicherung hat, und, und, und. Nein, das ist dann wiederum der übliche Kampf zwischen einem angloamerikanischen Denken, zu sagen, alles mit neuem frischen Geld zuzuwerfen, und der eigentlichen Kernfrage, zu erkennen, dass es gerade den Ländern in Europa gut geht, die Reformen gemacht haben - wir Deutschen profitieren davon ganz besonders -, und deswegen, weil sie Strukturreformen gemacht haben.

    Heinemann: Herr Fricke, können Sie garantieren, dass die Bundesregierung in diesem Fall nicht einknicken wird? Wäre ja nicht das erste Mal.

    Fricke: Also die Garantie eines kleinen Haushaltsausschuss-Mitgliedes kann ich natürlich nur insoweit abgeben, als dass ich sage, das ist das, wofür ich stehe, wofür meine Fraktion steht. Aber wenn ich die Reaktionen sowohl der CDU/CSU, des Kollegen Meister, gestern sehe, als auch, wenn ich die Gespräche rekapituliere, die ich mit den, ich sage mal, Spitzen des Finanzministeriums habe, dann ist das nicht der Weg. Der Versuch wird immer wieder gemacht werden, darauf müssen wir uns als Deutsche auch einstellen, dass man sagt, Mensch, Leute, gebt uns doch einfach ein bisschen mehr Geld, wir werden das schon ordentlich machen. Und wir müssen sagen, wir sind Europäer, wir helfen euch, ja, denn wir profitieren auch erheblich, aber nicht nach dem Motto, macht das mal ordentlich, sondern immer unter der Bedingung, ihr verändert bei euch das, was notwendig ist, um auf Dauer auf den richtigen Weg zu kommen. Alles andere, kann ich als Politiker nur sagen, würde sonst in diesen Ländern bei den Politikern zu dem führen, was hier alle Politiker zu oft machen, nämlich zu sagen, was ist der weiche und was ist der einfache und was ist der angenehme Weg, der hilft, wieder gewählt zu werden.

    Heinemann: Herr Fricke, bisher konnte sich die Kanzlerin im Großen und Ganzen auf Frankreich und voll auf die Niederlande verlassen. Nun könnte sich das bald ändern, zum Beispiel nach der französischen Präsidentschaftswahl, und in Holland ist die Regierung bereits gescheitert. Wer steht denn noch auf der Seite der Bundesregierung?

    Fricke: Also es stehen noch mehrere Länder auf der Seite, nehmen wir Finnland und Österreich mal als Beispiel, die sind aber nicht ganz so groß.

    Heinemann: Eben!

    Fricke: Bei Frankreich bin ich vorsichtig, da warte ich erst mal ab, was der Souverän als Wähler, was der da sagt. Und ich weiß, dass in Frankreich – dieses Erlebnis habe ich in den letzten Jahren immer wieder gehabt – zwischen der Wahlrhetorik und dem, was tatsächlich passiert, gewisse Unterschiede sind.
    Was die Niederlande angeht, muss ich ehrlich sagen, ist das für mich gestern eher ein Lichtblick gewesen. Ich bin Vorsitzender der deutsch-niederländischen Parlamentariergruppe, spreche Niederländisch und habe gestern live um 20:30 Uhr die Debatte im dortigen Parlament verfolgt. Da haben wir dann auf einmal innerhalb von zwei Tagen dann doch einen Haushalt hinbekommen, und das hat gegenwärtig noch gar keiner gesehen. Die Niederlande stehen an der Stelle noch auf unserer Seite, sie werden Neuwahlen bekommen, aber komischerweise sind sie in der Lage, einen Sparhaushalt hinzubekommen. Da unterscheiden sich dann Länder auch bei der Frage, ist man in der Krise bereit, sich zusammenzutun. In den Niederlanden jedenfalls, da, glaube ich, da wird das Problem so nicht sein.

    Heinemann: Bei unserem größten Partner sprechen aber unisono inzwischen alle Wahlkämpfer und auch alle Politiker – Nicolas Sarkozy ist ja noch Präsident – von Wachstumsimpulsen, die man braucht, und auch Mario Draghi – da ist er wieder – fordert einen Wachstumspakt. Sollte Wolfgang Schäuble schon mal Geld zur Seite legen?

    Fricke: Das kommt jetzt wieder darauf an. Das Wort "Wachstumspakt" hört sich gut an. Erstens finde ich das auch – das darf mir kurz mal als FDP-Mann erlaubt sein – sehr schön, wie inzwischen jeder über das Thema Wachstum redet, wo man gesagt hat, das, was der Vizekanzler hochgebracht hat, das ist doch völlig deplatziert. Aber das Zweite ist: Wachstum ist selbstredend zu unterscheiden zwischen der Frage sogenanntes, wie ich immer sage, Primitivwachstum, wir schmeißen Geld auf den Markt, dann wird schon irgendjemand wachsen, und strukturellem Wachstum. Heißt Wachstumspakt eigentlich immer nur, ich gebe irgendwo eine Milliarde hin, dafür kauft dann jemand was, dann kriegt der Staat mehr Einnahmen, oder heißt Wachstum nicht auch, wir verändern Strukturen, die sorgen dafür, dass was passiert, aber eben mit diesen Strukturveränderungen helfen wir zugleich als Staat und sagen, wir geben die Rahmenbedingungen und eine gewisse Absicherung. Wachstumspakt-Alt im Sinne von Geld auf den Markt, wird schon gut gehen, irgendjemand wird schon was machen, das funktioniert nicht. Da sind am Ende dann nur Schulden herausgekommen.

    Heinemann: Herr Fricke, zum Schluss ganz kurz eine Frage noch zu einem anderen Thema, Frage an den Parlamentarischen Geschäftsführer. Die EU-Innenminister haben jetzt beschlossen, dass auch innerhalb der EU die Daten von Flugpassagieren für fünf Jahre gespeichert werden sollen: Name, Telefonnummer, Gepäck, Zahlungsanweisungen und so weiter. Das Europaparlament muss noch zustimmen, das muss man dazu sagen. Wird Deutschland bei den Daten mitsammeln?

    Fricke: Also ich kann mir das zum gegenwärtigen Zeitpunkt so nicht vorstellen, bin auch etwas überrascht, weil wir diese Notwendigkeit bisher an uns nicht so haben herangetragen bekommen – auch als Abgeordnete nicht. Ich gucke mir das ganz ruhig und ganz genau an, was der Sinn des ganzen ist, muss auch ehrlicherweise sagen, dass ich diese Gefahrensituation so bisher noch nicht gesehen habe, und bin vorsichtig. Wir haben am Wochenende da auch wiederum Gespräche mit den Kollegen aus dem Europäischen Parlament. Wir erleben in letzter Zeit immer wieder, dass die Innenminister etwas beschließen, um erst mal voranzugehen. Nachher wird es dann meistens auf ein vernünftiges Maß reduziert. Ich denke, auch das wird bei den Innenministern klappen, da sind ja auch kluge Leute dabei.

    Heinemann: Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer und haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Die Telefonleitung war ehrlich gesagt nicht die beste, das war aber nicht Ihre Schuld. Trotzdem und vor allen Dingen danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Fricke: Ich habe zu danken. Immer gerne. Tschüß!

    Heinemann: Tschüß!