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Fricke: Griechenland ist "an Schmitz Backes noch nicht vorbei"

Mehr Geld von IWF, EU und EZB für Griechenland gibt es nur gegen noch größere Sparanstrengungen - am Abend hat Athen Vorschläge geliefert. Otto Fricke hält das für einen Schritt in die richtige Richtung - ist aber skeptisch, ob das Sparpaket wirklich umgesetzt wird.

Otto Fricke im Gespräch mit Peter Kapern | 24.05.2011
    Peter Kapern: Bis Mitte Juli reicht das Geld noch in den Staatskassen, dann ist Griechenland pleite, es sei denn, die nächste Tranche der Hilfskredite wird wie vereinbart im Juni ausgezahlt. Genau daran aber hatten Experten von EU, IWF und EZB in letzter Zeit mehrfach gezweifelt, und dies aus einem einfachen Grund: Griechenland ist die zugesagten Schritte zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen nicht gegangen, jedenfalls nicht weit genug. Vor allem im Bereich der Privatisierung von Staatsvermögen war so gut wie nichts unternommen worden. Deshalb haben die Partner aus der EU der griechischen Regierung die Daumenschrauben angesetzt und größere Sparanstrengungen verlangt. Gestern lieferte das Kabinett in Athen.
    Bei uns am Telefon nun Otto Fricke, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Fricke!

    Otto Fricke: Einen wunderschönen sonnigen Morgen aus Berlin, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Fricke, gestern also die Krisensitzung des Kabinetts in Athen mit Beschlüssen zu weiteren Einsparungen und Privatisierungen. Wie bewerten Sie das Ganze?

    Fricke: Es ist zumindest mal ein Schritt in die richtige Richtung, der allerdings auch schon wieder ein Stückchen spät kommt. Man muss sich natürlich immer, wenn man so etwas vor hat, überlegen, wie wäre das eigentlich, wenn in unserem Land so etwas beschlossen werden müsste, und dann sieht man schon, dass das heftig ist, und ich darf darauf hinweisen, dass neben der Privatisierung auch noch Fragen gekommen sind wie Arbeitslosenbeitrag für den öffentlichen Dienst, höhere Besteuerung im Bereich KFZ und Ähnliches mehr, was auch noch die Bürger direkt betrifft. Also es ist schon etwas, aber – das will ich auch deutlich sagen – nach den Berichten der letzten Monate, bei denen die Troika – Sie haben sie ja gerade genannt -, also insbesondere der IWF, dargestellt hat, dass es da Probleme gibt, bin ich jetzt A sehr gespannt, wie der IWF das bewertet, und B will ich natürlich ganz genau auch wissen, wie der IWF die zukünftigen weiteren Zeiten dort bewertet, wie viele Finanzmittel des deutschen Steuerzahlers unter anderem noch nötig sind.

    Kapern: Schauen wir mal auf die Details dieses Sparpakets, das da gestern geschnürt wurde. Vorgesehen sind Privatisierungen in Höhe von 50 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Das war ja die Größenordnung, die von Anfang an angepeilt worden war, seit Griechenland die Hilfskredite der EU bekommen hat. Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, hat erst am Wochenende in einem Interview gesagt, 50 Milliarden, das reicht gar nicht, es muss erheblich mehr sein.

    Fricke: Da hat Herr Juncker wahrscheinlich nicht ganz unrecht, dass das alleine nicht reicht. Wir müssen immer die Gesamtpakete sehen. Das ist natürlich bei einer Volkswirtschaft nicht einfach zu sehen. Was aber wichtig ist, ist: Geht diese Volkswirtschaft, die über Jahre gedacht hat, sie kommt ohne Privatisierung aus, sie kommt vor allen Dingen ohne Maßnahmen aus, die wir ja in Deutschland gemacht haben, damit es uns heute besser geht – ich nenne da bewusst die Agenda 2010 -, dass das vorangeht. Und da ist ein Kabinettsbeschluss, so schön der sich dann anhört, erst der erste Schritt. Da muss noch vor allen Dingen die Mehrheit im Kabinett kommen. Das ist sicherlich nicht einfach, denn die Opposition hat sich ja leider eben noch nicht so verantwortungsvoll in Griechenland verhalten, wie es die Lage eigentlich notwendig macht, und das ist noch ein großes Stück Arbeit. Der Rheinländer sagt immer so schön, da ist man an Schmitz Backes noch nicht vorbei, und ich bin da noch nicht sicher, ob da alles jetzt klar ist. Nur wie gesagt, man muss anerkennen, dass hier ein Mitglied der europäischen Familie die Schritte unternimmt, die es unternehmen muss.

    Kapern: Außerdem sollen alleine in diesem Jahr, Herr Fricke – auch dies ein Detail dieses Sparpakets -, weitere sechs Milliarden eingespart werden. Nun sehen wir ja, dass die griechische Wirtschaft in diesem Jahr stark eingebrochen ist, in der Rezession steckt. Die Steuereinnahmen, die ja ohnehin gering waren, brechen noch weiter ein. Macht es da Sinn, weitere Einsparungen vorzunehmen und erst recht das Land in die Rezession hineinzusparen?

    Fricke: Das ist ja das Argument, was hauptsächlich von Rot und Grün kommt, dass das so eine Art Kaputtsparen wäre. Ich glaube nur, man muss immer wieder sehen, was die Alternative ist. Man muss ja sehen, wie es dazu gekommen ist, dass Griechenland jetzt da steckt, wo es ist. Ich muss – und so ist das wie bei einem Patienten dann auch – eben sehen, dass die Zeit der Heilung nicht eine Zeit ist, in der es besser geht, sondern erst mal eine Zeit ist, in der, ich sage mal, die bittere Medizin zu wirken beginnt, und das dauert etwas. Ich kann da nur sagen, wir haben das hier in Deutschland auf einer kleinen Ebene, weil wir es rechtzeitig gemacht haben, erlebt, und da muss ich sagen, ich will ja am Ende wieder einen fitten Partner haben, und da kann ich dann nicht sagen, ich päppele dich weiter in deiner Situation, deine Fitness ist schlecht, aber du musst jetzt kein Fitness-Programm machen, du musst nicht schwitzen, es ist nicht anstrengend. Und ich glaube, man verkennt einfach, wenn wir erreichen wollen, dass auf Dauer wir wieder einen stabilen Partner haben, dann braucht es auf der einen Seite unsere Solidarität in einem erkennbaren Maße für bestimmte Dinge, aber es braucht am Ende auch wieder mehr Solidität Griechenlands, und das Kaputtsparen ist dann keine Solidität am Ende, sondern wird eine ewige Geschichte sein, die mit immer weiter zahlen geht. Unsere Bundesländer, die vier, die jetzt gerade gemahnt worden sind, können dafür ein Beispiel geben, wie schlecht das laufen kann, wenn man immer weiter subventioniert.

    Kapern: Herr Fricke, Sie haben eben die Frage aufgeworfen, wie viel uns, also den deutschen Steuerzahler, das Ganze wo möglich noch kosten mag. Wie hohe Kosten sind denn akzeptabel? Wo ist das Limit?

    Fricke: Das Limit ist da, wo klar wird – und das sage ich jetzt bewusst als Politiker, der wirklich nun nicht alle Details kennen kann; sonst bräuchten wir ja solche Institutionen wie IWF, EZB überhaupt nicht -, ist da erreicht, wenn mir die Profis sagen, wir würden hier weiteres Geld bereits nicht effektivem Geld hinterherwerfen. Deswegen ist es ja so wichtig zu gucken, was sagt der IWF, besteht da eine Prognose, ist erkennbar, dass man auskommt. Wenn man dann sagt, ich weiß genau, es ist die Summe, sage ich immer, ich bin gespannt, woher Politiker dieses Fachwissen haben und genau sehen können, was der richtige Punkt ist. – Nein, da muss man auf die Profis hören. Wir haben ein Paket von 110 Milliarden für Griechenland geschnürt damals und das ist das, was jetzt existiert, und da muss man genau gucken, ob das reicht oder nicht. Wenn es nicht reicht und der IWF sagt, es ist auch keine Prognose da, dass es besser wird, dann kommen wir in Schwierigkeiten, von denen ich jetzt nicht spekulieren will, aber wo ich nur sagen kann, dann spätestens – ich wünschte mir, es würde früher passieren – würden viele der privaten Gläubiger auch sagen, ich muss an Laufzeitverlängerung freiwilliger Art denken, ich muss überlegen, wie ich selber aus meiner Position, die ich da einnehme als Gläubiger, auch klar und verantwortungsvoll handeln. Aber das ist wie gesagt die Sache: erst die Fakten, dann die Entscheidung.

    Kapern: Also noch mal: Sobald IWF, EU und EZB sagen, weitere Kredite für Griechenland – und da sind ja Summen von bis zu 60 Milliarden im Gespräch -, weitere Kredite für Griechenland sind nicht verantwortbar, in dem Moment würde auch die FDP im Bundestag die Reißleine ziehen?

    Fricke: Also in dem Moment, glaube ich, wäre es nicht nur die FDP im Bundestag, sondern in dem Moment, wo der IWF sagt, ihr werft weiteres, sozusagen schlechtes Geld dem bisherigen hinterher und es hat nicht die Effekte – nochmals im Lichte dessen, was Griechenland jetzt alles tut und wo man sehen muss, welche schwierige Aufgabe die Politik vor Ort hat -, dann, glaube ich, würde an der Stelle nicht eine Reißleine gezogen, sondern dann wird ein Mechanismus kommen, der ganz klar zeigt, dass diejenigen, die in griechische Anleihen investiert haben, hier auch mit in einer Verantwortung sind, was ja bisher nicht passiert und was – das will ich auch ausdrücklich sagen – durch das Verhalten der EZB nochmals erschwert worden ist. Aber so nach dem Motto jetzt, die FDP droht, das ist nicht so, so geht man nicht verantwortungsvoll mit der Sache um. Es wird auch eine europäische Entscheidung sein. Ich treffe heute Vormittag den niederländischen Finanzminister, da gibt es ähnliche Probleme. Wir müssen ja unserer Bevölkerung auch klar machen, warum haben wir denn eine Agenda 2010 in Deutschland gemacht mit vielen Problemen und warum machen die Griechen das vielleicht nicht, oder nicht richtig.

    Kapern: Sie sagen, die FDP will jetzt nicht drohen. Gleichwohl mehren sich ausgerechnet in Ihrer Fraktion ja deutlich die Stimmen, die sagen, wir müssen die Umschuldung jetzt schon machen, bevor es noch teurer wird.

    Fricke: Also die Frage ist – und nochmals: Da bleibe ich dabei, ich verlasse mich da auf den Rat von Fachleuten an der Stelle, gerade des IWF – zu sagen, geht es, oder geht es nicht, wird es immer schlechter, oder wird es langsam besser. Und da gehört dann eben die Überprüfung durch den IWF hin, da gehört dann eben auch hin, sagen die ja, die haben das im Kabinett beschlossen, ja, die haben vor einem Jahr die Steuergesetze geändert, jetzt machen sie es noch mal, aber der Vollzug ist zum Beispiel schlecht, beziehungsweise da passiert gar nichts. All das sind Dinge, die ich wissen will. Und vorher schon zu sagen, ich weiß, das halte ich für einen Politiker gerade in so einer sensiblen Sache für nicht verantwortungsvoll.

    Kapern: Aber, Herr Fricke, Fachleute gibt es ja nicht nur beim IWF; Fachleute gibt es bei Wirtschaftsforschungsinstituten, Fachleute gibt es an den Finanzmärkten, und auch da mehren sich die Stimmen, die eine Umschuldung jetzt verlangen und nicht noch weiter zuwarten wollen. Kann es sein, dass die Politik da im Prinzip schon Politik macht gegen die Finanzmärkte, gegen den Sachverstand der Finanzmärkte?

    Fricke: Nein, das würde ich im Moment nicht sagen. Unsere Verabredung – und das ist ja auch das Zeichen zu den Finanzmärkten in den letzten Jahrzehnten immer gewesen, wenn es einem Land schlecht geht -, wir nehmen die besten Leute, die wir da haben, sprich den IWF rein, wir schicken die hin in jedes Ministerium, an jede Stelle, lassen die alles überprüfen, was da überprüfbar ist, und die sagen uns, wie die Sache ist. Die Institute und alle möglichen Wirtschaftsweisen und so weiter, die uns sagen, was da sein könnte, sind weitere Hilfen, geben Informationen, und ich frage dann auch immer nach, ich sage jetzt mal, Herr Professor A sagt das, wie sieht das der IWF, wie sehen das die Leute vor Ort. Und ich glaube, dass das insgesamt dann das Ergebnis sein muss. Es wäre falsch, wenn Politik sagt, der IWF ist in der Prüfung, und wir lassen ihn nicht mehr prüfen, sondern wir wissen es schon vorher. Wenn ich das machen würde als Staatengemeinschaft, zudem als Europa mit seiner Verantwortung, dann würde ich an der Stelle gegenüber dem Markt das Zeichen setzen nach dem Motto, wir sind nicht mehr berechenbar, und wozu das führen würde, darüber möchte ich erst gar nicht spekulieren.

    Kapern: Otto Fricke war das, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Fricke, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Fricke: Ich freue mich bis zum nächsten Mal. Tschüß!

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