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Frieden schaffen ohne Waffen

So realistisch wie bei einem gespielten Überfall auf ein Fahrzeug einer UNO-Friedens-Mission geht es nicht bei allen Rollenspielen zu, mit denen eine Gruppe von 24 angehenden Friedensarbeitern auf ihren Einsatz in internationalen Krisenregionen vorbereitet wird. Aber das vom Zentrum für Internationale Friedensarbeit (ZIF) in Berlin angebotene Training ist doch lebensecht genug, um den Anwärtern einen Eindruck davon zu geben, was sie bei ihren Einsätzen in Bosnien, Ruanda oder Kambodscha alles erwarten können: bewaffnete Überfälle während Beobachtungsfahrten, gefährliches Leben und Arbeiten in einem von Minen verseuchtem Gebiet, die Angst bei einer Geiselnahme, das Grauen beim Anblick von Massengräbern.

Von Michael Fischer | 22.01.2004
    Die Teilnehmer lernen aber nicht nur, sich in gefährlichen und ungewöhnlichen Situationen zu verhalten, sondern auch, wie man erfolgreich zwischen verfeindeten Gruppen vermittelt, sagt Ralf Osterloh. Der pensionierte Jagdfliegertrainer wünscht sich eine sinnstiftende Karriere für seine zweite Lebenshälfte in einem der vielen Krisengebieten der Welt.

    Es hat keinen Wert, da zwar mit guten Absichten aufzutauchen, da ein paar Tage zu sein und dann wieder zu verschwinden, sondern es sollte nach einer gewissen Einarbeitungszeit dann auch ein längerfristiger Einsatz sein.

    Sie arbeiten als Demokratisierungshelfer der Europäischen Organisation für Sicherheit und Demokratie in Bosnien, sind juristische Berater der Vereinten Nationen im Kosovo oder beobachten im Auftrag der Europäischen Union Wahlen in Ruanda – deutsche Experten, die sich in gerade befriedeten Konfliktgebieten dafür einsetzen, den Zustand des Nicht-Krieges in einen nachhaltigen Frieden zu verwandeln. Seit aber bei Friedenseinsätzen in Südosteuropa, Asien und Afrika mehr zivile als militärische Kräfte ums Leben kommen, wird nun auch auf die Ausbildung der Friedenshelfer Wert gelegt. In zweiwöchigen Seminaren werden Anwärter auf ihre Aufgaben als Wahlbeobachter oder Berater vorbereitet. Dazu hat das Auswärtige Amt das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze gegründet, dessen Kurse seit Juli 2002 von fast 250 Männern und Frauen durchlaufen wurden.

    Um angenommen zu werden, müssen sie berufliche Praxis vorweisen können, einen Führerschein besitzen und neben der Kurssprache Englisch möglichst noch eine oder zwei andere Fremdsprachen beherrschen. Auslandserfahrung ist wichtig. Und eine festigte Persönlichkeit. Denn die werden sie brauchen. Die Aufgaben sind vielfältig und schwierig: Sie sollen Wahlen durchführen mit Menschen, die weder lesen noch schreiben können, in zerbombten Dörfern und vermintem Gelände den Grad der Zerstörung feststellen oder Protokolle anfertigen über Berichte von Flüchtlingen, die möglicherweise Dinge erlebt haben, die sich schwer in Worte fassen lassen. Deutsche Soldaten und Polizisten werden schon seit längerem auf solche Einsätze vorbereitet. Bei den zivilen Fachkräften, so kritisiert ZIF-Direktor Winrich Kühne,

    hat man gesagt, na, die sind für den Frieden, das reicht eigentlich. Schicken wir sie raus. Kofi Annan hat das mal als Amateurtum bezeichnet, was man nicht gebrauchen kann. Und der Ansicht bin ich auch. Und das hat sich dann auch als Ansicht bei Bundesregierung, Auswärtiges Amt und auch beim Bundestag durchgesetzt. Gleichzeitig ist das Zif ein Ausdruck des besonderen deutschen Interesses, zivile Instrumente der Krisenprävention zu stärken. Dazu gehört natürlich auch gerade gutes Personal.

    Mit seinem Trainingsprogramm verfolgt das Zentrum zwei Ziele: Zum einen soll ziviles Personal auf seine Arbeit in Friedenseinsätzen vorbereitet werden. Zum anderen soll eine deutsche Personalreserve von über eintausend Fachkräften für internationale Einsätze aufgebaut werden. Anstoß dafür war das Debakel nach dem Kosovo-Krieg. Es zeigte sich, dass die europäischen Staaten, besonders aber Deutschland, nicht auf die Anforderungen vorbereitet waren, die sich aus dem Wideraufbau des zerstörten Balkan-Landes ergaben. Dringend nötige zivile Fachkräfte standen erst nach langem Suchen zur Verfügung.

    Wie groß die Bundesregierung den künftigen Bedarf einschätzt, zeigt die Ankündigung von Verteidigungsminister Struck, das Einsatzalter von Reservisten der Bundeswehr zu erhöhen und das Einsatzkonzept zu verändern. So sollen die 2,5 Millionen Reservisten nicht mehr unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Mobilmachung genutzt werden, sondern vor allem unter dem Aspekt, wie sich ihre im Zivilberuf erworbenen Kenntnisse für Auslandseinsätze der Bundeswehr nutzen lassen.

    Die enge Zusammenarbeit mit internationalem Militär- und Polizeipersonal bildet einen Schwerpunkt des ZIF. Die von diesen Experten gesammelten Erfahrungen bilden eine Grundlage für das Ausbildungsprogramm. Auch einige der Kurs-Teilnehmer konnten bereits erste Erfahrungen bei Einsätzen im Balkan sammeln. Holger Trechow war an einem Projekt in Bosnien beteiligt, das zerstörte Häuser für rückkehrende Familien vertriebener ethnischer Minderheiten wiederaufbaute. Im nachhinein fand der junge Mann die Vorbereitung auf seine Arbeit in Bosnien allerdings ungenügend, weswegen er sich für einen Ausbildungskurs beim ZIF bewarb.

    Ich war in Bosnien, das ist ein Land, wo es viele Minen immer noch gibt, wo auch immer noch Kinder beim Spielen auf Minen treten und verwundet werden oder daran sterben. Ich hab da leider keine Einführung gekriegt, weder bevor ich hin gegangen bin noch vor Ort. Das war immer was, was mir fehlte.

    Friedenseinsätze gibt es seit 1948, als die ersten UNO-Blauhelme die Waffenstillstandslinie zwischen dem neu gegründeten Staat Israel und Ägypten zu überwachen begannen. Seitdem hat sich der Charakter der Konflikte grundsätzlich verändert: Waren es früher hauptsächlich zwischenstaatliche Kriege, sind es heute meist innerstaatliche Auseinandersetzungen. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich auch der Charakter der Friedenseinsätze geändert: War zivile Friedensarbeit ursprünglich so gut wie unbekannt, gewinnt sie nun zunehmend an Bedeutung. Seit die UNO wie in Osttimor oder im Kosovo den Aufbau der Verwaltung ganzer Länder übernimmt, sei es wichtig, so Winfried Kühne,

    dass wir gute Landräte, gute Bürgermeister, gute führende Verwaltungsfachleute finden, die helfen dort die Verwaltungen mit aufzubauen. Das betrifft den Bereich Verwaltung, das betrifft zunehmend den Bereich Rechtswesen, Richter, Staatsanwälte, Rechtsberater ist sehr wichtig, ist der ganze Bereich Menschenrechte natürlich, ist aber auch der ganze Bereich Infrastrukturfragen, Wirtschaftsaufbau, Finanzfachleute. Das hängt ganz vom Mandat ab und was vor Ort gefordert wird.

    Führt aber ein so breit angelegtes Aufgabenfeld nicht zwangsläufig zum Konflikt mit den traditionellen Entwicklungshilfeorganisationen?

    Es überlappt sich mit der Entwicklungshilfe, aber es ist doch sehr was anderes. Entwicklungshelfer sind erstens normalerweise nicht in Krisen- und Konfliktgebieten tätig gewesen, arbeiten normalerweise nicht mit Militär und Polizei zusammen. Aber vom Inhaltlichen – in der Tat überschneidet es sich das häufig. Allerdings dann eben doch mit einem anderen Hintergrund, einem anderen Zeithorizont. Entwicklungshelfer haben immer sehr langfristig gedacht, Friedenseinsätze denken da viel kurzfristiger.

    Die traditionelle Entwicklungshilfe fühlt sich von der Entwicklung hin zu militärischen und zivilen Einsätzen zur Konfliktbewältigung bedroht, wie Konrad von Bonin vom Evangelischen Entwicklungsdienst und andere kürzlich in einem Rundbrief schrieben:

    Die wachsende Zahl militärischer Interventionen im Gefolge des 11.Septembers 2001 drängt die Entwicklungspolitik in eine veränderte Rolle: Sie wird strategisch für die Aufarbeitung von Interventionsfolgen und zur indirekten Kriegskostenfinanzierung von vorneherein eingeplant und soll dazu herhalten, durch den Krieg zerstörte Infrastruktur zum Beispiel in Afghanistan wieder aufzubauen. Zugleich kann dies die Veränderung langfristiger Prioritäten der Entwicklungszusammenarbeit zugunsten spektakulären "Wiederaufbaus" oder auch der vermeintlichen Krisenprävention in potentiellen Spannungsgebieten wie dem Iran bedeuten. Mit der Zunahme von Interventionen wächst ihre Akzeptanz als normales Mittel der Politik und die Vorstellung, dass Frieden 'von oben’ hergestellt werden kann. Die mühsame Aufgabe des gerechten Interessensausgleichs, der Versöhnung und Schaffung friedensfähiger politischer und gesellschaftlicher Strukturen ist jedoch nur politisch zu lösen und muss im Wesentlichen von der betroffenen Gesellschaft selbst geleistet werden.

    Trotz der Kritik sind aber auch die meisten Entwicklungshilfeorganisationen wie der Deutsche Entwicklungsdienst und der Evangelische Entwicklungsdienst dabei, eigene Abteilungen für Friedensarbeit einzurichten, sagt Konrad von Bonin:

    Wir versuchen die örtlichen Voraussetzungen für Frieden zu stärken und zu fördern. Das macht man dadurch, dass Personen der unterschiedlichen Seiten zusammengeholt werden an einen neutralen Ort und es gibt auf allen Seiten immer solche Personen, die die Konflikte verschärfen wollen und solche, die für das gemeinsame Überleben die Konflikte geringer halten wollen. Und wir wenden uns an die zweite Gruppe, versuchen sie zu stärken in den inneren Auseinandersetzungen in der Gesellschaft. Und dass kann man nicht durch kurzfristige Nothilfe tun, zumal dann nicht, wenn diese Nothilfe gewissermaßen in die Gefahr kommt, noch ein Instrument in der Planung militärischer Aktionen zu werden. Das kann nur geschehen durch langfristig wirksame Entwicklungszusammenarbeit, die vor Ort verwurzelt ist.

    Auch Monika Hauser ist mit dem Zif-Programm nicht zufrieden. Die Teilnehmer würden nicht ausreichend auf die Probleme von Frauen in Kriegsgebieten vorbereitet, kritisiert die Gynäkologin und Gründerin von Medica Mondiale, einer Organisation, die vergewaltigten Frauen in Kriegs- und Nachkriegszeiten z.B. in Bosnien und Afghanistan hilft.

    Das ist ein langes Thema für uns, weil wir gerade auf dem Balkan gesehen haben, dass Peacekeeping-Kräfte und Humanitäre Hilfe immer Zwangsprostitution mit sich bringt, d.h. schauen wir uns den Kosovo an. Parallel dazu, dass 99 die UN-Verwaltung dort aufgebaut wurde, parallel dazu haben bestens ausgerüstete Mafia-Strukturen Zwangsbordelle aufgebaut, wo Frauen oft unter sklavenhaften Bedingungen festgehalten werden. Und da ist es sehr frustrierend, dass deutsche Soldaten es als selbstverständlich anschauen, in die Bordelle zu gehen und dort neue Menschenrechtsverletzungen an Frauen, oft an 14,15 jährigen Mädchen auszuüben und überhaupt keine Sensibilität dafür haben, dass sie eben Menschenrechtsverletzungen begehen. Wir sehen, dass das ein komplettes Tabu-Thema auch in Deutschland ist. Da bin ich schon oft ziemlich fassungslos, auch zu sehen, wie Mitarbeiter von humanitären Hilfsorganisationen wirklich skrupellos in diese Bordelle gehen und 14 jährige Mädchen vergewaltigen. Dass sehen wir auch als Teil unserer Arbeit an, da immer wieder zu sensibilisieren, gerade auch Männer vor ihren Einsätzen darauf hinzuweisen, was sie da dann auch tun.

    Mit Hilfe eines Rollenspiels lernen die Kursteilnehmer Verhandlungsführung. In Dreier-Gruppen eingeteilt spielen sie jeweils Gefängnisdirektor, Innenminister und Vertreter einer Menschrechtsorganisation. Die vorgegebene Situation: In einem Gefängnis in einem x-beliebigen Land streiken die Häftlinge. Aus Protest gegen die Haftbedingungen nähen sie sich Mund und Nase zu. Der Innenminister hat Soldaten auf dem Gefängnisgelände aufmarschieren lassen, um die Meuterei gewaltsam niederzuschlagen. In dieser Situation bittet der Gefängnisdirektor den Menschenrechtsbeauftragten zu vermitteln. Aus Sicht des Innenminister handelt es sich bei den Häftlingen um Terroristen, der Menschenrechtsbeauftragte hält sie für politische Gefangene. Der Ausgang der Verhandlung ist offen.

    Sie sind oft Universitätsabsolventen und Frühpensionierte, aber auch Leute, die mitten im Berufsleben stehen und Familie haben. Was treibt sie dazu, gefährliche Jobs in von Krieg zerstörten Ländern anzunehmen, wo die Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht einfach sind? Ralf Osterloh:

    Einfach die Notwenigkeit, ob man dadurch ein guter Mensch wird, des sei dahin gestellt, und die Einsicht, nach der Zerstörung wieder was aufzubauen, und vor allen Dingen den Menschen dort zu helfen. Eine meiner Grundzüge, ich bin nicht sehr religiös, aber ich sehe viel Sinn in den 10 Geboten, und dich denke, dass also Nächstenliebe nicht im Sinn der Bibel, sondern einfach nur um anderen Leuten zu helfen. Ich sehe da eben sehr viel Sinn da drin.

    Bevor Irene-Maria Eich beim ZIF Kursleiterin wurde, war für die UNO zwei Monate in Osttimor.

    Die hatten mich da als Reporter hingeschickt – für eine UN-Zeitung. Und es hieß dann: Nun fahr mal los. Nun mach mal. Und dann bin ich alleine mit meiner Kamera, so richtig wie im Film in einen Hubschrauber gestiegen mit den Russen, inzwischen kannte man sich, die flogen mich überall hin. Alle waren total freundlich zu mir. Die Mission, ja, die war Graßeste, die extremste. Seitdem bin ich irgendwo ein anderer Mensch geworden.

    Abenteuerlust oder Samaritertum – sind das die beiden Antriebsmotoren, die die Menschen dazu bewegen, sich beim Zif zu bewerben? Winrich Kühne:

    Ich denke, dass das einfache ne attraktive Arbeit ist für Leute, die gerne nach draußen gehen. Man kann da so ein ethisches Engagement, was Gutes zu tun und für den Frieden zu arbeiten, was vielleicht manchmal attraktiver ist, als es aus meiner Sicht sein sollte, also die berühmten Gutmenschen. Ich bin eher für Professionalität. Es wird ja auch so schlecht dabei nicht verdient, man wird nicht reich dabei, aber man verdient schon ganz gut, und es ist auch ein spannendes Aufgabengebiet.

    Unterstützt wird das ZIF von der Europäischen Union, die seit 1999 versucht, eine neue Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich einer eigenen Verteidigungspolitik zu organisieren. Im Mittelpunkt steht der Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe für Einsätze in Krisenregionen. Unterschieden wird dabei zwischen Konfliktprävention und Krisenmanagement. Für letzteres stellt die Europäische Union unter Leitung des EU-Koordinators für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, eine eigene militärische Eingreiftruppe auf.

    Konfliktprävention setzt dagegen auf zivile Mittel – Wahlbeobachtung, Waffenexportkontrolle, Ausbildungsprogramme, Wiederaufbauhilfe. Dieser Teil, den EU-Kommissar Christopher Patten leitet, werde immer noch vernachlässigt, klagt Miriam Brewka von der außenpolitischen Abteilung der EU-Behörde.

    Bislang gibt es in neun EU-Ländern Trainingsmöglichkeiten mit teilweise sehr unterschiedlichen Herangehensweisen und Trägern. In Österreich und Italien wird die Ausbildung von privaten Firmen angeboten, in England sind es Nichtregierungsorganisationen, und in Frankreich und Dänemark die Verwaltungshochschulen, die Sonderkurse anbieten. Nur das Institut in Schweden ist dem Zentrum für internationale Friedenseinsätze in Berlin verwandt. Die EU-Kommission will nun die Ausbildungsziele und Methoden besser koordinieren und an ihrer Konfliktvermeidungsstrategie ausrichten, um schneller auf aktuelle oder potentielle Krisen reagieren zu können. Gerald Knaus von der Europäischen Stabilitätsinitiative, einem Institut, das die Effizienz von Friedenseinsätzen untersucht, kritisiert die Entwicklungslogik, die dieser Herangehensweise zugrunde liegt.

    Das Problem an dem Wiederaufbau-Modell – Wiederaufbau, da muss man natürlich niemanden fragen. Man kommt in ein Land, man sieht, welche Brücken zerstört sind, und baut sie wieder auf. Da braucht man keine Konsultation und man sieht das als humanitäres Projekt. Das Problem von vielen Projekten, die über den physischen Wiederaufbau hinausgehen, ist, dass sie oft diesen Projektcharakter haben: ein Projekt hier, ein Projekt dort, oftmals in Form von wirklichen Geschenken, wo ein Geber dann sagt, ja da bauen wir ein Wasserwerk, wo das nicht dazu führt, dass die Verwaltung selbst erstens Eigenverantwortung zeigen muss, eigene Ressourcen mobilisieren muss und auch ihr Denken über Wirtschaftsentwicklung verändern muss, was ja oft das Grundproblem für Unterentwicklung ist.

    Die EU selbst habe im Rahmen ihrer Kohäsionspolitik bereits eine viel Erfolg versprechendere Herangehensweise entwickelt, sagt Gerald Knaus:

    Wir glauben, dass der Ansatz der EU, der in Nordgriechenland, in Polen, oder in den letzten 15 Jahren in Irland, Portugal oder Spanien oder Süditalien angewendet wurde, dieser Ansatz enthält sehr viel interessante Lehren. Das eine ist die Langfristigkeit, also die EU nimmt sich vor, für viele Jahre Unterentwicklung systematisch anzugehen. Der zweite Punkt ist, dass die EU darauf besteht, dass lokale Organisationen Kofinanzierung leisten und damit ihr eigenes Interesse an allen Projekten zeigen, also mitinvestieren. Das dritte ist auf Grund der Langfristigkeit auch einforderbare mittelfristige Wirtschaftsplanung von lokalen Institutionen. Das wird zwar oft gesagt, aber die meisten Entwicklungsprojekte sind eben doch kurzfristig auf höchstens zwei, drei Jahre angelegt, währenddessen eben Kohäsionspolitik der EU langfristig wirken soll. Und das vierte ist das Bestehen auf tatsächlicher Partnerschaft mit lokalen Institutionen und das Bestehen darauf, dass vor Ort lokale Ministerien eben breit konsultieren. Dieses Modell eben auch auf den Balkan anzuwenden, oder zu sehen, in weit man Lehren übertragen kann, wo ein ganz anderer Ansatz viel weniger Resultate gebracht hat, mit sehr viel Geld. Also es geht ja nicht um die Summen von Geld, sondern es geht wirklich um den Ansatz.

    Dreh- und Angelpunkt bei der Diskussion über den richtigen Ansatz ist die Frage, ob und wie lange internationale Hilfsorganisationen wie die UNO im Kosovo oder in Kampodscha, aber auch ausländische Besatzungstruppen wie im Irak die Verwaltung dieser Länder gänzlich übernimmt oder zu welchem Grad die Bevölkerung und deren Organisationen und Institutionen daran teilnehmen können. Wurde bislang die Option bevorzugt, die Verwaltung der durch Krieg zerstörten Länder erst einmal völlig zu übernehmen, so haben die teils blutigen Erfahrungen der letzten Zeit zu einem Umdenken geführt.

    Nach dem gespielten Überfall auf ein Fahrzeug einer UNO-Friedens-Mission diskutieren die Teilnehmer des Zif-Trainingskurses mit den beiden aus Köln angereisten Polizeitrainern, wie man sich in einer solchen Situation am besten verhält: ein wenig Bargeld dabei haben, Hände immer deutlich zeigen, Befehle der Angreifer ohne Zögern ausführen, ruhig bleiben. Doch die Anspannung ist den Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Immerhin hat er mich nicht erschossen, freut sich einer von ihnen.

    Das Engagement lohnt sich: Schließlich gilt der Kurs als Sprungbrett in die Welt der internationalen Organisationen. Es funktioniert jedoch nicht automatisch, denn nicht nur die Auswahl der Bewerber ist streng, sondern auch die Bewertung während des Kurses. Zwei Wochen nach Kursende erfahren sie, ob sie es denn in den Personalpool des Auswärtigen Amtes geschafft haben.