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Friedliche Drohnen
Flug in die Vergangenheit

Bislang mussten Archäologen mit kreativen Ideen daherkommen, um Ausgrabungen aus der Vogelperspektive fotografieren zu können. Mit gewissem Know-how kann jeder mittlerweile mit einem Multikopter ausgewählte Areale überfliegen und dokumentieren. Daraus können Archäologen wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft erlangen.

Von Volkart Wildermuth | 26.05.2014
    Quadrocopter
    Dank einem neuen Steuerungsalgorithmus kann dieser Quadrocopter auch nach dem Verlust eines Propellers in der Luft bleiben. (Mark Müller / ETH Zürich)
    "Wir haben jetzt die Flugfreigabe vom Tower in Schönefeld"
    "Das war jetzt eine Autostart Funktion. Das heißt, der Kopter gibt dann selbstständig Gas und steigt mit einer vorgegebenen Geschwindigkeit auf 2 Meter über Grund und bleibt jetzt dort hängen in der Luft."
    Vor dem Archäologen Dr. Christoph Steffen vom Regierungspräsidium Stuttgart schwebt ein Multikopter, ein Stern mit acht Armen, an deren Enden kleine Propeller für Auftrieb sorgen. Der Kopter trägt eine Kompaktkamera.
    "Wir haben hier noch ein Display, was uns das Live-Bild der Kamera der Drohne überträgt, so dass ich als Pilot auch sozusagen sehen kann, was wird gerade von der Kamera erfasst, damit ich eben die Motiv Auswahl steuern kann."
    Das Motiv, das sind heute nur ein paar Eimer und Schaufeln auf einer Wiese in Berlin Dahlem. Unter den neugierigen Blicken von drei Dutzend Archäologen und einigen Spaziergängern steuert Christoph Steffen seinen Kopter über die Eimer und fotografiert sie von allen Seiten. Die Bilder sind nicht nur auf seinem Display zu sehen, sondern parallel auch auf einem Laptop am Boden. Normalerweise dokumentiert Christoph Steffen so Ausgrabungen aus der Vogelperspektive für das Landesamt für Denkmalschutz Baden Württemberg. Das setzt seine Erfahrungen in einfache Handbücher um, damit bald jeder Archäologe zwischen Bodensee und Odenwald selbst einen Kopter steuern kann.
    "Das hat man früher mit Leitern gemacht, oder man hat Glück gehabt und die örtliche Feuerwehr hat mal einen Leiterwagen zur Verfügung gestellt und einen mit hoch genommen, und da ist eine Drohne eigentlich die bessere Alternative."
    Dr. Axel Posluschny vom Projekt "ArchaeoLandscapes Europe" hat die Vorführung in Berlin zusammen mit dem "Exzellenz-Cluster Topoi" organisiert. Ihm kommt es auf den Erfahrungsaustausch an. Schließlich nutzen die Archäologen noch ganz verschiedene Systeme, die Vor- und Nachteile müssen sich erst herauskristallisieren.
    "Ich kenne einen Kollegen in Schottland, der einen ganzen Landstrich dokumentiert hat mit einem Drachen, in dem er sehr systematisch mit dem Drachen hinter sich quasi abgelaufen ist, dieses Gebiet."
    Ein Drache liegt auch auf der Berliner Wiese bereit, allein, es weht nicht genug Wind. So können sich nur die Kopter in die Luft erheben. Sie haben vier, sechs oder acht Rotoren. Einige sind selbstgebaut, andere von Spezialunternehmen gekauft, oder schlicht über das Internet von chinesischen Spielzeugfirmen bestellt und umgerüstet. Einige arbeiten einen festgelegten Kurs per GPS Navigation ab, andere werden von den Piloten von Hand in die optimale Position gesteuert und machen einzelne Fotos. Wieder andere nehmen einfach ein hochauflösendes Video im Vorbeiflug auf. Auf dieses System setzt Benjamin Ducke vom Archaeocopter Projekt. Für ihn ist die Schnelligkeit entscheidend, schließlich finden die meisten Ausgrabungen heutzutage im Vorfeld von Bauvorhaben statt.
    "Das, was im Boden steckt und dokumentiert wird, das wird dann zerstört, das wird raus gebaggert, da wird vielleicht nur ein ganz kleiner Teil konserviert, also man kann nicht nochmal zurückgehen und noch mal dokumentieren. Das heißt am Ende das Arbeitstages muss man sich schon sicher genug sein könne, dass man das auch wirklich abgedeckt hat."
    Detailgetreue 3D-Nachbildungen
    Aus den fotografischen Daten errechnen die Archäologen detaillierte 3D-Modelle. So können sie sogar neue Fragestellungen bearbeiten, obwohl die Grabung selbst vielleicht schon unter einem Parkplatz oder Hochhaus verschwunden ist. Gerade die dritte Dimension ermöglicht Untersuchungen, die sich mit den klassischen Vermessungsmethoden nur schlecht umsetzen lassen, meint auch der Berliner Geograph Dr. Hans-Peter Thamm. Er hat mit seinem Kopter in Rumänien eine Erzschmelze aus der Kupferzeit dokumentiert.
    "Da konnte man das Volumen der Schlackehalden bestimmen und über die Volumenbestimmung auf die Menge der Holzkohle schließen, die man gebraucht hat und dadurch konnte man ganz toll abschätzen, wie viel Leute, da in etwa gelebt haben müssen.
    Jetzt hat er aber keine Zeit mehr, schließlich will er in Berlin – wie zuvor Christoph Steffen – Eimer dokumentieren um die Archäologiekollegen von seinem neuen fliegenden Kamerasystem zu überzeugen.
    "Mit dem linken Hebel tue ich einfach starten und landen und Sie sehen ja, er ist extremst stabil, da sind sehr ausgereifte Steuerelemente drin, und dann fliege ich hier so eine Matrix, stell mich hin, fotografiere, stell mich hin, fotografier und so weiter."