Dienstag, 19. März 2024

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Friedrich von Borries
Für ein Leben, "das für andere keine negativen Folgen hat"

Was muss man tun, um die Welt besser zu machen? In vielen Bereichen eher weniger als mehr, findet der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries. Im Dlf sprach er sich für ein im positiven Sinne folgenloses Leben aus, möglichst frei von Verwertungslogik.

Friedrich von Borries im Gespräch mit Anja Reinhardt | 24.01.2021
Ein Mann liegt auf einer Liege und liest ein Buch
Nichtstun heißt nicht unbedingt, dass man gar nichts tut, meint Friedrich von Borries (imago / blickwinkel)
Der zweite Lockdown hat die Krise in der Kultur verschärft. Noch ist nicht klar, wann die Museen oder Theater wieder öffnen dürfen. Krise als Chance mag da zynisch klingen, aber es gibt doch mittlerweile einige Stimmen aus der Kultur, die ein generelles Umdenken fordern. In unserer Gesprächsreihe "Innovationsmotor Kultur" sprechen wir über Folgenlosigkeit - der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries hat sich darüber, wie er selbst sagt, im ökologischen, aber auch im virologischen Sinne Gedanken gemacht.

Weniger statt mehr

"Innovation ist ein schwieriger Begriff, weil er wachstumsbesetzt ist", und er trage das Motiv der unaufhörlichen Erneuerung in sich, sagt Borries. Ratsam wäre es seiner Meinung nach, eher über "Denovation nachzudenken und einen Ticken weniger zu machen, als man es gewohnt ist". Die Kritik an der Wachstumslogik sei nicht neu, aber "wir sehen ja schon seit längerem, dass uns dieses Denken in die soziale und ökologische Krise getrieben hat". Friedrich von Borries meint, dass unser "bisheriges Lebensmodell, das auf Mobilität, Beschleunigung und Wachstum setzt, nicht das Beste ist".

Ein positiv folgenloses Leben

Er wirft einen anderen Begriff in die Waagschale und spricht von Folgenlosigkeit. "Was ich als Folgenlosigkeit bezeichne, ist ein Leben, das für andere, Menschen, Tiere, Umwelt, keine negativen Folgen hat." Die Frage laute dann, was muss ich unterlassen, um andere nicht zu schädigen. Deshalb hat Borries eine Schule der Folgenlosigkeit gegründet: "Was ich versuche, ist eine Fähigkeit, darauf zu verzichten, einen unmittelbaren Nutzen oder Erfolg zu haben."

Kein Verzicht, ein Gewinn

Borries führt einen anderen Begriff von Glück aus der griechischen Antike ins Feld. Darin gehe mehr um Müßiggang als um Produktivität oder Erfolg. In der Liebe sei man ja auch nicht erfolgreich, "man liebt halt". Die vermeintlich produktive Arbeit nehme Zeit für anderes, "vielleicht Glückbringenderes", weg. Unter dem negativ besetzten Etikett "Verzicht" möchte Borries seine Idee des Weniger-Tuns nicht sehen. Müßiggang und Unterlassen von Dingen sei kein Verzicht, sondern ein Gewinn im Ideellen, betont er.