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Frische Männer für die Kita

'Musiker, Coach, Schauspieler, Ingenieur – Sei alles, werde Erzieher!' Mit solchen Plakaten startete die Hamburger Kampagne "Vielfalt, Mann!" vor zwei Jahren ihre Werbeoffensive Das Ziel: Junge Männer für den Erzieherberuf interessieren. Fachkräfte im sozialen Bereich werden dringend gesucht.

Von Maike Strietholt | 25.04.2013
    Die Freude ist mal wieder groß an diesem Morgen bei den 'Waschbären', Marvins Gruppe in der Kindertagesstätte Falkenberg. Sofort ist der blonde 18-Jährige von einer Traube Kinder umringt – Niko und Florian wissen, worauf sie sich freuen können:

    "Im Toberaum Brücken bauen" – "Manchmal tobe ich mit ihm, und manchmal spiele ich mit ihm"."

    Marvin ist noch in der Ausbildung. Drei Wochentage verbringt er in einer sozialpädagogischen Fachschule in Hamburg, zwei in der Norderstedter Kita. Hier ist er einer von drei Männern – neben 15 weiblichen Kräften. Dieses von Frauen geprägte Umfeld schreckte Marvin bei der Berufswahl nicht ab:

    ""Meine Eltern sind beide in dem Beruf tätig, ich bin komplett im sozialen Bereich aufgewachsen und hab dann nach der abgeschlossenen Realschule ein FSJ gemacht, an einer Schule für körperlich und geistig Behinderte und hab mich dann auch entschlossen, eine Ausbildung im sozialen Bereich zu machen."

    Bei Kollege Benjamin Bannas, 27 Jahre alt und Marvins Ausbildungsbetreuer, war der Weg ein wenig länger:

    "Ich bin eigentlich Lkw-Mechaniker. Die zweite Ausbildung habe ich gemacht, da war ich 22, davor habe ich vier Jahre als Mechaniker gearbeitet. Ich hab aber ganz viel ehrenamtlich gemacht und das hat mir wesentlich mehr Spaß gemacht"

    Solche 'Umwege' zur Erzieherausbildung sind gar nicht selten – sagt Ralf Lange, Koordinator des Projekts 'Vielfalt Mann' in Hamburg. Er sitzt in Beratungsgesprächen längst nicht nur jugendlichen Schulabsolventen gegenüber:

    "Das sind teilweise Kaufleute, das sind Handwerker, das sind sehr, sehr unterschiedliche Biografien. Und diese Vielfalt ist auch wichtig, denn ein Zimmermann, der vorher als Zimmermann gearbeitet hat, ist möglicherweise ein vorzüglicher Pädagoge in der Kita."

    Der dann seine Begeisterung für den Umgang mit den Kindern mit seiner Lebens- und Arbeitserfahrung verbinden kann. Doch auch bei den jüngeren Interessenten sind oftmals gerade die persönlichen Interessen eine Motivationsquelle.

    "Da kommen Männer zu uns, die sagen: Ich hab schon Jugendliche begleitet in meinem Sportverein, ich war oder bin Trainer. Die eigenen Talente und Vorlieben können sehr gut in diesen Beruf eingebracht werden."

    Dass die angeblich geringe Entlohnung Bewerber abschreckt, kann Dirk Lange hingegen nicht bestätigen:

    "Man verdient aber gar nicht so schlecht, das ist durchaus vergleichbar mit kaufmännischen Berufen. Es gibt ein konnotiertes Bild in der Öffentlichkeit, das sagt: In diesem Bereich verdienste nix, und da kannste nix werden. Für die jungen Männer ist die Bezahlung ein Thema, steht aber in der Regel nicht stark im Vordergrund."

    In Hamburg hat die Kampagnenarbeit jedenfalls gefruchtet – seit 2010 ist der Männeranteil in der Erzieherausbildung um 73 Prozent angestiegen. Hamburger Kitas liegen mit einem Anteil männlicher Erzieher von 10 Prozent bereits deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von drei bis vier Prozent. Doch was bedeutet diese Entwicklung für die praktische Arbeit – aus Sicht der Eltern in der Kita Falkenberg jedenfalls sind die männlichen Fachkräfte ein klarer Gewinn:

    "Sie haben einen anderen Ton mit den Kindern, ein bisschen direkter, ein bisschen bestimmter, aber trotzdem liebevoll. Es gibt ja auch viele Familien, die nur alleinerziehend sind, und männliche Vorbilder gehören ja einfach zur Lebenserziehung dazu. Deshalb bin ich froh, dass hier so viele Männer herumlaufen."

    Und wen mag Sohn Florian am Liebsten?

    "Die Männer und die Frauen!"

    So oder so geht es aber gar nicht mehr ohne die Männer. Der Fachkräftebedarf im sozialen Bereich sei derart groß, dass es solche Kampagnen eigentlich auch für andere Ausbildungszweige geben müsse. Noch einmal Projektkoordinator Ralf Lange:

    "Dass in diesem Feld des Arbeitsmarktes sehr viel Arbeit nachgefragt wird und die Arbeitsbereiche auch sehr sichere Arbeit versprechen, daraus können wir schöpfen und das verbinden mit dem gleichstellungspolitischen Ziel."