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Frösche in Afrika
Die Rätselhaften

Der afrikanische Rote Gummi- oder Wendehalsfrosch gibt Forschern einige Rätsel auf. Manchen kommen sie nun langsam auf die Spur. So können die Frösche offenbar ermitteln, ab welcher Niederschlagsmenge das Laichen sicher für den Nachwuchs ist. Und sie leben größtenteils nicht in Tümpeln, sondern bei Ameisen oder Skorpionen - beide eigentlich ihre Feinde.

Von Volker Mrasek | 01.11.2016
    Ein roter Wendehalsfrosch (Westafrikanischer Wendehalsfrosch, Phrynomantis microps Phrynomerus microps). Fünf bis sechs Zentimeter groß. Ein lackschwarzer Bauch und Seiten und ein tiefroter Rücken.
    Ein roter Wendehalsfrosch (Westafrikanischer Wendehalsfrosch, Phrynomantis microps, Phrynomerus microps) (imago / blickwinkel)
    "Einer meiner Lieblingsfrösche in Westafrika: der Rote Wendehalsfrosch. So fünf bis sechs Zentimeter groß. Ein lackschwarzer Bauch und Seiten, ein tiefroter Rücken. Die hüpfen nicht, wie das ein normaler Frosch tut, sondern die laufen im langsamen Stelzgang durch die Gegend."
    Mark-Oliver Rödel befasst sich schon seit rund zwei Jahrzehnten mit dieser eigentümlichen Tierart. Der Ökologe ist Kurator für Amphibien und Reptilien im Museum für Naturkunde in Berlin.
    "Diese Wendehalsfrösche, die sehen erstmal ein bisschen komisch aus, aber dann machen die einfach unglaublich coole Sachen für einen Frosch."
    Lebensraum afrikanische Savanne
    Der Rote Gummi- oder Wendehalsfrosch lebt in der afrikanischen Savanne. Das Klima ist schwierig. Regen- und Trockenzeiten wechseln einander ab, Wassertümpel verwandeln sich schnell in staubige Erdlöcher. Schon vor längerem beobachtete Mark-Oliver Rödel dabei Verblüffendes: In trockenen Jahren laicht der Rote Gummifrosch erst dann ab, wenn mindestens 16 bis 18 Millimeter Niederschlag gefallen sind.
    "Die können das irgendwie messen. Fragen Sie mich bitte nicht: Wie? Ich habe keine Ahnung, wie sie das anstellen! Diese 16 bis 18 Millimeter Regen, haben wir inzwischen festgestellt sind so das Minimum an Regen, wo man relativ sicher sein kann, dass ein Savannentümpel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht austrocknet, während die Kaulquappen drin sind."
    In feuchten Jahren dagegen ist dem Frosch die Regenschwelle offenbar völlig wurscht.
    "Ich kann einfach nach jedem Regen losgehen und meine Eier ablegen, und die Kaulquappen sind trotzdem sicher. Wiederum fragen Sie mich nicht, woher die wissen, dass es ein feuchtes Jahr wird. Vielleicht haben sie Rheuma oder etwas Ähnliches. Auf jeden Fall: Die können das vorhersagen, und es stimmt auch."
    Echte Wetterfrösche!
    Was soll man sagen? Echte Wetterfrösche also! Auf den Spuren der Tiere wandelte Mark-Oliver Rödel dann auch abseits ihrer Laichgebiete in der trockenen Gras- und Strauchlandschaft.
    "Tatsächlich ist es so, dass dieser Frosch den größten Teil seines Lebens gar nicht im Tümpel verbringt, sondern irgendwo in der Savanne sitzt. Was er da macht, wussten wir am Anfang überhaupt nicht."
    Nun, auch dieses Geheimnis der Savanne scheint jetzt gelüftet! Der Ökologe spürte die Wendehalsfrösche dort auf, wo er sie niemals auch nur eine Sekunde lang vermutet hätte. Zuerst in den Bauten aggressiver Ameisen, die dafür bekannt sind, gerne auch Frösche zu verputzen ...
    "Wir konnten tatsächlich feststellen, dass dieser Frosch, als wenn er so eine Art Tarnmantel anhätte, völlig frei in dieser Ameisen-Kolonie sich bewegen konnte."
    Doch damit nicht genug!
    "Wo wir gar nicht mehr geglaubt haben, dass dieser Frosch das alles draufhat: Die sitzen auch noch mit Skorpionen zusammen! Und ich rede unter anderem von dem größten Skorpion überhaupt, den es gibt: dem Kaiserskorpion. Die haben massive große Scheren, und die jagen auch Frösche. Und dieser Wendehalsfrosch sitzt völlig unangetastet zwischen den Scheren des Kaiserskorpions."
    Der Tarnmantel im Ameisennest ist chemischer Natur. Die Frösche produzieren ein Hautsekret. Das enthält zwei besondere Eiweißstoffe, und die beschützen sie vor den herumwimmelnden Ameisen.
    "Sie kommen sie hauen mit ihren Antennen so ein bisschen auf dem Frosch rum, aber sie lassen ihn dann in Ruhe."
    Überleben nur in feuchten Bodenlöchern
    Der Ameisenschutz wirkt allerdings nicht bei den Skorpionen. Mark-Oliver Rödel testete das, indem er ihnen Termiten vorsetzte, die er mit dem Froschsekret benetzt hatte. Die Skorpione bissen dennoch beherzt zu. Hier muss es also einen anderen Schutzmechanismus geben, der noch darauf wartet, enthüllt zu werden.
    Einigermaßen klar ist dem Berliner Ökologen dagegen, welchen Nutzen der Rote Gummifrosch von seiner Immunität hat. In der trockenen Savanne könne er nur in feuchten Löchern im Boden überleben.
    "Dummerweise sind eigentlich solche Verstecke in der Savanne immer von irgendwelchen Gliedertieren und hauptsächlich von Ameisen besetzt. Und wenn ich es dann irgendwie schaffe, eine Strategie zu haben, die mir erlaubt, mit den Ameisen zusammenzuleben, dann habe ich im Prinzip den Lotteriegewinn mit Zusatzzahl."
    Lebensrettend ist die Zweckgemeinschaft unter Tage auch, wenn es heftig regnet. Dann werden die Löcher im Boden nämlich zugeschwemmt
    "Im Prinzip hat dieser Frosch so den Alptraum per sé aus Edgar-Allen-Poe-Romanen: Er ist lebendig begraben. Allerdings: Wenn der Skorpion dabei sitzt, dann macht der innerhalb von einem halben Tag das Loch wieder auf, und der Frosch kann fröhlich rein- und rauslaufen. Also, der Frosch hat richtig viel von seinen Ameisen und seinen Skorpionen. Was die von ihm haben, wissen wir noch nicht."