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Frösche in der Klemme

Zoologie.- Es gibt etwa 7500 Amphibienarten auf der Welt – noch. Denn ein Drittel aller Frösche und Salamander könnte in den nächsten Jahrzehnten für immer verschwinden. Wissenschaftler befürchten, dass uns das größte Artensterben seit den Dinosauriern bevorsteht.

Von Marieke Degen | 31.05.2011
    Das 21. Jahrhundert ist kein gutes Zeitalter für Amphibien. Das gilt besonders für die vielen Frösche und Kröten, die in den tropischen Regenwäldern leben, in Süd- und Mittelamerika und in Australien. Ihr Lebensraum schwindet. Immer mehr Wälder werden abgeholzt, für viele Tiere das Todesurteil. Doch damit nicht genug. Seit einigen Jahren werden die Tiere auch noch von einer mysteriösen Pilzerkrankung heimgesucht, der Chitridiomykose. Der Pilz zerstört die empfindliche Amphibienhaut. Hunderte Arten hat er auf schon dem Gewissen, Amphibienforscher sind alarmiert. Einer davon ist Gui Becker, er ist Doktorand an der Cornell University in Ithaca.

    "Wir haben die Verbreitungswege des Pilzes untersucht, und dabei ist uns etwas aufgefallen. In Costa Rica waren auf den Hochebenen viel mehr Frösche infiziert als im Flachland. Auf den Hochebenen findet man aber die unberührten Lebensräume, während im Flachland schon ziemlich viel Wald abgeholzt ist. Und da haben wir uns gedacht, dass es da einen Zusammenhang geben muss."

    Ausgerechnet da, wo die Frösche noch ungestört leben können, soll der Pilz also besonders hart zuschlagen? Gui Becker wollte das genau überprüfen: im atlantischen Regenwald an der Ostküste von Brasilien. Die Wälder dort sind unterschiedlich stark abgeholzt, an manchen Stellen mehr, an manchen weniger. Und mittendrin: Zweglaubfrösche.

    Winzige orange-braune Fröschlein mit einem durchdringenden Ruf.

    "Wir haben diesen Frosch genommen, weil er leicht zu finden ist und – und das ist ziemlich selten! - weil er in ursprünglichen und in abgeholzten Gegenden leben kann. Mit seiner Hilfe konnten wir also überprüfen, wie sich die Abholzung auf die Pilzinfektionen auswirkt."

    Die Forscher haben in verschiedenen Gebieten Frösche gefangen und auf den Pilz untersucht. Das Ergebnis:

    "Es gibt da einen linearen Zusammenhang. Wenn man zum Beispiel einen Tümpel hat, der zu 100 Prozent von ursprünglicher Vegetation umgeben ist, dann ist fast jeder Frosch mit dem Pilz infiziert. Wenn der Wald um den Tümpel komplett abgeholzt ist, dann gibt es praktisch auch keine Infektionen mehr."

    Zwerglaubfrösche sind robust. Sie können sich mit dem Pilz zwar infizieren, aber sie sterben nicht daran. Allerdings: Wenn Zwerglaubfrösche mit Chitrid infiziert sind, dann sind es andere Arten auch. Und die gehen dann zu Hunderten ein. Doch warum ist der Pilz ausgerechnet in der unberührten Natur so gefährlich?

    "Im feucht-warmen Klima von Tropenwäldern gedeiht der Pilz prächtig. Außerdem kann er dort viele verschiedene Froscharten befallen. Schließlich ist die Artenvielfalt in diesen unberührten Gegenden ja deutlich größer. Wenn die Tropenwälder abgeholzt sind, dann verändert sich erstens auch das lokale Klima, und zweitens sterben viele Frösche. Dadurch bekommt auch der Pilz Probleme."

    Es ist ein Widerspruch in sich: Auf den abgeholzten Flächen sind die Frösche vor dem Pilz sicher. Aber eben nur die Frösche, die ohnehin mit der Abholzung klarkommen. Und das sind die wenigsten, sagt Gui Becker, für die anderen sieht es düster aus. Immerhin: Die Forscher haben den Pilz ein bisschen besser verstanden. Jedes noch so kleine Detail ist wichtig. Vielleicht gelingt es den Forschern dann irgendwann doch, den Pilz in der Wildnis in den Griff zu bekommen.