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Führungswechsel

Oskar Lafontaine tritt an das Rednerpult, es ist seine letzte Rede als Parteivorsitzender, durch die Stadthalle in Rostock weht die Landesflagge von Nordrhein-Westfalen.

Von Tonia Koch, Barbara Roth und Christiane Wirtz | 16.05.2010
    "Als wir vor fünf Jahren uns gemeinsam auf den Weg machten, die neue Linke in Deutschland auf den Weg zu bringen, konnte niemand von uns wissen, was daraus werden würde. Heute können wir sagen, wir haben das Fünfparteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Wir sind die erfolgreichste Gründung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Kriege."

    Wenn an diesem Parteitag von NRW die Rede ist, vom Erfolg der Linkspartei, so wie jetzt, steht ein kräftiger Mann in Reihe 7 und schwenkt eine große Landesflagge. Michael Bruns ist Delegierter aus Soest in Westfalen. Er ist Werkzeugmechaniker, Betriebsrat und IG-Metaller. Fünf Jahre lang war er bei den Grünen, von 1997 bis 2002 – bis die Partei seine Grundsätze verriet. Denn Michael Bruns ist gegen den Krieg, gegen den Krieg im Kosovo, gegen den Krieg in Afghanistan. Und dass die Grünen dem Atomkonsens zustimmten – das sei absurd, da könne man genauso gut über die Rente mit 100 nachdenken. Im Januar 2005 meldete die Tagesschau die Gründung der Partei WASG – der Wahlalternative Arbeit und Gerechtigkeit. Michael Bruns beschloss noch am selben Abend einzutreten. Fünf Jahre ist er inzwischen Mitglied, so lange wie er damals bei den Grünen war. Und in diesem fünften Jahr könnte seine Partei – rein rechnerisch jedenfalls – Regierungsverantwortung übernehmen in Nordrhein-Westfalen.

    "SPD und Grüne haben ihre Programmatik in der Regierung verraten. Sie haben sich nicht mehr für soziale Gerechtigkeit eingesetzt. Das kann natürlich einer neuen Partei auch passieren. Wir haben aber diese Erfahrungen von damals, und mit diesem Blick gehen wir daran, dass das natürlich bei der Linken jetzt nicht wieder passieren darf."

    Am Donnerstag, um 12.30 Uhr, sind SPD, Grüne und Linke zum ersten Sondierungsgespräch verabredet. Am nächsten Wochenende soll es einen kleinen Landesparteitag der Linken geben. Die Delegierten müssen darüber entscheiden, ob ihre Partei überhaupt in Koalitionsgespräche einsteigen darf. Und wenn am Ende tatsächlich ein Koalitionsvertrag stehen sollte, muss dieser noch eine linke Urabstimmung bestehen. Die Einladung der SPD, erste Gespräche zu führen, haben die Linken mit vorsichtiger Genugtuung quittiert. Hannelore Kraft kennen die meisten – auch die Spitzen der Linken in NRW – nur flüchtig. Hatte die SPD-Landesvorsitzende doch im Wahlkampf einen großen Bogen um sie gemacht – genauso wie um die Frage, wie sie es in Zukunft mit der Linken halten wolle. Da konnten Journalisten noch so hartnäckig nachbohren:

    "Sie möchten nicht mit den Linken oder sie werden nicht mit den Linken?"

    Kraft: "Ne, jetzt ich, irgendwann, wie oft soll ich es denn noch sagen, ich bleib bei dieser Position, die haben wir seit Wochen und seit Monaten."

    Die Flagge des Landes, das Hannelore Kraft regieren möchte, liegt auf dem langen Tisch vor Michael Bruns. Mit schwarzem Filzstift hat er darauf geschrieben: "2005: Steinbrück weg! Schröder weg! 2010: Rüttgers weg!", "Sozial-Abbau-Stopp" ist da zu lesen und auch: "Kick it like Hessen". Gemeint sind die Studiengebühren, die abgeschafft gehören, so wie in Hessen – doch die Assoziation ist eine andere. Nur wenige Reihen vor den Delegierten von Rhein und Ruhr sitzen die Hessen. Schielt man dort mit Neid nach Düsseldorf – angesichts der Regierungsoption?

    Sollwedel: "Einerseits. Aber andererseits, glaube ich, war das einfach historisch noch nicht so weit in Hessen, dass die SPD so weit war, dass sie es gut hingekriegt hat. Und ich gucke eigentlich eher fast mit einem hoffnungsfrohen Auge hin, weil vielleicht gelingt es dort, insgesamt in der politischen Zusammenarbeit einen Schritt weiterzukommen."

    Ob es SPD und Grüne nun wollen oder nicht, sie werden sich mit der Linken auseinandersetzen müssen. Das war schon in Hessen so, als für Andrea Ypsilanti so ziemlich alles schieflief, was schieflaufen konnte. Das war in Thüringen so und schließlich auch im Saarland, wo sich am Ende die Grünen gegen ein Bündnis entschieden. Die Linke ist im deutschen Parteiensystem zum Königsmacher oder besser: zum Königs-Verhinderer geworden. Ganz anders, als sich das Gerhard Schröder damals gedacht hatte:

    "Solche Aktiönchen hat es ja immer mal wieder gegeben und die haben den Zusammenhalt und die Perspektiven der deutschen Sozialdemokratie in den letzten 140 Jahren nun wahrlich nicht infrage gestellt. Und ich bin ziemlich sicher, dass das auch diesmal wieder so sein wird."

    Sechs Jahre später ist aus dem "Aktiönchen" ein ernsthaftes Problem für die Sozialdemokratie geworden. Hartz IV, die Rente mit 67, Afghanistan – mit diesen Themen sind die Wähler nach links abgewandert. Und 5,6 Prozent, jetzt in Nordrhein-Westfalen, das reicht, um mitreden zu können. In nüchterner Schönheit analysiert Sarah Wagenknecht die Lage der Konkurrenz:

    "Da muss sich die SPD natürlich selbst mal überlegen, was sie will. Und sie kann natürlich weiter als kleine CDU in diesem Lande vor sich hinkümmern, dann wird sie eine Wahlniederlage nach der anderen haben. Aber dass es etwas wieder aufwärtsgegangen ist seit der Bundestagswahl ist ja, weil Frau Kraft sich doch im Wahlkampf zumindest radikaler gegeben hat."

    Radikale Forderungen, die hat auch die Linkspartei. Ein Beispiel ist die "Re-Kommunalisierung" von Stromkonzernen – so steht es im Dringlichkeitsprogramm der Partei. Andere nennen es Verstaatlichung. Vermutlich zu viel verlangt von SPD und Grünen, das sehen auch führende Linke in Rostock so, noch bevor das Sondierungsgespräch überhaupt begonnen hat. Etwas leichter, wenn auch nicht leicht, dürfte es bei den Studiengebühren werden. Denn über deren Abschaffung waren sich Linke und Sozialdemokraten schon im Wahlkampf einig. Fragt sich nur, wann sich NRW die Abschaffung leisten kann. Und so gehen die Linken sehr vorsichtig in die Gespräche. Zu tief sitzen die Erfahrungen aus Hessen, Thüringen und dem Saarland. Auch ist den Linken klar, dass zu große Kompromisse das eigene Profil verwischen können. Im Gespräch über NRW ist daher viel von "wenn" und "dann" die Rede:

    Demirel: "Wenn man eine sozialere Politik machen kann, wenn es keinen Sozialabbau gibt, wenn es keine Privatisierung und keinen Personalabbau gibt, ist es natürlich ein gutes Zeichen, weil wir dann deutlich machen, dass man eine andere Politik nicht nur theoretisch möglich machen kann, sondern auch praktisch."

    8700 – so viele Mitglieder hat die Linke nach eigenen Angaben in Nordrhein-Westfalen. "Wir verstehen uns als pluralistische Partei", sagt Wolfgang Zimmermann, der dortige Landessprecher. Andere nennen die Genossen an Rhein und Ruhr einen "Hort des Wahnsinns". Einige von ihnen tragen schwarze T-Shirts mit weißer Aufschrift: "Radikalinskis" und "Linke Spinner". Auch Letztere sollen in den kommenden Wochen über das Regierungsprogramm für NRW entscheiden.

    Lafontaine: "Und wer eine Begründung haben will, der schaue nur auf die SPD. Hätte die SPD Agenda 2010, hätte sie Hartz IV, hätte sie die Kriegsbeteiligung dem Mitgliederentscheid unterworfen, sie stünde heute mit Sicherheit noch zwischen 35 und 38 Prozent. Wir müssen bei all unseren Entscheidungen unsere Mitglieder und Wähler mitnehmen, sonst scheitern wir und das gilt es zu vermeiden."

    Ein Mann rollt einen Wagen auf die Bühne. Gelächter im Saal. Heinz Josef Weich hat einen mobilen Wahlkampfstand dabei inklusive rotem Sonnenschirm. Er stellt sich als Kreisvorsitzender in Schaumburg/ Niedersachsen vor.

    "Mit mir rückt die Basis an die Spitze der Partei, wenn ihr mich wählt."

    An die Spitze der Linkspartei rückte der schweinezüchtende Mathelehrer nicht. Das war ihm bereits vor seiner Kandidatur klar, doch er wollte unbedingt auf dem Parteitag sprechen – und zwar länger als ein einfacher Delegierter es darf.

    "Wenn ich hier nicht kandidieren würde, dann könntet Ihr auch beschließen, die Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktion des Saarlands führt die Partei. Und da sind die Fraktionsvorsitzenden Gregor und Oskar. Und die bestimmen und alle anderen machen, was sie wollen."

    Die Dominanz der Mandatsträger an der Spitze der Linkspartei passt längst nicht jedem. Seinem männlichen Konkurrenten aber ersparte Weich eine Blamage. Denn mit einem Gegenkandidaten fiel es etwas weniger auf, dass Klaus Ernst bei der Wahl zum Vorsitzenden auf nur knapp 75 Prozent kam – und damit ein Viertel der Delegierten nicht hinter sich hatte. Seine Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch dagegen schaffte knapp 93 Prozent der gültigen Stimmen:

    "Wir wollen den erfolgreichen Weg, den die Linke eingeschlagen hat, fortsetzen."
    Klaus Ernst: "Ich habe es jetzt leichter als Gesine, weil mein Ergebnis ist noch steigerungsfähig – das ist bei Gesine fast nicht mehr möglich."

    Es ist ein Neuanfang. Sicher eine Zäsur. Vielleicht ein Risiko. Statt Oskar Lafontaine und Lothar Bisky erstmals Frau-Mann und wieder Ost-West an der Spitze. Statt Übervater und Urgestein – eine Haushaltsexpertin aus Ost-Berlin und ein Gewerkschafter aus Bayern.

    "Ansonsten, denke ich, haben wir jetzt die Hoffnung, mit neuen Vorsitzenden auch ein bisschen mehr Politik und auch ein bisschen mehr Inhalte und Programmatik rüberzubringen. Das soll jetzt kein Affront sein gegen Bisky und Lafontaine, aber dieser Starkult ist vielleicht jetzt ein bisschen geringer und jetzt wird wieder mehr auf die Programmatik geguckt als auf Personen."

    Dass sie zum schwarzen Kostüm einen roten Schal, er zum schwarzen Anzug eine rote Krawatte trug, mag purer Zufall sein. Für die kommenden zwei Jahre aber sind sie ein Team – im Erfolg wie im Misserfolg aneinander gebunden. Einige Landtagswahlen gilt es zu bestehen – Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg. Hier wird das Duo schnell beweisen müssen, dass die Linke auch ohne Lafontaine erfolgreich ist. Versagen sie, ist sein Erbe in Gefahr.

    Klaus Ernst: "Wir wollen gar nicht die Fußstapfen ausfüllen, sondern wir wollen den erfolgreichen Kurs fortsetzen. Wir haben es leichter als Oskar Lafontaine und Lothar Bisky. Weil das Profil der Partei jetzt steht. Wir haben es leichter, dieses Profil fortzusetzen als es neu zu erfinden."

    Denn: Ganz andere Probleme warten auf sie. Die Linke ist eine gespaltene Partei - im vierten Jahre ihres Bestehens. Ost gegen West – Pragmatiker gegen Utopisten – Reformer stehen Fundamentalisten gegenüber - und Regierungswillige zoffen sich mit Oppositionsliebhabern. Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion im Bundestag, weiß: Es wird nicht einfach sein – das zu ändern:

    "Wir sind noch im Vereinigungsprozess. Wir sind im Osten eine Volkspartei, im Westen sind wir eine Interessenpartei. Das zieht aber unterschiedliches politisches Agieren nach sich. Und jetzt möchte ich nicht, dass die einen mir immer erzählen, dass die anderen alles falsch machen und die anderen mir erzählen, dass die einen alles falsch machen. Vielleicht hören wir mal einander zu, lernen voneinander und begreifen eines: Die neue Linke kann nicht mehr die PDS sein und sie kann nicht mehr die WASG sein. Wir müssen etwas Neues sein wollen, indem wir uns alle verändern. Alle!"

    Überlebensnotwendig nennt Gysi das. Lötzsch und Ernst müssen die Flügel der Partei bändigen: Strömungen, Plattformen, Foren – die Antikapitalistische Linke, der Demokratische Sozialismus oder die Sozialistische Linke. Lötzsch soll nach innen integrieren. Ernst soll außen Themen setzen. Möglichst populistisch.

    Delegierte Ost – West: "Wir haben ja leider noch immer eine Gesellschaft, in der Ost gegen West oft gedacht wird. Und ich will gar nicht verhehlen, dass wir auch in unserer Partei daran noch zu arbeiten haben."

    "Letzten Endes sind das inhaltliche Fragen, die hinter diesem "Konflikt" stehen. Ich denke, es geht um eine entscheidende Streitkultur, die muss konstruktiv sein."

    "Es hat sicher damit zu tun, dass sich das Gewicht der Partei in den nächsten Jahren in den Westen verlagern wird, weil hier im Osten ist die Partei teils überaltert und im Westen wächst sie stärker."

    Auf diesem Parteitag blieb es erstaunlich friedlich. Doch der große Zoff ist nur vertagt. Wie einst bei den Grünen dürfte in der Linkspartei der Kampf zwischen Realos und Fundis erst beginnen. In Rostock gab es einen ersten Vorgeschmack – bei der Debatte um ein Parteiprogramm, das sich die Linke erst noch geben muss: Mitregieren ja oder nein. Privateigentum verstaatlichen – aber wie? Diese Fragen lassen hitzige Diskussionen erwarten. Eineinhalb Jahre wollen sich die Linken nun Zeit nehmen, um konkrete politische Inhalte zu formulieren.

    Delegierter: "Ich glaube auch, auf diesem Parteitag ist wieder deutlich geworden, dass es durchaus noch zwei Hälften gibt, und dass es zwingend notwendig ist, nicht nur miteinander gemeinsam abends mal einen Wein oder ein Bier zu trinken, sondern die inhaltliche Diskussion zu führen. Da hat, glaube ich, der letzte Parteivorstand in dieser Frage weitestgehend versagt und das muss einfach anders und besser werden."

    Draußen werden rote Strampler für Babys verkauft. Der mit der Aufschrift "Frech wie Oskar" läuft am besten. Lothar Bisky geht. Mit Oskar Lafontaine endet eine Ära. Seine künftige Rolle wird die der grauen Eminenz sein, die auf ihr Erbe achtet und im Hintergrund die Fäden zieht. In Rostock jedenfalls war es Lafontaine, der seinen Nachfolgern diktierte, wo es lang geht.

    Geht zuerst hoch, wir kommen dann. Wir kommen dann im Abstand von zwei Minuten.

    Nein, es ist kein Abschiedsständchen für einen scheidenden Bundesvorsitzenden der Linken, das beim Delegiertentreffen der Saar-Linken angestimmt wurde.

    "Also, bundespolitisch ist er nicht mehr da, aber hier im Saarland ist er doch nach wie vor präsent."

    "De Oskar" wie sie ihn nennen, sei eben nur da wieder angekommen wo er herkomme, zu Hause im Saarland – in Oskar-Land. Trotz aller Saar-Tümelei ist den meisten Saar-Delegierten jedoch bewusst, dass Oskar Lafontaines Rückzug an die Saar bedeutet, dass er an Einfluss verlieren wird.

    O-Töne: "Er hat sich fürs Saarland entschieden, das müssen wir akzeptieren."

    "Es ist für uns schade, aber man muss sich den Dingen stellen."

    Sich den Dingen stellen, heißt für Oskar Lafontaine mit seiner Erkrankung umzugehen. Bereits Anfang 2009 wurde spekuliert, er sei ernsthaft erkrankt. Aber Lafontaine ließ dementieren. Auffallend war allerdings, dass er sich rarmachte und erst spät in den saarländischen Landtagswahlkampf eingriff. Obwohl er mit der Maxime angetreten war, im Saarland wieder Ministerpräsident zu werden. Im Herbst 2009 kündigte er schließlich öffentlich an, dass er sich einer Krebsoperation unterziehen müsse und danach Entscheidungen treffe, wie es politisch für ihn weitergehe. Lafontaine entschloss sich, trotz erfolgreich verlaufener Therapie nicht mehr für den Bundesvorsitz der Linken zu kandidieren. Die Diagnose Krebs habe er als Warnung begriffen. Seine Anhänger zeigen Verständnis für diesen Schritt.

    Delegierte: "Er geht zu einem Zeitpunkt, wo er im Saarland ein sehr, sehr gutes Ergebnis erzielt hat, das hoffentlich auf andere Landesverbände ausstrahlt."

    Oskar Lafontaine hat die Linke groß gemacht an der Saar. 13 Jahre lang war er, als er noch der SPD angehörte, Ministerpräsident im Saarland. Seitdem ist Oskar beliebt im Land. Und ihm allein verdankt die Linkspartei 21,3 Prozent bei der Landtagswahl im August des vergangenen Jahres. Der Lafontaine-Effekt zog selbst bei der Kommunalwahl im Juni 2009. In 48 von 52 saarländischen Kommunen ist die Linke seitdem vertreten - ein Spitzenresultat zumindest im Westen. Nur auf Landesebene hat es nicht geklappt. Das Ziel, erneut Ministerpräsident an der Saar zu werden, die Linke in Regierungsverantwortung zu führen, hat Lafontaine verfehlt. Eigene Fehler seien dafür jedoch nicht verantwortlich:

    "Wir haben nicht voraussehen können, dass die Grünen von der FDP eingekauft wurden, das würden wir uns nicht als Fehler ankreiden. Die Frage ist nicht mehr zu diskutieren: Die Grünen sind gekauft."

    Die Grünen, die bei der letzten Landtagswahl 5,9 Prozent erzielten, waren das Zünglein an der Waage und entscheiden sich für eine Zusammenarbeit mit Liberalen und Christdemokraten. Sie werden nicht müde zu wiederholen, Oskar Lafontaine hätte das Zustandekommen einer rot-rot-grünen Koalition an der Saar höchstpersönlich torpediert. Seine Ankündigung, sich verstärkt ums Saarland kümmern zu wollen, hätte die grünen Parteimitglieder so verschreckt, dass sie deshalb lieber für Jamaika gestimmt hätten. Wie auch immer, die Linke drückt die Oppositionsbänke in Saarbrücken und das mit Stolz. Professor Heinz Bierbaum, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken:

    "Die Opposition im Land sind wir."

    In der Tat belebt Lafontaine die parlamentarische Debatte. Und Vorwürfe aus den eigenen Reihen, sein Zeitmanagement hätte womöglich nicht gestimmt, als er krankheitsbedingt, einen Rückzug aus der Bundespolitik angedeutet hatte, solche Vorwürfe gibt es nicht. Opposition wird als Chance begriffen.

    Collage: "Im Landtag gibt es soviel an Führungsstärke zu zeigen, dass er hier fast unverzichtbar ist."

    "Wir haben viele Sachen in unserem Programm, die umgesetzt werden müssen. Und da viele Leute, eben weil wir eine junge Partei sind, noch nicht in der Lage sind, das alleine zu bewerkstelligen."

    Was von Lafontaine als Oppositionsführer an der Saar zu erwarten ist, bleibt nebulös. An jeder denkbaren Sitzung wolle er nicht teilnehmen, sondern den Kontakt mit den Menschen suchen.

    "Darauf kann ein Politiker nicht verzichten, weil er diese Begegnung braucht, was die Bevölkerung denkt, was sie will, das erfährt er nicht in Gremiensitzungen."

    Welche politische Wirkung die Linke in den Länderparlamenten im Westen – im Saarland, Hessen oder Nordrhein-Westfalen - entfalten könne, darauf gäbe es noch keine Antwort, da ihre Beteiligung zu kurz sei, argumentiert Lafontaine. Im Bund sei ihr politisches Verdienst jedoch klar erkennbar.

    Lafontaine: "So wie die Grünen alle Parteien mit der Umweltfrage konfrontiert haben, so haben wir jetzt alle Parteien mit der sozialen Frage konfrontiert."

    Und vom Saarland aus, will er sich auch weiterhin kräftig einmischen.

    "Ich werde mich zu bundespolitischen Themen weiterhin äußern, das erwartet man auch von mir."

    Nicht jedem Parteimitglied, vor allem jenen nicht, die seinen Führungsstil als absolutistisch empfunden hatten, dürfte diese Ankündigung gefallen. Heinz Bierbaum, Lafontaines Vertrauter in den saarländischen Reihen, versucht jedoch zu beschwichtigen:

    "Na ja, wir wissen ja, dass Oskar Lafontaine nicht nur beliebt ist. Dass der eine oder andere das als Bedrohung sieht, das gilt auch für die eigene Partei. Die große Mehrheit aber schätzt Oskar Lafontaines Rat. Ich denke also nicht, dass das als Bedrohung zu verstehen ist."

    Lafontaine wird darauf achten, dass die Partei die soziale Frage überall zur Maxime macht. Ob in der Programmatik der Partei oder bei Koalitionsentscheidungen. Dafür wurde er gewählt und dafür bewundern ihn seine Anhänger, nicht nur an der Saar.

    O-Ton Collage: "Oskar ist Politiker durch und durch."

    "Für mich ist Herr Lafontaine einmalig."

    "Oskar Lafontaine ist nicht zu ersetzen, das weiß die Partei."