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Fünf Bundesminister, 93 Abgeordnete - die FDP

Wohl keine Partei hat in der zurückliegenden Legislaturperiode größere Turbulenzen erlebt als die FDP - bis hin zu existenziellen Krisen. Das politische Gewicht der Partei entspricht seit Jahren nicht mehr den bundesweiten Umfragewerten.

Von Klaus Remme | 11.09.2013
    Was für eine Idylle. Träge schwappen die Rheinwellen an das Ufer der Eltviller Aue, einer Insel mitten im Strom. Das Wetter, sommerlich, der Himmel knallblau. Jörg Uwe Hahn, Chef der Hessen-FDP, geht an Bord einer quietschgelben Barkasse, namens Philipp, ja wie Rösler, reiner Zufall. Es sind nur ein paar Minuten Überfahrt, Hahn freut sich auf Parteiprominenz, am anderen Ufer wartet schon Rainer Brüderle.

    Die Stimmung ist bestens, Rheinland-Pfalz und Hessen, hier ist man so dicht beieinander: Könnt man fast zusammenlegen, fantasieren Hahn und Brüderle:

    "Hallo, neue Meldung, Hauptstadt vom neuen Bundesland wird diese Insel, abwechselnd sind Uwe und ich Ministerpräsident, die Malu Dreyer heißen wir zum Kaffee willkommen."

    Gut 200 Gäste haben sich wenig später im Park des Herrenhauses zum Familienfest, wie es heißt, eingefunden. Liberale Wohlfühlatmosphäre, hier muss niemand überzeugt werden, Rainer Brüderle schimpft dennoch so, wie man’s von ihm gewohnt ist. Verbale Rundumschläge:

    "Ich kann keinem deutschen Arbeitnehmer zumuten, dass er in der Woche drei Stunden länger arbeiten muss, damit wir die Schulden von Griechenland und Spanien bezahlen, nein so weit geht es nicht, dass wir für alles in Europa aufkommen, wir sind solidarisch aber nicht blöd. Ich bin es satt, dass diese neuen Jakobiner mir vorschreiben, ob ich heute Nachmittag Torte, Wurst oder Mohrrüben esse, ich entscheide selbst, was ich esse, was ich trinke, nicht die grünen Gouvernanten schreiben vor, was ich zu mir nehme."

    "Natürlich hat die FDP im Moment das Problem, dass sie nicht aus der Position der Stärke heraus Wahlkampf machen kann, sondern in den Umfragen der letzten Jahre oft unter fünf Prozent lag."

    Hans Tesch ist das, Mediziner, Professor aus Frankfurt, kein Parteimitglied, ein Wechselwähler, wie er sagt, unentschieden. Rösler, Brüderle, Niebel, niemand ist unumstritten. Ist die personelle Führung wieder im Lot?

    Hans Tesch:

    "Teilweise, aber noch nicht ganz. Ich setze auf die jüngere Generation. In NRW haben sie einen ausgezeichneten Wahlkampf gemacht, ich halte Christian Lindner für sehr, sehr fähig."

    Rheininsel, Herrenhaus, Prunk und Pracht. Hessen Chef Hahn geht damit offensiv um.

    Jörg Uwe Hahn:

    "Natürlich fragen Journalisten, liebe Freunde der Freiheit, wieso feiert ihr ein Fest auf einer solchen Insel, privilegiert, meine Antwort ist ganz einfach. Die FDP ist die Partei der Vielfalt! Wir können und viele unserer Freunde stehen gerade auf den Info-Ständen an den Marktplätzen in den Innenstädten. Das können wir."

    Also, runter von der Insel, rein in die Innenstadt. Kontrastprogramm. Berlin, Kiezfest in der Westfälischen Straße, auf 20 Metern präsentieren sich sechs Parteien, Barbara Hennig hat schon gewählt und erhebt deshalb Anspruch auf einen blaugelben Kugelschreiber, ihre Freundin Renate Fischer schaut skeptisch:

    "Warum haben Sie die FDP gewählt?"

    "Kann ich Ihnen genau sagen, weil die so wenig wählen, die Leute sagen, die sind nicht gut, und die sind schlecht und haben keine Ahnung, wie’s wirklich läuft. Die kommen für mich überhaupt nicht infrage, die erzählen bloß und tun nix, die anderen doch auch Renate nee find ich nicht, die rennen der Frau Merkel hinterher, die macht doch nur Tagespolitik und kümmert sich nicht, was in der Ferne so passiert. Gerade in der Ferne was war denn mit Syrien, morgen schau’n wir mal. Aber hat die FDP sich in letzter Zeit nicht arg gestritten? Ja stimmt, aber sie müssen ja zusammen, Brüderle hat ne große Klappe, da steckt nichts dahinter, aber ist doch nicht nur Brüderle. Aber befreundet sind sie dennoch? Logisch, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun."

    Lars Lindeman, seit vier Jahren FDP Bundestagsabgeordneter kämpft um ein neues Mandat, diese Wählerin vom letzten Mal hat er verloren:

    "Ich habe ihm gesagt, dass ich eine geborene Liberale bin, eine FDP-Wählerin, aber seit der Hotelierssteuer hat die FDP bei mir versungen."

    Lindemann ist zuversichtlich. Nichtwähler hat er bisher keinen getroffen. Er rechnet mit sieben bis acht Prozent für die Liberalen:

    "Die werden sehr strategisch wählen, das sagen viele, dass sie mit der Erststimme den Unionskandidaten wählen und mit der Zweitstimme FDP, weil sie ausdrücklich wollen, dass diese Regierung fortgesetzt wird und wollen ein klares Zeichen setzten gegen andere Koalitionen, die da im Moment denkbar sind."

    Sagt’s und widmet sich Kugelschreibern, Luftballons und Flugblättern.

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