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Neue EU-Strategie zu Offshore-Windparks
Fünfmal so viel Windstrom bis 2030

Die EU-Kommission will die erneuerbaren Energien auf See massiv entwickelt. So soll bis 2050 Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die Windparks vor den EU-Küsten sollen dazu beitragen, indem sie ihre Leistungen erheblich steigern. Das Ziel ist ehrgeizig - aber erreichbar. Ein Überblick.

Von Paul Vorreiter | 19.11.2020
Mehrere Windräder stehen in der Ostsee vor der Insel Rügen. Der Himmel strahlt rötlich.
Der Offshore-Windpark "Wikinger" in Sassnitz, Mecklenburg-Vorpommern. Der Park wird vom Energieversorger Iberdrola betrieben. Für die Netzanbindung ist die Firma 50Hertz zuständig. (dpa/Stefan Sauer)
Die EU-Kommission hat einen Zielpfad vorgezeichnet. Innerhalb von zehn Jahren soll der Windstrom von Anlagen vor Europas Küsten um das Fünffache zunehmen. Gemeinsam mit Wellen- und Gezeitenenergie sowie schwimmenden Photovoltaikanlagen und Algen zur Herstellung von Biokraftstoffen sollen sie bis dahin 40 GW an Leistung erbringen. Die Strategie umfasst alle Meeresflächen der EU, also Nord- und Ostsee, Atlantik, Mittel- und Schwarzes Meer.
"Die Strategie will mehrere große Fragen beantworten: Können wir die Verfünffachung der Kapazität hinbekommen in Meeresbecken, in denen bereits viel passiert? Haben wir genügend Raum, um so viele Anlagen zu installieren? Und können wir die Mitgliedstaaten zusammenbringen, dass sie die Gewässer und hoffentlich auch die Netze zusammen nutzen? Die Antwort darauf ist: ja", sagte Kommissionsvize Frans Timmermans.

Was ist das Ziel der Strategie?

Die Strategie reiht sich ein in den Plan der EU-Kommission, bis 2050 Treibhausgasneutralität zu schaffen. Es geht darum, wie die Windparks vor den EU-Küsten dazu beitragen können, indem ihr Leistungs-Level von 12 Gigawatt momentan auf mindestens 60 in 2030 und dann 300 in 2050 angehoben wird. Parallel soll auch die Leistung von Gezeitenenergie oder Wellenenergie von derzeit 13 Megawatt auf 40 GW bis 2050 steigen.
Die Zielstrecke ist dabei gewissermaßen zweigeteilt. Es geht einerseits darum, Investitonen in die Offshore-Energie zu erhöhen, technologisch nicht ins Hintertreffen zu geraten, aber diese Ambitionen auch mit Umweltzielen zu verbinden, also dem Schutz von Natur, Artenvielfalt und Fischbeständen. Gerade die Artenvielfaltsstrategie, die die EU-Kommission bereits vorgestellt hat, hat ein konkurrierendes Ziel: Sie will den Schutz der Meeresflächen drastisch erhöhen, sodass 30 Prozent der Seeflächen einen Schutzstatus erhalten.

Wie sollen die Ziele erreicht werden?

Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit ermuntern, wenn es um langfristige Planung von Offshore Energie geht - und zwar so, dass nicht nur Küstenregionen profitieren, sondern auch die Landregionen miteingebunden werden. Ein Teilaspekt davon wird sein, Ziele zur Meeresenergie in die Nationalen Maritimen Raumpläne zu integrieren. Und die EU-Kommission wird wohl auch ein neues Regelwerk präsentieren, das auf einer revidierten TEN-E Verordnung besteht. Die hat zum Ziel, dass die Energieinfrastruktur der einzelnen EU-Länder miteinander verknüpft wird.

Wie hoch werden die Kosten sein?

In Brüssel ist zu hören, dass dieser Plan Investitionen von circa 800 Milliarden Euro zwischen jetzt und 2050 erfordern wird, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dazu wird die EU-Kommission einen Plan aufstellen müssen. Ein Hebel dürfte dabei sein, die Leitlinien für staatliche Beihilferegeln zu überarbeiten, aber auch die Richtlinie für Erneuerbare Energien mit dem Ziel, erneuerbare Meeresenergie günstiger zu machen.
Zudem ist vorgesehen, auch Mittel aus dem Corona-Hilfsfonds dafür abzuzweigen – was allerdings zurzeit in der Schwebe ist, weil der Haushaltsstreit mit Polen und Ungarn um die Rechtsstaatlichkeit bislang blockiert, dass diese Pläne umgesetzt werden.
Daneben sieht die EU-Kommission Synergieeffekte mit anderen EU-Fördertöpfen, zum Beispiel dem Forschungsprogramm Horizon Europe beziehungsweise dem Invest-EU Programm.