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Für ein No-Spy-Abkommen ist sehr viel Vertrauen erforderlich

Mit einem Anti-Spionage-Abkommen könnte der deutsche Verfassungsschutz nicht kontrollieren, ob beispielsweise über Datenleitungen Unternehmen ausgespäht würden, sagt der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Dass Frank-Walter Steinmeier nicht zur NSA-Affäre aussagen konnte, hält er von Seiten der Union für perfide.

Erich Schmidt-Eenboom im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 13.08.2013
    Zur Diskussion steht, ein No-Spy-Abkommen mit den USA abzuschließen.
    Zur Diskussion steht, ein No-Spy-Abkommen mit den USA abzuschließen. (Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die amerikanischen und die britischen Geheimdienste halten sich an deutsches Recht. Das war die unmissverständliche Botschaft von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der zugleich Beauftragter der Bundesregierung für die Geheimdienste ist, gestern bei seiner Befragung durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Mein Kollege Matthias von Hellfeld hat gestern mit dem Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom gesprochen und ihn gefragt, ob der Fall NSA für ihn jetzt aufgeklärt ist.

    Erich Schmidt-Eenboom: Gewiss nicht. Es hat eine flächendeckende Ausspähung von Daten stattgefunden, nicht in der Konfiguration, dass Bürgerinnen und Bürger weitestgehend betroffen sind, sondern was die angelsächsischen Dienste natürlich interessiert hat, ist, Informationen aus dem Staats- und Regierungsapparat der Bundesrepublik zu gewinnen und die deutsche Industrie unter Kontrolle zu nehmen.

    Matthias von Hellfeld: Ist das für Sie eigentlich glaubhaft oder gar überzeugend, wenn sich das Kanzleramt auf die schriftliche Mitteilung der NSA verlässt, und darin, steht dann, der Geheimdienst verletze keine deutschen Gesetze oder halte sich an deutsches Recht?

    Schmidt-Eenboom: Es ist grenzwertig, weil er auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise keine deutschen Gesetze verletzt. Das könnte er nur hier. Wenn er zum Beispiel Wirtschaftsspionage aus dem britischen Hoheitsgebiet gegen die deutsche Industrie ausübt, dann verletzt er dabei keine deutschen Gesetze und er verletzt nicht einmal internationales Recht, weil das Völkerrecht ja Spionage immer noch legitimiert.

    von Hellfeld: Aber ist das nicht eine etwas merkwürdige Methode, wenn man den Täter fragt, ob er es war, der sagt Nein, dann sagt man, dann ist gut?

    Schmidt-Eenboom: Ja ich denke auch, dass der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und auch der Verfassungsschutz sehr genau wissen, was die Amerikaner in den letzten Jahren an Spionage gegen die Bundesrepublik betrieben haben. Das ist aus bündnispolitischen Rücksichten stets unterdrückt worden und man musste seitens der Bundesregierung erst reagieren, als es die Enthüllungen von Snowden gab.

    von Hellfeld: Da gibt es ja noch einen zweiten Vorwurf, nämlich der BND habe Handy-Daten weitergegeben und damit möglicherweise jedenfalls gezielte Tötungsaktionen in Afghanistan unterstützt. Halten Sie das jetzt für ausgeräumt?

    Schmidt-Eenboom: Auch das nicht. Es gibt so was wie eine theoretische Verwertungssperre, dass weder für Folter, noch für gezielte Tötung BND-Informationen genutzt werden dürfen. Aber wenn der BND Handy-Daten übermittelt, dann können die Amerikaner durch ihre Aufklärungsmittel vor Ort – das sind luftgestützte Mittel, das sind Abhörstationen, das ist Satellitenaufklärung – das verifizieren, erneut aufklären und dann gezielte Tötungen vornehmen. Das heißt, wenn sie zum Beispiel aus der Luft erkannt haben, es gibt ein bestimmtes Ausbildungslager für Terroristen, der BND liefert Handy-Daten, die in den nächstgelegenen Mast passen, dann wissen die Amerikaner sehr genau, dieser Terrorist auf der Todesliste befindet sich möglicherweise in diesem Camp. Dann schickt man eine Drohne los, auch diese Drohne kann ja noch optisch ergänzend aufklären. Und erst, wenn der Terrorist erkannt ist, dann wird die Hellfire-Rakete abgeschossen. Das heißt, der BND ist da nicht dann unmittelbar involviert, aber er hat den Basisbaustein für die gezielte Tötung geliefert.

    von Hellfeld: Die USA haben offenbar ein No-Spy-Abkommen angeboten. Wie könnte das aussehen und was könnte es bewirken?

    Schmidt-Eenboom: Das ist so neu nicht. Der französische Auslandsnachrichtendienst DGSE und die CIA haben im Jahre 2010 ein No-Spy-Abkommen verhandelt. Das war schon unter Dach und Fach und ist dann nur am Einspruch des Weißen Hauses, also am Einspruch Obamas gescheitert. Das heißt, es ist durchaus möglich. Die Schwierigkeit liegt in der Verifikation bei einem solchen Abkommen. Der Verfassungsschutz kann natürlich über die Dauer der Zeit feststellen, ob die CIA weiter Agenten in der Bundesrepublik Deutschland einsetzt, aber man kann nicht kontrollieren, ob die NSA von Großbritannien aus zum Beispiel in deutsche Telekommunikation eindringt, und man kann von den Briten kaum verlangen, dass sie die Ausspähung des Glasfaserkabels abbauen. Man kann höchstens von ihnen verlangen, dass sie andere Filter einbauen. Das heißt, da ist dann sehr viel Vertrauen erforderlich, weil Verifikation kaum möglich ist.

    von Hellfeld: Macht das dann überhaupt Sinn, so ein Anti-Spy-Abkommen?

    Schmidt-Eenboom: Es hegt natürlich die nachrichtendienstliche Aggressivität von angelsächsischen Nachrichtendiensten außerordentlich ein, denn es könnte ja immer ein neuer Snowden auftauchen, der dann den Skandal hervorruft, dass die Amerikaner ein solches Abkommen abschließen, aber nicht einhalten.

    von Hellfeld: Zum Schluss noch: Sind Sie eigentlich irritiert darüber, dass Frank-Walter Steinmeier, einer der Vorgänger von Herrn Pofalla, heute nicht vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium aussagen durfte?

    Schmidt-Eenboom: Das zeigt, wie sehr die NSA-Affäre im Wahlkampf instrumentalisiert wird, und ich finde es nahezu perfide, dass man vonseiten der Union öffentliche Vorwürfe macht und ihm dann nicht erlaubt, zu diesen Vorwürfen dezidiert Stellung zu nehmen.

    Heckmann: Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom hält den Fall NSA noch lange nicht für abgeschlossen. Mein Kollege Matthias von Hellfeld hatte die Gelegenheit, ihn zu befragen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.