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Für ein vereintes Europa

Otto von Habsburg gehört zu den herausragenden Figuren der vergangen 100 Jahre, die sich für ein friedliches, ideologiefreies und geeintes Europa eingesetzt haben. Jetzt ist die einzige autorisierte Biografie erschienen. Stefan Richter hat sie gelesen.

18.02.2008
    Stephan Baier und Eva Demmerle haben - aus Anlass des 95. Geburtstags Otto von Habsburgs - jetzt die Biografie des fast legendären Kaisersohns vorgelegt. Am 20. November 1912 als Erzherzog Österreich-Ungarns geboren, als Thronfolger eines Kaiserreichs erzogen, nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie aus der Heimat vertrieben, von Nazi-Deutschland verfolgt, der Verhaftung nur knapp entronnen, widmete sich der Sohn des letzten österreichischen Kaisers nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil mit ganzer Kraft der europäischen Einigung und paneuropäischen Bewegung. Dabei trat Otto von Habsburg, wie seine Biografen herausstellen, bereits viele Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs für die Ostererweiterung Europas ein. Schon 1974 bekannte er öffentlich:

    "Für uns hört Europa nicht an der künstlichen, widernatürlichen Jalta-Linie auf. Europa wird erst wirklich sein, wenn die europäischen Völker, denen derzeit das Selbstbestimmungsrecht durch fremde Mächte verweigert wird, dieses zurückerlangen, wenn endlich auch bei uns und nicht nur in Afrika der Kolonialismus beendet ist."

    Die "Süddeutsche Zeitung" würdigte den Visionär eines vereinten Großeuropas, den seine Biografen als uneitlen, von Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein angetriebenen, gleichwohl humorvollen Workaholic beschreiben, bereits im Jahr 1997 mit diesen Worten:

    "Nennen wir ihn den Herrn der Welten, obwohl er keine der Welten je regiert hat, durch die er sich meist im Lodenmantel und seinen Koffer in der Hand, mit schlenkernden Schritten ruhelos hindurchbewegt hat. Ein Leben lang ist er einem großen Traum hinterhergelaufen, aus dem Gestern auftauchend und ein Morgen anvisierend, das ein halbes Jahrhundert lang Utopie war."

    Ein Utopist war und ist Otto von Habsburg freilich nicht. Bereits in den 70er Jahren habe er auf die Gefahr einer Wiedergeburt des Islamismus aufmerksam gemacht und Europa vor einer Radikalisierung in bestimmten islamischen Ländern gewarnt. Realpolitiker durch und durch, mit christlichen Grundüberzeugungen, hielt er in der Zeit der "Entspannungspolitik" nichts von den einseitigen Abrüstungsvorschlägen der Linken und trat stattdessen für ein wehrhaftes Europa ein.

    "Die beste Wirtschaftspolitik, die feinste Sozialpolitik nützt nichts, wenn Banditen ins Haus einbrechen und alles kurz und klein schlagen. Die erste Aufgabe des Staates und der Gemeinschaften ist die Erhaltung des Friedens. Waffen sind in der Welt wie das Fieber einer Krankheit. Sie sind Ausdruck, nicht Ursache der Spannungen. Werden diese abgebaut, rüsten die Völker auch ohne UNO und lange kostspielige Konferenzen ab. In unserer spannungsgeladenen Zeit brauchen wir zuerst eine politische Lösung."

    An unzähligen dieser Lösungen hat Otto von Habsburg, den seine Biografen als den "einzigen privaten Staatsmann Europas" bezeichnen, mitgewirkt, einige hat er geradezu im Alleingang erwirkt. Zu den in Deutschland weniger bekannten dürfte gehören, dass Otto von Habsburg im amerikanischen Exil lange Zeit verhindern konnte, dass die Alliierten auch Österreich bombardierten. So schreiben Baier und Demmerle, deren überarbeitetes und erweitertes Werk jetzt auch noch ein Grußwort Papst Benedikts XVI. schmückt:

    "Stalin und Benes fordern von Anfang an nicht nur die Bombardierung deutscher, sondern auch österreichischer Städte. Otto von Habsburg gelingt es in rastloser Arbeit, lange die Bombardierung österreichischer Städte zu verhindern. Die Nachricht von derartigen Plänen kommt über einen Mann im Bomb Target Comand in Cravelly Points."

    Eineinhalb Jahre lang, bis in den August 1943 hinein, interveniert Otto von Habsburg bei Präsident Roosevelt erfolgreich gegen solche Vorhaben, bis die Alliierten schließlich doch – gegen seinen Widerstand – die Wiener Neustadt bombardieren. Das Biografenduo kommt zu dem Schluss:

    "Wenn es in Österreich weniger Ziviltote gegeben hat und Österreich nach dem Krieg nicht ähnlich zerbombt war wie Deutschland, dann verdankt es dies vor allem dem unermüdlichen Einsatz Otto von Habsburgs."

    Seinen beiden Biografen, engen politischen Mitarbeitern, die ihn während seiner Zeit im Europäischen Parlament lange Zeit begleiteten, gewährte Otto von Habsburg, der alle Bitten, eine Autobiografie zu schreiben, stets ablehnend beschieden hatte, Zugang zu allen Archiven, einschließlich der privaten, und ermöglichte ihnen so den Blick hinter die Kulissen eines einzigartigen Lebens. Wer mehr über das Haus Habsburg, die Paneuropäische Bewegung oder auch über das Werden Europas wissen will, wird an dieser Biografie kaum vorbeikommen.


    Stephan Baier und Eva Demmerle: Otto von Habsburg. Die autorisierte Biografie
    Mit einem Grußwort von Papst Benedikt XVI.
    Amalthea Verlag, Wien 2007
    608 Seiten, 39,90 Euro