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Etwa fünf Prozent der Bevölkerung hat Schwierigkeiten damit, bunte Landkarten zu lesen. Die Betroffenen leiden unter Farbsinnstörungen – einem meist genetisch bedingten Defekt der Netzhaut. Wie sich diese Schwäche ausgleichen lässt, haben Hamburger Forscher nun untersucht.

Von Thomas Gith | 30.09.2013
    Betroffen sind vor allem Männer: Denn bei etwa acht bis neun Prozent der männlichen Bevölkerung liegt eine Farbsinnstörung vor. Bei Frauen ist nur etwa ein Prozent betroffen. Am häufigsten ist dabei die Rot-grün-Schwäche, sehr selten die Blauschwäche oder Blaublindheit. Beim Kartenlesen kann das hinderlich sein, sagt der Geomatiker Johannes Kröger.

    "Zum Beispiel im Stadtplan, wenn man einen Stadtplan anguckt, hat man gerne grün für Grünflächen, für Wiesen, für Wälder. Rot für Gebäude oder teilweise auch für gewisse Straßen. Und wenn jetzt eben diese beiden Farbtöne nicht mehr unterschieden werden können, weiß der Betroffene gegebenenfalls nicht, ob da jetzt ein kleiner Park ist oder ob da ein großes Haus ist. Das kann also die Lesbarkeit der Karte stark einschränken."

    Um zu untersuchen, wie gut beziehungsweise wie schlecht die Karten von den Betroffenen gelesen werden können, haben die Forscher frei zugängliche Daten des Onlinekartendienstes Openstreetmap genutzt. Für die Untersuchung wurde dabei auf die Straßendarstellung in den Karten fokussiert. Insgesamt waren fünf Straßenklassen relevant, die sich farblich unterscheiden: Blaue, rote, orangefarbene, grüne und gelbe Straßen, erläutert Geomatik-Professor Jochen Schiewe.

    "Und in einer Online-Studie wurden dann Personen mit unterschiedlichen Farbsinnstörungen befragt. A: wie sie die aktuellen Farben wahrnehmen, mit ganz konkreten Aufgaben, und B: wie sie dann eine verbesserte Farbskala, die wir entwickelt haben, wahrnehmen."

    Die Studienteilnehmer sollten in dem Test die verschiedenen Straßenklassen unterscheiden: blau gefärbte Autobahnen etwa von roten Hauptstraßen und gelben Nebenstraßen. Insgesamt nahmen 129 Personen teil. Einige wenige davon hatten eine Blauschwäche, die Mehrzahl eine rot-grün-Schwäche. Die Kartenlesbarkeit war für die Betroffenen teils stark eingeschränkt, so das Ergebnis.

    "Für Menschen mit einer Rotfehlsichtigkeit oder Rotblindheit gab es ein sehr starkes Beispiel, dass eine grüne und eine orange Straßenklasse – die grüne wäre in Deutschland eine Art Bundestraße, die orange wäre eine Gemeindestraße – diesen beiden Farben waren für die Betroffenen nicht mehr unterscheidbar, also es war wirklich der gleiche Farbton."

    Unterscheiden lassen sich solche Straßentypen unter Umständen auch nach ihrer Größe und Form – doch in Karten sind meistens die Farben relevant. Einige Betroffene mit nur gering ausgeprägter Farbsinnstörung konnten die Straßenklasse manchmal noch anhand der Farben unterscheiden – wenn auch nur mühsam. Die Hamburger Forscher haben daher versucht, die Unterscheidbarkeit grundsätzlich zu erhöhen: Unter anderem, indem sie die Grauwerte in den Farben veränderten. Der Versuch war erfolgreich, sagt Johannes Kröger.

    "Das ganz klassische Beispiel, was wir gefunden haben, war halt: Es gibt eine grüne und eine rote Straßenklasse. Und die waren schon einigermaßen unterschiedlich für die Betroffenen zu sehen. Aber den Kontrast, den Farbabstand, haben wir dort vergrößert. Das heißt, die Betroffenen konnten sicherer die Straßen identifizieren und auch sehr viel sicherer unterscheiden, ist das jetzt eine Straße von der roten Art oder von der grünen Art."

    Grundsätzlich ließen sich die Straßenklassen signifikant besser unterscheiden, wenn Helligkeit und Sättigung der Farben verändert wurden. Und dieser Effekt ließ sich sowohl für alle Formen der Farbsinnstörung als auch ihre verschiedenen Ausprägungen nachweisen. Bei Onlinekarten, in denen ein sehr großer Kartenausschnitt angesehen wurde, war diese Anpassung besonders nützlich: Denn in dem Gewirr aus dünnen Straßenlinien ist es für die Betroffenen sonst oft schwierig, die Straßenklassen zu unterscheiden.

    "Das heißt, wenn man viel Kontrast in die Farbe reinbringt, große Helligkeitsunterschiede, dann natürlich für die Rot-grün-Fehlsichtigkeiten natürlich keine gleich hellen roten und grünen Töne nimmt, dann kann man eigentlich, wenn man von vornherein damit plant, eine sehr gut lesbare, sehr barrierefreie Karte machen."

    Die starken Farbkontraste können allerdings ein ästhetisches Problem sein, räumen die Forscher ein. Sie setzen daher künftig vor allem auf onlinebasierte Vektorkarten, bei denen nur die Rohdaten an den Nutzer geliefert werden. Der könnte die Karte dann seinen Bedürfnissen entsprechend anpassen - durch Voreinstellungen für Menschen mit Farbsinnstörungen.