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Für eine effizientere Krebsmedizin

Jedes Jahr erkranken in Deutschland 425.000 Menschen an Krebs. Etwa die Hälfte davon, das sind jährlich 210.000 Krebspatienten, sterben an dieser Krankheit. Die Probleme sind also drängend. Es geht darum, Neuerkrankungen zu vermeiden, die Patienten besser zu versorgen und so gut wie möglich zu behandeln. Das wichtigste Ziel auf dem 27. Deutschen Krebskongress, vergangene Woche in Berlin: Die Erfolge in der Forschung sollen möglichst schnell für die Patienten nutzbar gemacht werden.

Von Volkart Wildermuth | 28.03.2006
    Die Deutschen werden immer älter und so ist es kein Wunder, dass die Zahl der Krebsfälle seit Mitte der Siebziger um 30 Prozent zugenommen hat. Demnächst werden die Tumoren die Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Todesursache verdrängen. Diese Entwicklung ist wohl unausweichlich. Um so entschiedener sind die Fortschritte in der Therapie: Tumore, die noch vor Jahren ein sicheres Todesurteil bedeutet haben, lassen sich inzwischen behandeln. In den Laboratorien wird an vielen Wirkstoffen gearbeitet und auch die Strahlentherapie kann das Röntgenlicht immer besser kontrollieren. Ein neues Verfahren nennt sich Intensitätsmodulierte Strahlentherapie. Dabei wird der Tumor aus verschiedenen Richtungen angegangen und Stärke der Röntgenstrahlen genau an den Krebsherd angepaßt. Der Vorteil für den Patienten, so Prof. Claus Belka von der Universität Tübingen, geringere Nebenwirkungen.

    " In der konventionellen Strahlentherapie war es uns nie möglich, das Rückenmark, was sozusagen in diesem hufeisenförmig gewachsenen Tumor drin war rauszuhalten und die Intensitätsmodulation erlaubt uns genau das hinzukriegen, dass wir sozusagen um kritische Organstrukturen viel besser drum herum bestrahlen können. "

    Das Verfahren kann nicht nur das Rückenmark schützen helfen, sondern auch die Speicheldrüsen bei der Bestrahlung von Tumoren des Kopfes oder die Darmfunktion bei der Behandlung des Prostatakarzinoms. Die Vorteile für den Patienten liegen auf der Hand. Allerdings müssen die Ärzte in einem ersten Schritt detailgenaue Bilder des Tumors aufnehmen und dann die Bestrahlung aufwendig planen. Das können sich derzeit nur wenige Universitätskliniken erlauben. Entscheiden ist für den Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft, Prof. Michael Bamberg, dass solche Fortschritte auch dem ganz normalen Kassenpatienten überall zwischen Lindau und Hiddensee angeboten werden.

    " Es ist so, dass gerade in der Krebsküche wo es brodelt an neuen Medikamente, die praktisch entwickelt werden und in so weit geprüft sind, dass sie den Patienten auch entsprechend zugeführt werden können. Wir haben bisher einen sehr bürokratischen Aufwand durch den gemeinsamen Bundesausschuss, wo diese ganze Bereiche, die neuen Medikamente und auch Diagnoseverfahren überprüft werden, ob sie überhaupt eingesetzt werden können und ob sie dann auch hinterher im stationären Bereich bezahlt werden können. Also hier dauert es zu lange, eine Innovationsverzögerung muss man sagen, eine Innovationslücke, wo die Patienten in Deutschland wirklich nicht relativ rasch in den Genus neuer Medikamente kommen. "

    Aus Sicht der Krebsgesellschaft gibt es da drei Hindernisse. Das erste ist die oft langwierige Kassenzulassung neuer Therapien. Die Krebsärzte fordern hier Sonderbudgets der Kassen, die die Erprobung neue Ansätze im klinischen Alltag erlauben. Das zweite Hindernis liegt bei den Ärzten selbst. Gerade wegen der vielen neuen Therapieformen, wird die Krebsbehandlung immer komplizierter. Sie kann wohl nur noch in spezialisierten Zentren optimal angeboten werden, an denen viele Spezialisten eng zusammenarbeiten. Beim Brustkrebs hat sich da schon viel getan. Die Deutsche Krebsgesellschaft hat mit 228 Zentren Verträge abgeschlossen, die etwa 40 Prozent der Patientinnen versorgen. Die ersten Hundert Kliniken haben schon ein Zertifikat erhalten, das heißt die Behandlungsqualität der Kliniken ist unabhängig geprüft worden, erläutert Michael Bamberg.

    " Sind die Hormonrezeptoren bestimmt bei Brustkrebs, wie ist operiert worden, ist richtig nachbestrahlt worden, welche Hormontherapie ist gemacht worden? Wenn diese Zentren, die eben diese Kriterien nicht erfüllen natürlich ganz klar angegangen werden und gesagt wird, hier ihr verliert euer Zertifikat, wenn ihr nicht entsprechend die Qualität liefert, nur Qualität wünschen wollen ist das eine. wir müssen auch richtig sagen, für die betroffenen Patienten wenn die sich an Zentren wenden, dass wenn außen Zertifikat drauf steht, dass dann auch Qualität drin sein muss. "

    " Und diese Datentransparenz halte ich für einen der größten Fortschritte in der Onkologie in den letzten zwei Jahren. "

    Betont der Präsident des Deutschen Krebskongresses, Prof. Werner Hohenberger von der Universität Erlagnen. Die Adressen der zertifizierten Brustkrebszentren finden sich im Internet bei der Krebsgesellschaft. Auch bei anderen Krebsformen nimmt die Zentrenbildung zu, wird die Qualität von außen begutachtet. Das ist gut für die Therapie, fordert von den Patienten aber auch ein Umstellung. Sie können nicht mehr einfach an die Klinik nebenan gehen, sondern müssen weitere Wege auf sich nehmen. Neben der Kassenzulassung und der Komplexität der Therapie gibt es aber noch ein drittes Hindernis für einen erfolgreichen Kampf gegen den Krebs. Es handelt sich, wie so oft, ums Geld. Werner Hohenberger hat auf seinem Spezialgebiet, den Darmtumoren, die Explosion der Kosten miterlebt. Vor 15 Jahren konnte er seinen Patienten nur ein einziges Medikament anbieten.

    " Ein Behandlungsblock kostet wenige Hundert Euro. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Medikamenten, Antikörper und jetzt kommen irgendwann noch die sogenannten kleinen Moleküle dazu und ein Behandlungsblock geht in die Hunderttausende. Die Frage ist, wie kommt man damit zurecht, einerseits ein großes Angebot, das auch erwiesenermaßen durch Studien geprüft, dem Patienten hilft und den großen Problemen der Gesundheitspolitik. Ich denke die Aufgabe von uns Ärzten ist dass wir Algorithmen erarbeiten, wer muss in welcher Situation was bekommen auch unter ökonomischen Gesichtspunkten. Muss es immer der Antikörper sein oder ist in einer bestimmten Situation ein ganz einfaches Medikament zunächst einmal wichtig. Das andere ist Aufgabe der Politik. "

    Für die Krebsmedizin besonders wichtig ist, dass nicht alle Patienten in den engen Rahmen der Fallpauschalen passen. Immer wieder gibt es besonders teure Krankheitsverläufe, die nach Meinung der Krebsgesellschaft auch gesondert abgerechnet werden sollten. Zum anderen müssen endlich Wege gefunden werden, die Kombination der verschiedenen Therapien in gut ausgelegten Studien zu überprüfen. Das kostet zunächst Geld, spart aber aus Lange Sicht Mittel. Das liegt im Interesse der Krankenkassen, sie dürfen diese Forschungen aber nicht finanzieren. Wenn die Krebsbehandlung in Zukunft bezahlbar bleiben soll, dann müssen endlich Wege gefunden werden, solche Studien systematisch zu fördern.