Freitag, 29. März 2024

Archiv


Für eine sichere Welt

Es ist eine Organisation, die noch heute die Fantasie der Zeitgenossen beflügelt: die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation, kurz Interpol. Heute vor neunzig Jahren wurde sie in Wien gegründet.

Von Konstantin Sakkas | 07.09.2013
    "Die Entwicklung von Interpol hat 1923 ihren Ausgangspunkt genommen. Damals war die Erkenntnis, dass viele Straftäter mobil sind. Das war der Anlass seinerzeit, Interpol zu gründen, zunächst im Grunde nur eine Poststelle, um Informationen auszutauschen. Dieser Grundgedanke gilt heute nach wie vor, hat natürlich vor dem Hintergrund dessen, was wir mit Globalisierung beschreiben, eine ganz andere Dimension angenommen."

    Am 7. September 1923 wurde die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation, kurz Interpol, in Wien gegründet. Jürgen Stock, Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, war von 2007 bis 2010 auch ihr Vizepräsident:

    "Interpol stellt heute eine Reihe von elementaren Services für die Polizeien rund um die Welt zur Verfügung. Interpol hat sich entwickelt von einstmals etwa 17 Mitgliedsstaaten zu heute 190, die zweitgrößte multilaterale Kooperationseinrichtung, die es gibt, nach den Vereinten Nationen."

    Die Überlegungen zur Einrichtung von Interpol reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Vor allem die reaktionären Großmächte Russland und Österreich hatten ein Interesse daran, die Aktivitäten international agierender Anarchisten und Revolutionäre konzertiert zu verfolgen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der Monarchien waren es dann nicht mehr politische Delikte, sondern grenzüberschreitender Drogenschmuggel und zum Beispiel die Mafia, die eine internationale Kriminalitätsbekämpfung nötig machten. Der Wiener Polizeipräsident Johann Schober, der seine Erfahrungen noch in der K.-u.-k.-Zeit gesammelt hatte, wurde erster Chef der Organisation. Interpol blieb österreichisch dominiert, mit entsprechenden Auswirkungen nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich 1938. Der amerikanische Journalist Gerald Posner schreibt:

    "1939 wurde Reinhard Heydrich, Chef der Gestapo, zum Chef von Interpol gewählt. Im Dezember 1941 verlegte Interpol das Hauptquartier in den eleganten Berliner Außenbezirk Wannsee, wo sie ihre Dienstvilla mit der Gestapo teilte. Heydrich gliederte Interpol sogar in seinen Sicherheitsdienst ein. Und nach dem Attentat auf Heydrich im Juni 1942 bestimmte Himmler Ernst Kaltenbrunner, seinen Nachfolger als Gestapochef, zum neuen Chef von Interpol."

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Interpol zunächst aufgelöst. 1946 erfolgte die Neugründung in Paris, seitdem spielt die französische Polizei eine führende Rolle in der Organisation. Doch ganz verschwanden die Schatten des Dritten Reiches auch dann nicht:

    "1968 wählte Interpol Paul Dickopf zu ihrem Präsidenten. Man fand heraus, dass er während des Krieges SS-Offizier gewesen war und sogar im Haus der Wannseekonferenz gedient hatte, als Interpol dort ihren Sitz hatte. Trotzdem blieb er bis 1972 im Amt."

    1971 wurde Interpol von den Vereinten Nationen zur zwischenstaatlichen Organisation erklärt: Seit 1989 sitzt die Organisation im südfranzösischen Lyon. Seit 1997 genießt sie den Status eines UN-Beobachters.

    Politische Straftaten fallen nicht in ihre Zuständigkeit, denn jeder Staat definiert politische Delikte anders. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich das insofern geändert, als Interpol zunehmend auch in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine wichtige Rolle spielt. Hoheitliche Kompetenzen hat die Organisation allerdings nicht. Ihr Hauptinstrument ist der internationale Haftbefehl, der allerdings von nationalen Behörden nach nationalem Strafprozessrecht vollstreckt wird. Interpols Rolle ist die eines Zuarbeiters für die Strafverfolgungsbehörden. Sie hat auch, zumindest offiziell, keine geheimdienstlichen Kompetenzen, denn dazu fehlt ihr der politische Auftrag:

    "Wichtig ist, hervorzuheben, dass Interpol keine exekutiven Befugnisse hat in Richtung der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedsstaaten. Interpol ist eine Serviceeinrichtung für die Mitgliedsstaaten, Interpol kann aber selbst nicht etwa Tatverdächtige festnehmen, Durchsuchungen durchführen oder Ähnliches."

    Heute werden Vorbereitung und Absprache von Verbrechen immer mehr übers Internet getroffen.

    "Interpol wird seine Aktivitäten im Bereich Cybercrime weiter ausbauen. Zu diesem Zweck wird gerade ein neues globales Zentrum in Singapur errichtet."

    Auch an Interpol geht das digitale Zeitalter natürlich nicht spurlos vorüber.


    Mehr zum Thema:

    Den Opfern einen Namen geben
    Interpol plant zentrale Datenbank zur Identifizierung von Toten
    "Ein gigantischer rechtsfreier Raum"
    Sportjournalist über das Millionengeschäft mit Fußballwetten
    Polizeiposten im Internet
    "Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität" eröffnet
    Krieg gegen die Wettmafia
    FIFA und Interpol gemeinsam im Wettlauf mit der organisierten Kriminalität