Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Für gleiche Chancen auf Bildung

Eine Ausbildung oder ein Studium unabhängig vom Geldbeutel der Eltern: Das ermöglicht seit 35 Jahren das BAföG. Das Gesetz der staatlichen Studienbeihilfe trat 1971 in Kraft und unterstützt heute knapp 20 Prozent der Studenten. Ob das BAföG ein reines Erfolgsmodell ist, ist dennoch umstritten.

Von Karl-Heinz Heinemann | 01.09.2006
    "Das war eben dann das Neue, dass es einen individuellen Rechtsanspruch gab auf Ausbildungsförderung, wenn der Betroffene anderweitig die Mittel nicht zur Verfügung gestellt bekommt. So, das war in der Tat eine große Errungenschaft, nach unserem Sozialstaatsprinzip, im Grunde gilt dieses Prinzip ja noch bis heute."

    Als Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks hat Dieter Schäferbarthold die bundesdeutsche Studienförderung seit 1974 über ihre Höhen und Tiefen begleitet. Der 1. September 1971, an dem das Bundesausbildungsförderungsgesetz in Kraft trat, war der Beginn der gesetzlich verbrieften Ausbildungsförderung. Vorläufer des BAföG war das sogenannte Honnefer Modell - ein Stipendium, das an Leistungsnachweise geknüpft war und zum Teil zurückgezahlt werden musste.

    Es beruhte auf einer Vereinbarung der Länder, die auch den Löwenanteil bezahlen mussten, denn bis Ende der 60er Jahre hatte der Bund keinerlei Kompetenzen im Hochschulbereich - ein Zustand, zu dem wir nun mit der Föderalismusreform wieder zurückkehren. Die sozialliberale Koalition hatte das geändert.

    "Ende der 60er Jahre gab es dann die Diskussion, doch eine verbindliche Regelung auf Bundesebene zu schaffen. Und dann trat 1971 doch in großer Übereinstimmung in allen politischen Lagern das Bundesausbildungsförderungsgesetz in Kraft."

    Alle Parteien im Bundestag waren sich damals einig, dass man im Interesse einer zukunftsfähigen Wirtschaft die Bildungsreserven ausschöpfen müsse, aber auch darüber, dass, wie es in der Gesetzesbegründung hieß,

    "der soziale Rechtsstaat, der soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, verpflichtet ist, durch Gewährung von individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit der jungen Menschen hinzuwirken."

    Die BAföG-Zahlungen sind an keine besonderen Leistungsnachweise geknüpft. Jeder kann sie bekommen, vorausgesetzt, das Einkommen der Eltern liegt unterhalb einer alle zwei Jahre angehobenen Freibetragsgrenze. Und der oder die Studierende darf auch kein eigenes Vermögen haben - eine Bestimmung, mit der heute offenbar Zehntausende in Konflikt geraten. Seitdem die BAföG-Ämter ihre Daten mit den Finanzämtern abgleichen können, fliegen zahlreiche Betrugsversuche auf.

    Zunächst bekamen nicht nur Studenten diese Ausbildungsbeihilfe, sondern auch Gymnasiasten und Auszubildende. In den ersten Jahren war das BAföG ein reines Stipendium, von dem nichts zurückbezahlt werden musste. Doch schon bald wurde ein Darlehensanteil eingeführt, der nach dem Studium rückerstattet werden musste. 1983 stellte die CDU-FDP-Regierung die Studienbeihilfe voll auf Darlehen um und schaffte das Schüler-BAföG ab. Die Zahl der BAföG-Empfänger sank drastisch: 1972 wurden 45 Prozent der Studenten nach dem BAföG gefördert, 1988 waren es 18 Prozent, bis Ende der 90er Jahre sank der Anteil der BAföG-Empfänger auf 13 Prozent. Und auch der Anteil der Arbeiterkinder unter den Studenten ging deutlich zurück.

    Nach der Vereinigung wollte man den ostdeutschen Studenten diese Umstellung von einem mageren, gleichwohl nicht rückzahlbaren Stipendium auf ein reines Studiendarlehen nicht zumuten und zahlte die Hälfte des Betrages als Stipendium aus. Doch der Anteil der BAföG-Empfänger sank weiter. Hat das BAföG also nichts gebracht? Dieter Schäferbarthold:

    "Natürlich hat das was gebracht. Wir hatten vorher etwa 5 Prozent, die aus den einkommensschwächeren Familien kamen, die dann ein Studium aufnahmen, inzwischen dürften es wohl so 14 sein. Und von den absoluten Zahlen sind es schon gewaltige Veränderungen. Und ich glaube, wenn man einmal so Umstrukturierungen im Ruhrgebiet sehen würde, dann würde man sehr schnell erkennen können, was das BAföG dazu beigetragen hat, dass dort eine Veränderung der früheren Arbeiterschicht mitbewirkt worden ist. Ich glaube schon, dass das einen großen Anteil hat, auch in diese Richtung, Umstrukturierung von solchen Regionen."

    Ende der 90er Jahre strebte das Studentenwerk ein ganz neues System mit einem Sockelbetrag für alle Studierenden an, unabhängig vom elterlichen Einkommen, wie es in Skandinavien üblich ist. Dafür hätte man auf das Kindergeld und die elterlichen Steuervergünstigungen verzichten müssen, und das scheiterte am Veto des Kanzlers Gerhard Schröder. Immerhin wurden die Elternfreibeträge so angehoben, dass heute wieder knapp 20 Prozent einen Zuschuss zum Studium bekommen.