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"Für jeden Wahlkämpfer der Supergau"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident steht unter Druck. Für gleich mehrere Tausend Euro soll Jürgen Rüttgers für persönliche Gespräche quasi mietbar gewesen sein. Er selbst jedoch wusste davon offenbar nichts. Gerd Langguth, Politikwissenschaftler der Uni Bonn, sagt, nun wird die CDU wohl einen eher defensiven Wahlkampf führen.

Gerd Langguth im Gespräch mit Sandra Schulz | 23.02.2010
    Sandra Schulz: Exklusive Gespräche zu einem exklusiven Preis. Personelle Konsequenzen hat die CDU in Nordrhein-Westfalen schon gezogen in der Sponsorenaffäre um die Vermittlung von Gesprächen mit Spitzenpolitikern. Mit mehreren Tausend Euro soll danach zum Beispiel ein Treffen mit dem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers zu Buche geschlagen haben. Der Generalsekretär der Landes-CDU, Hendrik Wüst, hatte gestern seinen Rücktritt erklärt. Was bedeutet die Entwicklung nun? Das wollen wir auch in den kommenden Minuten noch weiter einordnen. Am Telefon begrüße ich den Bonner Politikwissenschaftler Professor Gerd Langguth. Guten Tag!

    Gerd Langguth: Guten Tag, Frau Schulz.

    Schulz: Wie schwer wiegt jetzt die politische Bürde, die die Wahlkämpfer in Düsseldorf zu tragen haben?

    Langguth: Die gesamte Wahlkampfagenda ist jetzt natürlich eine andere. Rüttgers' Wahlkampf war ja darauf angelegt, ich vermute ähnlich wie der merkelsche Wahlkampf bisher, den sie bei den Bundestagswahlen hatte, mit Softthemen vorzugehen, dass er der Landesvater ist, der segnend durchs Land reist, der sozial verpflichtet ist, der als Arbeiterführer sich geriert, und jetzt muss er auf einmal mit einer solchen unkeuschen Geschichte konfrontiert werden, und das ist natürlich für jeden Wahlkämpfer der Supergau.

    Schulz: Der Generalsekretär Hendrik Wüst hat jetzt seinen Rücktritt erklärt. Ist das der Beschwichtigungsgeste genug?

    Langguth: Zunächst bliebe gar nichts anderes übrig, als Wüst zu entlassen. Ob das ausreicht, das muss man sehen, aber jetzt wäre natürlich, wenn noch weitere Rücktritte erforderlich wären, letztlich schon der Ministerpräsident dran, und das wird natürlich nicht geschehen. Jetzt wird die CDU sicherlich wie ein Mann sozusagen, wie eine Frau hinter Rüttgers stehen wollen und müssen auch, damit auch der Wahlkampf dann durchgezogen wird, aber es wird jetzt eher ein defensiver Wahlkampf sein und außerdem wird die CDU jetzt auch versuchen, das Thema in Richtung der anderen Parteien zu lenken. Das hat ja Herr Zurheide eben auch schon zum Ausdruck gebracht, dass es ja auch Beispiele in anderen Parteien gibt, wo das Gesamtproblem des Sponsoring von Parteien bezüglich Parteitagen jetzt natürlich auch thematisiert wird.

    Schulz: Wenn wir jetzt auf die bundespolitische Perspektive schauen - in Umfragen ist Schwarz-Gelb derzeit ohne Mehrheit in Nordrhein-Westfalen -, dann könnte sich auch in Berlin das Kräfteverhältnis verschieben?

    Langguth: Zunächst muss man natürlich sagen, bisher ist ja der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen noch gar nicht angelaufen, und wie sich diese Affäre jetzt auswirkt, das können wir auch noch nicht vorhersagen. Aber wenn das negativ zu Lasten der Union und auch der FDP ausgeht, muss man erst mal sehen, wie geht es aus, mit welcher Konstellation, wird Rüttgers bleiben, aber wird es vielleicht eine schwarz-grüne Koalition geben, oder wie auch immer, oder wird es gar eine Große Koalition geben, das weiß man natürlich nicht. Nur Tatsache ist, dass wenn die jetzige Koalition in Nordrhein-Westfalen nicht bestätigt würde, dann wäre die Bundesratsmehrheit dahin und das wäre nicht sehr komfortabel für Frau Merkel, obwohl es ja auf der anderen Seite ihr wiederum was Positives brächte, denn vorausgesetzt es käme zu einer schwarz-grünen Koalition, dann wären natürlich ihre Optionen verbreitert, was mögliche Koalitionen angeht. Aber wenn das Wahlergebnis schlecht für die Union und oder für die FDP ausgeht, dann bedeutet das natürlich auch, dass das Klima auf Bundesebene noch angespannter sein wird, die Nervosität zunehmen wird, und das würde für die Geschlossenheit dieser Bundesregierung, die ja eh nicht besonders groß nach außen wirkt, noch Schlimmes mit sich bringen.

    Schulz: Ich würde das gerne noch mal aufgreifen, was Sie gerade gesagt haben. Wenn Rüttgers bleibt, unter welchem Aspekt steht das aus Ihrer Sicht jetzt im Zweifel, wegen dieser Sponsorenaffäre, oder mit Blick auf ein eventuelles Wahlergebnis?

    Langguth: Wenn ich es so formuliert habe, dann muss ich sagen, dass jetzt natürlich der Versuch unternommen wird, im Vorfeld der Wahlen jetzt nachzuweisen, Rüttgers wusste mehr, als er jetzt tut. Jetzt, nachdem man sozusagen ein Opfer schon gebracht hat, wäre eigentlich das nächste Opfer, das noch theoretisch denkbar wäre, vielleicht der Schatzmeister der Partei, oder wer auch immer, aber dann wäre ja eigentlich schon der Ministerpräsident, der Landesvorsitzende dran. Aber damit rechne ich nicht, weil ich ja eben gesagt habe, das wäre der Supergau für die Union und deswegen wird jetzt die Geschlossenheit an der Tagesordnung sein. Deswegen wird auch heute Abend auf der außerordentlichen Landesvorstandssitzung ein neuer Generalsekretär präsentiert werden müssen. Es trifft ja übrigens auch zu, was Herr Zurheide sagt: wenn der Wahlkampfmanager mitten während des Wahlkampfes ausgewechselt wird, das allein bringt ja schon der Union gewaltige Nachteile.

    Schulz: Aber wir können schon festhalten, dass Jürgen Rüttgers, wenn es auf die schwarz-grüne Koalition oder Option rausliefe, alles andere als erschüttert wäre?

    Langguth: Wenn es auf die schwarz-grüne Option käme, dann würde er ja Ministerpräsident bleiben. Dann würde er natürlich auch sein Spiel gegenüber dem Bund treiben und auch seine eigene Qualität als Politiker gegenüber der Bundeskanzlerin zum Ausdruck bringen, und ich glaube, dass damit Rüttgers auch leben könnte, selbst wenn er natürlich doch gehalten ist, die jetzige Koalition zu preisen, und ich habe ja auch den Eindruck, dass sein Verhältnis zu Herrn Pinkwart nicht das schlechteste ist.

    Schulz: Und die Personalentscheidung, die für heute Abend erwartet wird, könnte die auch schon die Tendenz in diese Richtung weisen?

    Langguth: Nein. Ich glaube, die Personalentscheidung heute muss ja in die Richtung gehen, jemand sehr Erfahrenes zu nehmen, der ganz schnell Wahlkampf machen kann, der auch eine öffentliche Wirkung entfalten kann, und der auch möglichst schnell das vergessen machen kann, was jetzt diese Krise ausgelöst hat, denn das Problem ist ja, es wird ja im Moment nur über mögliches Fehlverhalten oder auch tatsächliches diskutiert, aber es wird über Landespolitik als solche überhaupt nicht diskutiert, und das muss ja Rüttgers jetzt versuchen, nachdem sowieso Landespolitik keinen hohen Stellenwert in der Bevölkerung hat. Weil ja darüber wenig bekannt ist und wenig diskutiert wird, muss er jetzt versuchen, wieder die Landespolitik in den Vordergrund der Auseinandersetzung zu setzen, und das muss man mal sehen, ob ihm das gelingt.

    Schulz: Der Politikwissenschaftler Professor Gerd Langguth heute im Deutschlandfunk im Gespräch mit den "Informationen am Mittag". Danke schön!

    Langguth: Danke!