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Für Jung und Alt

Kaum eine andere Musik ist in den Kinderkonzerten weltweit so präsent wie "Peter und der Wolf" von Sergej Prokofjew. Und auch bei den Erwachsenen ist das musikalische Märchen beliebt: Die Rolle des Erzählers reizte Stars wie Romy Schneider, Leonard Bernstein, Loriot, Peter Ustinov, Mia Farrow, Sting und David Bowie. Heute vor 75 Jahren wurde "Peter und der Wolf" in der Moskauer Philharmonie uraufgeführt.

Von Sabine Fringes | 02.05.2011
    "Eines Morgens öffnete Peter die Gartentür und ging hinaus auf die große grüne Wiese."

    Ähnlich froh wie der Held seines musikalischen Märchens "Peter und der Wolf" mag Sergej Prokofjew gewesen sein, als er Mitte der 1930er-Jahre wieder in sein Heimatland zurückkehrte. Die Sowjetunion empfing den Komponisten, der wie viele andere Künstler nach der Oktoberrevolution das Land verlassen hatte, mit offenen Armen. Man erhoffte sich von ihm eine Musik im Sinne des "sozialistischen Realismus".

    Tatsächlich klangen die Werke, die Prokofjew von nun an schrieb, gefälliger als zuvor. Die schroffen Dissonanzen und ungewohnten Rhythmen, die ihn im Ausland als eine Art "russisches Enfant terrible" bekannt gemacht hatten, wichen nun einer insgesamt lyrischeren Musik. Er komponierte sogar Stücke für Kinder. So wie 1936, als er auf Anregung von Natalia Saz, der Leiterin des Moskauer Kindertheaters, ein musikalisches Märchen für kleines Orchester und Erzähler verfasste mit dem Ziel, Kinder spielerisch mit den Instrumenten eines Orchesters vertraut zu machen.

    In "Peter und der Wolf" ist jeder Figur ein Instrument und ein musikalisches Thema zugeordnet: Den sorglosen Peter begleitet eine muntere Streichermelodie, den warnenden Großvater ein brummendes Fagott, die quakende Ente eine Oboe und der Vogel bekommt ein Querflötenmotiv, das mit den mächtigen Hörnerklängen des Wolfs kontrastiert.

    "Wenn wir auch die primitiven Vorstellungen der Kinder nutzen, so ist das überhaupt nicht schlimm. Das Wichtigste ist, eine gemeinsame Sprache mit ihnen zu finden. (...) Beginnen muss man mit dem Konkreten, mit kontrastierenden Eindrücken: Wolf und Vogel, das Böse und das Gute, das Große und das Kleine."

    Prokofjew über das Konzept seines von ihm selbst erdichteten Märchens, das in seinem handschriftlichen Entwurf noch den Titel trägt: "Wie Pionier Peter den Wolf fing". Die Handlung erinnert an Rotkäppchen: Der böse Wolf frisst das Entlein und bedroht auch die anderen Tiere, wird dann aber von dem mutigen Peter mit Witz und Geschick überwältigt.

    Mit der schematischen Gegenüberstellung von "Gut" und "Böse" traf Prokofjews Text ganz den Geschmack der Stalinisten. Manche von ihnen deuteten "Peter und der Wolf" als Parabel vom Sieg eines Arbeiters über seine kapitalistischen Unterdrücker. Auch die Musik gefiel. Komponistenkollege Boris Assafjew:

    "Man fragt sich, ob sich hier nicht Elemente der neuen sowjetischen Sinfonik zeigen, die von allen individualistischen Selbstanalysen des Intelligenzlers, aber auch von aller subjektiven Auffassung der Wirklichkeit frei ist."

    "Und der Wolf lief immer um den Baum herum und starrte mit gierigen Blicken hinauf."

    Prokofjews Beliebtheit in der Sowjetunion war nicht von Dauer. Immer wieder kritisierten die Machthaber seine Musik, die ihnen zu kompliziert und nicht volkstümlich und national genug war - trotz aller Bemühungen um "eine klare und melodische Sprache", wie Prokofjew selbst es formuliert hatte.

    "Und nun: Nun stellt euch den Triumphzug vor!"

    Doch den Siegeszug, den "Peter und der Wolf" mit seiner feierlichen Uraufführung am 2. Mai 1936 in der Moskauer Philharmonie angetreten hatte, konnte keine Diktatur der Welt mehr stoppen. Das musikalische Märchen wurde ein internationaler Erfolg und fasziniert bis heute Kinder und Erwachsene in aller Welt.