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"Für uns ist das eine sehr gute Chance"

Christoph Schlingensief hat in Burkina Faso den ersten Spatenstich getan und den Grundstein gelegt für sein Festspielhaus: In der Nähe von Ouagadougou entsteht ein ganzes Operndorf mit Schule, Theaterbühne, Werkstätten und auch einer Krankenstation. "Von Afrika lernen" nennt Schlingensief sein Projekt – denn es geht ihm um ernsthaften Kulturaustausch.

Von Susanne Lettenbauer | 08.02.2010
    Man könnte den Platz dramatisch nennen, theatralisch, urgewaltig, magisch - eine Naturbühne, auf der Lysander und Oberon aus den Stachelakazien springen. Oder ihn einfach nur als staubtrockenes Plateau sehen. Umgeben von kleinen und größeren Granitblöcken. Gut 30 Kilometer, 45 Minuten Fahrzeit von Ouagadougou entfernt. Eine afrikanische Offroadpiste. Vorbei an mageren Ziegen und dösenden Eseln. An kleinen quadratischen Lehmhäusern in derselben Ockerfarbe wie die stachlige Savanne ringsum. Heimat von Bauern, deren Kinder zu 80 Prozent noch nie eine Schule von innen gesehen haben, schon gar nicht ein Festspielhaus.

    Hier beginnt die Entschleunigung, so Schlingensief. Auf dem Halbrund, an dessen Fuß eine endlose Savannenparklandschaft beginnt. Seit Dezember 2009 der steinige Hügel für das afrikanische Festspielhaus - das Operndorf Remdoogo, wie Christoph Schlingensief sein Lebensprojekt seit einer Weile bescheidener nennt. Keine Rede mehr von einem afrikanischen Bayreuth, von Klassik für Einheimische. Stattdessen: Ein Heim für eine Schule mit 500 Schulkindern, ausgestattet mit afrikanischen Musikinstrumenten und westlichen Filmkameras. Ein Platz für Krankenhaus und Werkstätten, nach neuestem Niedrigenergiehausstandard erbaut. Architekt Francis Kéré, gebürtiger Burkinabé, einst als Stipendiat der Carl-Duisberg-Gesellschaft nach Deutschland gekommen, bringt Solarthermie und Solarkollektoren in die Savanne – ein Experiment, hochgelobt von Regierung und Einheimischen:

    "Für uns hier in Laongo ist das eine sehr gute Chance,"

    ... sagt dieser Mann aus dem Nachbarort Zinairé.

    "Das finde ich sehr interessant, man sieht ja noch nicht soviel davon. Aber ich bin damit sehr einverstanden, begrüße es. Was eine Oper ist weiß ich noch nicht.

    Für uns wird ein Traum real. Das habe ich auch Christoph gesagt, als wir hier über Kooperationsmöglichkeiten sprachen, über die Gründe, warum er ausgerechnet Burkina Faso ausgewählt hat. Unsere kulturellen Veranstaltungen und Festivals sind sogar in Deutschland bekannt. Wenn wir das alles realisieren könnten, dann wäre das genial."

    Sagt Martin Zongo, Leiter des Théâtre Carrefour International de Ouagadougou. Eine der zahlreichen Theaterbühnen von Burkina Faso, die nur mit Hilfe von Kooperationen ihre freien Häuser führen können. Gelegenheit auch für den Kulturminister Burkina Fasos Philipp Savadogo auf der heutigen Grundsteinlegung den deutschen Künstlern eine Plattform für experimentelle Theateraktionen zu bieten:

    "Das Projekt gefällt uns ausgezeichnet. Das ist ein Herzensprojekt von Herrn Schlingensief und Ausdruck für eine besondere Solidarität zwischen den deutschen Initiatoren und Burkina Faso."

    Ein Operndorf mit Festspielhaus in Burkina Faso sei verrückt, ein Abenteuer, logistisch eine enorme Herausforderung. Reine Geldverschwendung meinten die Deutschen in Burkina Faso, bisher. Die Kritik ist seit heute leiser geworden. Ein Burkinabé, Larba Nadieba, der zwischen Ouagadougou und Nürnberg pendelt, sieht das Projekt - wie viele seiner Landsleute im Ausland als Auszeichnung für sein Land:

    "Ob er überhaupt Leute in das Opernhaus bekommt."

    Die Kulturszene Ouagadougous zweifelt nicht an dem Erfolg des deutschen Operndorfes. Allein, dass der Initiator Christoph Schlingensief ein Deutscher und nicht Franzose, wie die alten Kolonialherren, ist, öffnet ihm Tür und Tor. Der Leiter des koordinierenden Goethe-Büros Peter Stepan sieht eine große Offenheit:

    "Der Kulturminister hat Schlingensief eine großen roten Teppich ausgerollt, wird das Angebot sofort aufgenommen."

    Christoph Schlingensief wartet lieber noch ab. Zwar sollen nach der heutigen Grundsteinlegung die Bauarbeiten sofort beginnen. Ehe das Festspielhaus steht dürfte aber mehr als ein Jahr vergehen:

    "Ich denke, da zu sagen im Oktober., ich halte von Avignon gar nichts, also das tut mir leid."

    Dass künftig in dem neuen Operndorf westeuropäische Ensembles auftreten, wie früher einmal angekündigt, dürfte vorerst nicht der Fall sein. Im Mittelpunkt des von dem Architekten Francis Kéré konzipierten Bauprojektes sollen Schüler stehen, Film- und Musikklassen, die ihre eigene afrikanische Kultur pflegen.

    Mit seinem internationalen Filmfestival, den Poetry-Slam-Gruppen, Hip-Hop-Traditionen, zahlreichen Tanzschulen und Musikfestivals gehört Burkina Faso zu den kulturell interessantesten Staaten Afrikas.

    So treffen sich gleich neben dem künftigen Operndorf Remdoogo in Laongo jährlich im Februar Bildhauer aus aller Welt, um auf einem weitläufigen Areal Skulpturen in die herumliegenden Granitfelsen zu schlagen.

    Noch stehen nur bunte Frachtcontainer in einem Halbkreis auf dem "Opern"-Platz. Der Inhalt: Die Inneneinrichtung für das Festspielhaus - gesponsert von der Ruhrtriennale.

    Vorerst bleiben sie geschlossen. Die Proben für Schlingensiefs neueste Produktion "Via Intolleranza" nach Luigi Nono laufen in Räumen der Hauptstadt Ouagadougou. Ob die Inszenierung vor Ort gezeigt wird, ist noch unklar. Uraufführung ist im Mai in Brüssel.