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funk-Serie "Antarktika"
Machinimas - Filmkunst aus Games

Für Szenekenner sind sie nichts Neues: Machinimas, Serien aus Computerspielen. Kulissen und Charaktere sind virtuell, gedreht wird innerhalb des Spiels. Jetzt zeigt auch das öffentlich-rechtliche Online-Angebot funk eine Machinima-Serie: "Antarktika" im grob-pixeligen Stil von Minecraft.

Von Tobias Nowak | 10.01.2018
    Serien aus Computerspielen, "Machinimas", gibt es viele: Hier werden die virtuelle Umgebung von Grand Theft Auto als Kulissen genutzt.
    Serien aus Computerspielen, "Machinimas", gibt es viele: Hier wird die virtuelle Umgebung von Grand Theft Auto zur Filmkulisse. (imago / ZUMA Press)
    Antarktika 3 - eine Forschungsstation am gefährlichsten Ort der Welt. Ein Kontinent für wahre Helden, die das Abenteuer suchen und die letzten Rätsel unseres Planeten lösen.
    So beginnt die Youtube-Serie "Antarktika", die der bekannte Youtuber Herr Bergmann – über eine Million Abonnenten – in Zusammenarbeit mit funk produziert, dem jugendlichen Online-Angebot von ARD und ZDF.
    "Verdammte Kacke, was machst du da, du Blockflöte?" – "Keine Ahnung. Ich bin beim Bohren wieder auf einen Fremdkörper gestoßen."
    "Antarktika" ist ein Comedy-Mystery-Thriller um das Böse im ewigen Eis. Das Auffällige ist der eckige Look: Gesichter bestehen aus grobkörnigen Pixeln, Knie und Ellenbogen gibt es nicht, alles wirkt wie aus einem Lego-Baukasten. "Antarktika" ist gänzlich innerhalb der blockigen Welt von Minecraft entwickelt worden, einem der populärsten Computerspiele überhaupt. Damit gehört "Antarktika" zu den sogenannten "Machinimas".
    Digitales Puppenspiel
    Der Begriff "Machinima" setzt sich zusammen aus den Wörtern "Machine" und "Cinema", und er bezeichnet Filme, die in Computerspielen gedreht werden: Statt in der analogen Welt, zeichnet man Szenen in virtuellen Welten auf. Statt eines Schauspielers spielt eine per Tastatur oder Controller gesteuerte Figur eine Rolle, vergleichbar mit einem digitalen Puppenspiel. Über eine Aufnahmefunktion, die den meisten modernen Spielen zur Verfügung steht, wird das Geschehen aufgezeichnet. Schnitt und Sprachaufnahmen formen in der Nachbearbeitung das eingespielte Material zu einem richtigen Film, der sein Publikum in der Regel online findet.
    "You ever wonder why we're here? – It’s one of life's great mysteries, isn't it?"
    "Machinimas" wurden vor etwa 15 Jahren zu einem festen Bestandteil der Gamer-Kultur. Zunächst nahm man bemerkenswerte Leistungen in Spielen auf, zum Beispiel verrückte Stunts in Autorennen oder Killstreaks in Ego-Shootern. Aber spätestens mit "Red versus Blue" wurde das 2003 anders: Hier stellten die gesichtslosen Science-Fiction-Soldaten aus dem Spiel "Halo" Fragen, die weit über ihre kleine Spielwelt hinausreichen-
    "Why are we here? I mean, are we the product of some cosmic coincidence? Or is there really a God watching everything?"
    "Kulturell gesehen ist natürlich am schicksten, wenn noch mit dazu gehört, dass man ein bestehendes Spiel tatsächlich ausnutzt und für sich gewinnt, indem man damit etwas anderes tut."
    Filme mit Genre-Mix
    Matthias Löwe arbeitet beim renommierten Comuterspielfestival PLAY in Hamburg viel mit Machinimas. Er findet dieses Filmgenre besonders spannend, wenn sich das Thema des Clips vom Thema des dafür genutzten Spiels unterscheidet.
    "Wenn es zum Beispiel ein Tanzfilm ist - was immer sehr lustige Angelegenheit ist - dann wird ja genau damit gespielt, dass diese Figuren eigentlich so hölzern sind und sich eigentlich nicht so direkt bewegen können und man dann aber trotzdem noch aus diesen Figuren raussieht, dass sie gerade manuell von einem Menschen gesteuert werden."
    Im Stockholmer Büro der Minecraft-Entwickler. Bei Antarktika dient das grobpixelige Spiel als Drehort der Serie.
    Im Stockholmer Büro der Minecraft-Entwickler. Bei Antarktika dient das grobpixelige Spiel als Drehort der Serie. (AFP / FREDRIK SANDBERG)
    In Destiny, einem Science-Fiction-Shooter, kämpfen die Spieler normalerweise gemeinsam gegen schier unendliche Horden bösartiger Aliens. Im Destiny-Machinima "Something weird on Venus patrol" aber tanzen fünf hochgerüstete Krieger zu Gwen Stefanis "Sweet Escape" eine ausgefeilte Choreographie, inklusive beeindruckender Lightshow, wenn die Lasergewehre im Takt abgefeuert werden. Keine Aliens kamen bei der Herstellung dieses Machinimas zu schaden.
    Der Humor von Machinimas erschließt sich natürlich vor allem denjenigen, die auch das Spiel kennen, aus dem die Aufnahmen stammen. Aber viele Machinimas wollen tatsächlich Geschichten erzählen, die nichts mit den Spielen zu tun haben, in denen sie entstehen. Diese Geschichten sind meist kurz und lustig, manchmal auch lang und tragisch.
    Interaktive Animationsfilme
    "A very long time ago there lived a beautiful princess in a mystical land known as India"
    Der Konsum von Machinimas findet vor allem im Netz statt, auch wenn sie dort in Sachen Beliebtheit mittlerweile von nicht-gescripteten Formaten überholt wurden: Die erfolgreichsten Youtube-Filme heutzutage sind "Let’s Plays", in denen berühmte Youtuber Games spielen und währenddessen darüber sprechen. Aber Machinimas sind als Kunstform trotzdem gut etabliert, werden auf Film-Festivals gezeigt und manchmal auf der Bühne genutzt – denn auch dafür eignet sich dieses Medium:
    "Viel cooler ist, dass man wirklich so einen Film gucken könnte, während er gerade gedreht wird: das sind dann diese live-Machinimas. Ill-Clan hießen die. Die hatten tatsächlich so eine Kinovorstellung, wo sie mit mehreren Rechnern im Kinosaal drinnen saßen und dann Charaktere gesteuert hatten, die dann auch direkt mit dem Publikum interagieren konnten. Alles sieht halt aus wie ein normaler Animationsfilm, aber die Charaktere können halt direkt auf das Publikum agieren, quasi eine Art digitales Puppentheater."
    "Heute ist ein großer Tag für unser Projekt. Ich bin endlich dem Geheimnis auf die Spur gekommen."