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Furcht vor dem Nichtwähler

Um die 99 zu vergebenden EU-Parlamentsmandate buhlen in Deutschland 31 politische Gruppierungen. Den meisten von ihnen ist eines gemein: Sie setzen darauf, dass die etablierten Parteien die Bürger nicht mehr ausreichend vertreten. Die großen Parteien wiederum hoffen darauf, Wähler mit Themen motivieren zu können, die auch bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen werden.

Von Frank Capellan | 01.06.2009
    Wahlspots der EU-Kommission:

    "Die Eu hat heute den Verkauf von Waren aus Kinderarbeit untersagt."

    "Für immer mehr Männer in Europa ist Familie der neue Traumberuf."

    "Durch den gemeinsamen Rettungsschirm fasst Europa wieder Vertrauen in die Märkte."

    Mit Werbespots kämpft die Europäische Kommission gegen die Gleichgültigkeit ihrer Bürger. Eine Sorge treibt sie alle um: Am 7. Juni ist Wahl und keiner geht hin. Der gemeinsame Feind aller - der Nichtwähler:

    Werbespot: "Wie werden die Nachrichten von morgen wirklich aussehen? Du entscheidest bei der Europawahl am 7. Juni!"

    Bei der letzten Europawahl lag die Wahlbeteiligung bei 43 Prozent. Diesmal könnten es noch weniger werden. Die Politik versucht gegenzusteuern, gerade junge Leute sollen für Europa begeistert werden - über das Internet.

    Werbespot: "Was hat Europa jemals für uns getan?"

    "Hat uns Frieden gebracht."

    "Was?"

    "Frieden!"

    "Oh - ach, sei still."

    Doch worin unterscheiden sich die Parteien, wer oder was steht am 7. Juni zur Wahl? - Profilierungsversuche über Fernseh- und Radiospots - ganz oben steht das Anliegen, die Deutschen überhaupt an die Wahlurnen zu bekommen.

    CDU-Spot: "Jobs schaffen und schützen oder sie riskieren? Wir können wählen."

    "Einen starken Euro oder einen schwachen? Wir können wählen."

    "Die Krise in Europa bekämpfen oder verschlimmern? Wir können wählen."

    "Am 7. Juni ist Europawahl! Wir können wählen, wir in Europa, CDU!"

    Die Krise hat auch den Europawahlkampf erreicht. Die Christdemokraten präsentieren sich als Garant von Stabilität und Sicherheit. Die Partei verspricht eine bessere Kontrolle der Finanzmärkte und fordert vorsichtig eine bessere Aufsicht der Unternehmensspitzen: "Die Vergütungs- und Bonussysteme von Managern müssen langfristiges und nachhaltiges Wirtschaften belohnen, nicht kurzfristiges Profitstreben", so steht es im Wahlprogramm der CDU.

    Ausdrücklich bekennen sich die Konservativen dazu, die soziale Marktwirtschaft deutscher Couleur in Europa stärken zu wollen, ohne allerdings auf eine vollständige Harmonisierung der Sozialpolitik zu drängen. Auszug aus dem Wahlprogramm: Das hohe deutsche Niveau unserer sozialen Sicherungssysteme könnte nicht gesichert werden, sodass einheitliche europäische Sozialstandards den Menschen in Deutschland schaden würden. Als Garant des Wohlstandes wird von CDU-Chefin Angela Merkel der Euro angesehen - Werbung für die gemeinsame Währung.

    "Wer eine gemeinsame Währung hat, der führt nie wieder Krieg gegeneinander, und deshalb ist diese Währung weitaus mehr als Geld. Sie ist das Zeichen unserer europäischen Zusammengehörigkeit, und deshalb werden wir uns immer für einen stabilen Euro einsetzen."

    Angela Merkel präsentiert sich gern als Kanzlerin, die in der Lage ist, Europa mit neuem Leben zu erfüllen. Energisch wirbt Merkel für den Vertrag von Lissabon. Das erweiterte Europa muss entscheidungsfähig werden, der Aufnahme neuer Mitglieder will sie Grenzen setzen - nach Kroatien soll Schluss sein. Zentrale Aussage der CDU in diesem Wahlkampf: Die Türkei gehört nicht nach Europa.

    Merkel: "Es hat keinen Sinn, wenn wir immer mehr Mitglieder werden, aber nichts mehr entscheiden können. Wir können nicht jeden in Europa aufnehmen als Vollmitglied, und deshalb heißt unsere gemeinsame Position privilegierte Partnerschaft für die Türkei, aber keine volle Mitgliedschaft der Türkei."

    Begrüßung Sarkozy: "Meine Damen und Herren, Mesdames et Messieurs, bitte begrüßen Sie den Ehrengast des heutigen Tages, bitte begrüßen Sie den Präsidenten der französischen Republik Nicolas Sarkozy!"

    Merkel setzt auf die deutsch-französische Karte. Anfang Mai kommt Frankreichs Präsident nach Berlin, unterstützt die Kanzlerin im Europawahlkampf. Handkuss und Umarmungen - immer wieder demonstrieren beide ein inniges Verhältnis. Sie ist mir einfach sympathisch, sagt Sarkozy.

    "Am Tag meiner Amtseinführung war ich hier in Berlin, um Angela zu treffen, betont Sarkozy. Wir wollen dasselbe Europa, wir gehören derselben politischen Familie an. Frankreich steht voll und ganz hinter Europa, auf die Solidarität zwischen der UMP und der CDU/CSU kann sie sich verlassen", unterstreicht er - offene Wahlkampfhilfe für Angela Merkel, nicht nur mit Blick auf die Europawahl:

    "La France est totalement engagée dans l'Europe. Vive l'Allemagne! Vive la France! Et vive l'amitié entre l'Allemagne et la France!"

    Die Christdemokraten setzen auf mehr regionale Eigenständigkeit in der Europäischen Union. Im Programm bleiben sie vage. "Wir wollen prüfen, ob bestimmte Aufgaben von der europäischen Ebene wieder auf die Nationalstaaten zurückverlagert werden können", heißt es da. "Die europäischen Regionen tragen zur Vielfalt Europas bei, mit der sich die Menschen identifizieren können!"

    Seehofer: "Nur wer CSU wählt, gibt Bayern eine eigene Stimme in Europa."

    Was regionale Vielfalt bedeutet, demonstriert die Schwesterpartei. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich durchgesetzt: Die Christsozialen ziehen auch 2009 mit eigenem Programm in den Wahlkampf. "Die bayerische Regionalpartei in Brüssel" - das ist das Alleinstellungsmerkmal der CSU. Ein Vabanquespiel: Schon fürchten die neun Abgeordneten aus Bayern um den Wiedereinzug ins Europäische Parlament. Die CSU muss bundesweit über fünf Prozent kommen, ob die knapp 44 Prozent der vergangenen Landtagswahl dafür reichen hängt nicht zuletzt von der Wahlbeteiligung in den anderen Bundesländern ab. Für den neuen Parteivorsitzenden wäre ein Scheitern ein fatales Signal mit Blick auf die Bundestagswahl. Für Seehofer ist der 7. Juni ein erster Stimmungstest, der bayerische Ministerpräsident verbreitet demonstrativ Optimismus:

    "Ich glaube, über die Gefahr eines Nichteinzuges in das Europäische Parlament müssen wir wirklich nicht reden, nicht weil wir überheblich sind, sondern weil wir einen starken Rückhalt in der bayerischen Bevölkerung haben, und weil die bayerische Bevölkerung weiß, wer der CSU die Stimme gibt, weiß, dass er Bayern in Brüssel befördert und nicht irgendwelche Abgeordnete aus Schleswig-Holstein."

    Anders als die CDU hat sich die CSU von einer gemeinsamen europäischen Verfassung verabschiedet, die Bayern verlangen mehr Mitsprache der Bürger, etwa einen Volksentscheid über den Beitritt der Türkei. Aber auch bei einem Verbot von Glühbirnen sollen die Bürger gefragt werden.

    SPD-Spot: "Sorgen Sie mit Ihrer Stimme für mehr SPD in Europa, damit die konservative Mehrheit nicht länger blockieren kann. Wir wollen klare Regeln an den Finanzmärkten, faire Löhne für gute Arbeit und ein Europa, in dem soziale Gerechtigkeit wieder etwas zählt. Und dafür lohnt es sich, wählen zu gehen. Am 7. Juni mehr SPD für Europa."

    Im Gegensatz zur Union ziehen die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Schulz mit einem Thema in den Wahlkampf, das auch die Bundestagswahl bestimmen soll - Soziale Gerechtigkeit im Zeichen der Wirtschaftskrise. Die SPD läuft sich warm für den 27. September, greift den jetzigen Koalitionspartner in Berlin, aber auch den kleinen Wunschpartner scharf an: "Finanzhaie würden FDP wählen!" "Dumpinglöhne würden CDU wählen!" die Plakate zur Europawahl sind umstritten, aber sie sind zu Hinguckern geworden. Über "Negativ-Campaigning" klagen die einen, von "Klartext-Wahlkampf" sprechen die anderen. Für SPD-Chef Franz Müntefering jedenfalls liegt es auf der Hand, nationale Fragen mit europäischen zu verbinden:

    "Europa hat uns die Möglichkeit eröffnet, mit dem Entsendegesetz Mindestlöhne zu machen, die Konservativen bei uns im Land und die FDP in besonderer Weise haben sich dagegen gewehrt. Das zeigt auch, dass das Problem der sozialen Gestaltung nicht nur in Europa liegt, sondern dass das sowohl in Europa als auch nationalstaatlich angegangen werden muss, und deshalb verbindet sich der Europawahlkampf immer auch ein Stück weit mit dem Bundestagswahlkampf und mit den kommunalen Wahlkämpfen."

    Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mahnt zu mehr europäischem Denken. Diese Krise können wir nur gemeinsam stemmen, betont der Außenminister - der Kampf gegen Steueroasen oder die Überwachung der Finanzmärkte kann nicht nationalstaatlich geführt werden. Anders als die Kanzlerin drängt der Vizekanzler auf einheitliche Sozialstandards für die Europäische Union:

    "Wir brauchen dieses Europa, weil die Menschen erwarten, dass die Europäische Union, die als eine Veranstaltung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen gestartet ist, sich mehr und mehr zu einem sozialen Europa verändert. Sozialdemokraten in Deutschland stehen für diesen Weg. Wir müssen deutlich machen, dass dieses Europa auch in der Lage ist, die Menschen mit ihren unmittelbaren Bedürfnissen, auch am Arbeitsplatz, zu schützen. Und deshalb ist es nicht gleichgültig, wie das Europäische Parlament zusammengesetzt ist, und vor allen Dingen, wer das deutsche Gesicht in Brüssel auch in der Europäischen Kommission sein wird."

    Auch damit unterscheidet sich die SPD von der CDU: Die Sozialdemokraten setzen verstärkt auf einen personalisierten Wahlkampf. Das mangelnde Interesse an dieser Wahl liegt auch darin begründet, dass keine Köpfe dahinter stehen, beklagen viele Europaabgeordnete - die Sozialdemokraten wollen deshalb nicht mehr mit der Union darüber diskutieren, wer Günter Verheugen als deutscher Industriekommissar folgen soll. Sie schicken einfach Martin Schulz ins Rennen. Obwohl die EU-Kommissare von den nationalen Regierungen nach Brüssel entsandt werden, obwohl die Europaabgeordneten am Ende lediglich die Wahl haben, eine ihnen vorgesetzte Kommission in Gänze zu bestätigen oder aber abzulehnen, suggerieren die Sozialdemokraten damit, dass die Wähler in Deutschland am 7. Juni auch direkt und unmittelbar über den künftigen deutschen EU-Kommissar entscheiden können. SPD-Chef Franz Müntefering:

    "Wer will, dass bei Wahlen entschieden wird, und zwar nicht nur in diesem Fall über das Parlament, sondern auch derjenige, der - ich sage es mal in Anführungszeichen - Minister werden soll dann für Deutschland, der sollte sagen, was er will. Ob das nun Koch macht, oder Hintze oder Pöttering oder wer auch immer, ich weiß es nicht, aber der Name könnte ja mal auf die Tagesordnung. Und da könnten die, Martin Schulz für uns und der oder die, die von der anderen Seite vorgeschlagen werden, auch ihre Position zu Europa mal deutlich machen. Das ist doch keine Kleinigkeit, um die es da geht. Und deshalb messe ich dieser Personalisierung des Wahlkampfes eine große Rolle bei."

    Auf Personalisierung, wenn auch in ganz anderem Sinne, setzen auch die Grünen. Von Angriffen des früheren Partners SPD bleibt die einstige Öko-Partei verschont, die Grünen selbst attackieren auch. Sie nehmen die selbsternannte Klima-Kanzlerin ins Visier

    Grünen-Spot: "Das Merkel, ein alles andere als possierliches Tierchen ist ein enger Verwandter der Raupe Nimmersatt und gehört zur Gattung der Klimakiller. Von Natur aus träge hat dieses Geschöpf mit Wirtschaft und Arbeit wenig am Hut und verfügt über ein so schlechtes Gedächtnis, dass es die eigenen großen Worte in Sachen Umweltschutz inzwischen völlig abgewrackt hat."

    Dass sich die deutsche Kanzlerin allzu gern im europäischen Glanz sonne, das wird von den Grünen beklagt und ihr "Tete à Tete" mit dem französischen Präsidenten auf die Schippe genommen.

    Grünen-Spot: "Ach, und wen haben wir denn hier? - einen Sarkozy, ein geltungsbedürftiges Wesen, das obwohl klein im Wuchs über ein mächtiges Organ verfügt und immer mit dem Kopf durch die Wand will. Es ist ständig bestrebt, sein Revier zu markieren und neue AKWs zu bauen."

    Kernenergie und Klimaschutz - die Grünen setzen bei der Europawahl auf ihre ureigenen Themen. Europa soll im Kampf gegen den Klimawandel wieder führend werden, heißt es ganz oben im Wahlprogramm. Dass durch die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise der Klimaschutz wieder in den Hintergrund gedrängt wurde, lassen sie nicht unkommentiert und wärmen ihr altes Credo wieder auf: Umweltschutz schafft Arbeitsplätze! Renate Künast, Fraktionschefin im Deutschen Bundestag:

    "Wenn die Bundesregierung losgeht und behauptet, bei BASF gebe es nur Arbeitsplätze, wenn man Pestizide ohne Ende produzieren und einsetzen darf, dann sagen wir: Bei BASF gibt es auch in Zukunft nur Arbeitsplätze, wenn man die Umwelt würdigt und schützt und lieber in Umwelt investiert statt in Chemie."

    Bessere Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln, die Bahn im Wettbewerb mit Auto und Flugzeug stärken, Strom aus erneuerbaren Energien verbilligen - das sind Forderungen der Grünen.

    Linkspartei-Spot:
    Frau: "Was ist denn jetzt los?"
    Mann: "Was soll es denn werden?"
    Frau: "Na, ein Kind. Einen Hund haben wir schon."
    Mann: "Haha."

    Haben die Sozialdemokraten mit ihren Wahlplakaten den größten Hingucker, so sorgt die Linkspartei mit ihrem Radiospot wohl für den größten Hinhörer:

    Linkspartei-Spot:
    Mann: "Also, im Internet stand, dass das Geschlecht des Kindes die politische Einstellung der Eltern bestimmt."
    Frau: "Nicht etwa umgekehrt?"
    Mann: "Wie soll das denn gehen? - Nein. Es ist vielmehr so: Ist das Kind ein Mädchen, dann tendieren die Eltern ganz deutlich nach links, verstehst Du? Die Solidarität, die soziale Sicherheit, die Gleichberechtigung."

    Nah bei der SPD setzt die Linke auf soziale Themen. "Millionäre zur Kasse!" lautet eine der Botschaften. Altbekanntes aber auch in der Außenpolitik: "Raus aus Afghanistan!" - eine Kernaussage der Partei soll sich dem Wähler einprägen.

    "Ich bin stolz, der einzigen Fraktion im Deutschen Bundestag anzugehören, die noch nie eine Zustimmung zu einem völkerrechtswidrigen Krieg gegeben hat. Und dabei wird es auch bleiben."

    Gregor Gysi arbeitet weiter am Image der Friedenspartei. Ansonsten aber kämpft seine Linke gegen das Etikett, besonders europafeindlich zu sein. Das Nein zum Reformvertrag von Lissabon sorgt weiter für Wirbel - dass mit Yvonne Kaufmann die langjährige linke Europa-Spitzenkandidatin kurz vor der Wahl zur SPD übergelaufen ist, hat die Diskussionen über den Europakurs der Linkspartei aufs Neue angefacht. Kaufmann geht mit den alten Parteifreunden hart ins Gericht:

    "Die Linke hat sich in ihrem Nein zum Lissabonner Reformprojekt der EU endgültig einbetoniert. Man kann den Vertrag von Lissabon durchaus von links kritisieren. Was aber nicht geht ist, Inhalte zu verfälschen und alle seine unbestreitbaren Fortschritte zu leugnen. Genau das aber ist passiert. Pure Ideologie siegte über Vernunft."

    Wegen ihrer Kritik an der Linie ihrer Partei war Yvonne Kaufmann am Ende nicht mehr für die Europawahl aufgestellt worden. Drückt also ihr Austritt auch Unmut über den Führungsstil des neuen Co-Vorsitzenden aus dem Westen aus? Oskar Lafontaine wehrt sich energisch gegen die Lissabon-Befürworter in den eigenen Reihen:
    "Diejenigen in unserer Partei, die der Auffassung sind, dass der Lissabon-Vertrag einen gewissen Fortschritt bedeutet, die sind in der Minderheit. Das ist eine zu respektierende Meinung. Aber genauso wenig ist es zulässig, dass diejenigen, die beispielsweise sagen, wir können keinem Vertrag zustimmen, der zur Aufrüstung verpflichtet, wir als Friedenspartei, dass das keine Europafeinde sind. Wo sind wir denn?"

    FDP-Spot: "Willkommen bei unserem großen Wissensquiz: "Wer wird Europa-Visionär?" - Unsere erste Frage gleich an unsere Kandidatin."

    Die präsentiert sich ausgesprochen europafreundlich: Langes blondes Haar, strahlendes Lächeln, ausgeschnittener Blazer - so zeigt sich FDP-Spitzenfrau Silvana Koch-Mehrin auf den Wahlplakaten. Attraktiv statt konfrontativ lautet das Motto der Liberalen. Die selbstbewusste 38-Jährige ließ sich schon mal mit nacktem Babybauch ablichten; sie gilt als hübsches und erfolgreiches Gesicht der Liberalen - verkörpert geradezu den Wahlslogan der FDP "Stark aber schlank".

    "Wir Liberale wollen die EU nicht als Öko-Diktatur. Wir wollen die EU nicht als ein allzeit regulierendes Bürokratiemonster. Wir wollen eine schlanke EU. Und wir wollen eine starke EU."

    Damit spricht sie dem Vorsitzenden aus der Seele. Guido Westerwelle wettert gerne gegen die Regulierungswut Brüsseler Bürokraten, gibt sich betont bürgernah, etwa wenn er kalauert "Die EU will die Glühbirne verbieten, da kannst Du die Fassung verlieren!" Dann aber schlägt auch er die Brücke zur internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise:

    "Bei der Europawahl, bei den Kommunalwahlen, bei den Landtagswahlen, bei der Bundestagswahl werden sich diejenigen durchsetzen, die die Krise nutzen möchten, die soziale Marktwirtschaft in den Abfalleimer der Geschichte zu werfen. Oder setzen wir uns durch, die wir wissen, die soziale Marktwirtschaft muss verbessert werden, aber sie ist immer noch das beste demokratische Modell, was es jemals auf deutschem Boden gegeben hat."

    Die Krise - das immer wiederkehrende Thema bei den großen Parteien. Um die 99 zu vergebenden Mandate buhlen in Deutschland 31 politische Gruppierungen - darunter so viele Splittergruppen wie nie zuvor. Den meisten von ihnen ist eines gemein: Sie setzen darauf, dass die etablierten Parteien die Bürger nicht mehr ausreichend vertreten. Rentnerpartei, Frauenpartei, Familienpartei, Tierschutzpartei - viele Exoten konzentrieren sich ganz auf spezielle Anliegen.

    Andere suchen vor allem die Provokation, etwa die "Pogo-Partei" als - so die Selbstbeschreibung - "Anwalt des Pöbels und der Sozialschmarotzer" oder die Piratenpartei, die sich den Schutz vor dem Überwachungsstaat auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die Rechten wie Republikaner oder DVU stellen die Ablehnung eines offenen Europas in den Vordergrund und schüren Ängste vor angeblicher Überfremdung. Nichts davon wird am 7. Juni wirklich mehrheitsfähig sein. Die im Bundestag vertretenen Parteien wiederum hoffen darauf, Wähler mit Themen motivieren zu können, die auch am 27. September eine Rolle spielen werden. Kann das gelingen? Letzte Umfragen der EU-Kommission sprechen dagegen: Sie sagen für Deutschland eine Wahlbeteiligung von nur 38 Prozent voraus.

    Spot EU-Kommission: "Du entscheidest bei der Europawahl am 7. Juni!"