Freitag, 19. April 2024

Archiv

Fusion PSA/Fiat Chrysler
"Auf dem europäischen Markt entsteht jetzt ein Gigant"

Automobil-Experte Willi Diez sieht im Zusammenschluss der Autohersteller PSA und Fiat Chrysler eine strategisch sinnvolle Fusion. Vor allem Volkswagen müsse den neuen Konkurrenten fürchten, der den deutschen Konzern mit einer guten Kostenstruktur unter Druck setzen werde, sagte Diez im Dlf.

Willi Diez im Gespräch mit Silvia Engels | 31.10.2019
Die Logos der Automarken Fiat und Peugeot in einer Bildmontage.
Die Logos der Automarken Fiat und Peugeot (AFP / MARCO BERTORELLO and Joël SAGET)
Silvia Engels: Schon gestern gab es Gerüchte; jetzt ist es klar. Die Automobilkonzerne PSA und Fiat Chrysler wollen fusionieren. Der viertgrößte Autokonzern der Welt soll entstehen. Viele Automarken kommen da künftig zusammen, von Peugeot und Citroen über Opel bis hin zu den Marken Fiat, Jeep oder Chrysler. Arbeitsplätze in Frankreich, Italien, Deutschland und in den USA könnten ebenfalls betroffen sein, auch wenn bisher gesagt wird, dass keine Werksschließungen geplant sind.
Am Telefon ist nun Professor Willi Diez. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und hat lange Jahre das Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen geleitet. Er ist in der Automobilwirtschaft seit Jahrzehnten Kenner. Guten Tag, Herr Professor Diez.
Porträt Willi Diez, undatierte Aufnahme
Professor Willi Diez, Willi Diez, früher Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (Institut für Automobilwirtschaft/dpa)
Willi Diez: Guten Tag.
"Die schwierige Situation von Fiat ist bekannt"
Engels: Macht es strategisch Sinn für die beiden Konzerne, sich über den Atlantik hinweg zusammenzuschließen?
Diez: Ja, das macht durchaus Sinn. Die schwierige Situation von Fiat ist bekannt. Das Unternehmen hat einfach über die letzten Jahre auch zu wenig in neue Produkte investiert, muss wettbewerbsfähiger werden, und für Peugeot liegt der Reiz natürlich in dem Zusammenschluss vor allem darin, dass man damit auch in Nordamerika endlich wieder eine starke Position hat. PSA, Peugeot ist ja sehr stark auf Europa konzentriert, und damit erschließt man sich natürlich jetzt auch über Jeep und Chrysler den amerikanischen Markt.
Ein Gebäude mit dem Opel-Logo in Rüsselsheim steht in der Abendsonne.
"Opel wird im Wesentlichen in Ruhe gelassen"
Der Opel-Mutterkonzern PSA will mit Fiat-Chrysler zu einem der größten Autokonzerne weltweit werden. Dass der deutsche Autobauer dadurch unter Druck geraten könnte, glaubt der Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler nicht.
Engels: In beiden Konzernen haben die Gründerfamilien traditionell noch einen großen Einfluss. Was bedeutet das für eine erfolgreiche Steuerung des neuen Konzerns?
Diez: Ja, das wird sicher ein Knackpunkt werden in den nächsten Wochen und Monaten, denn klar ist, dass natürlich immer dann, wenn Familien im Hintergrund stehen – und das ist ja bei beiden Unternehmen der Fall -, es nicht immer ganz einfach ist, weil irgendjemand muss natürlich dann auch ein bisschen auf Macht und Einfluss verzichten. Das tut keiner gerne und ich erwarte schon, dass es da noch einige Konflikte geben wird. Ob die Konstellation jetzt mit der 50:50-Aufteilung der Anteile wirklich tragfähig ist, da würde ich doch auch ein Fragezeichen machen. Das haben ja auch andere Beispiele gezeigt. Ein Merge of Equals, wie man das nennt, eine Fusion und dergleichen, wie sie ja auch zum Beispiel Daimler mit Chrysler versucht hat, hat nicht funktioniert und in der Regel funktioniert so was auch nicht, weil man sich dann oft gegenseitig blockiert.
Tavares kann Plattformstrategien sehr gut umsetzen
Engels: Machtstrukturen in solchen Konzernen sind das eine. Zum anderen wird bei solchen Großfusionen ja auch immer auf Kostenersparnis und Synergieeffekte verwiesen. Das klappt dann auch längst nicht immer. Wie stehen die Chancen denn hier?
Diez: Carlos Tavares, der Chef von Peugeot hat gezeigt, dass er sehr konsequent Plattformstrategien umsetzen kann, dass er sehr konsequent Unternehmen auch zusammenführen kann. Das hat ja auch die Übernahme von Opel gezeigt und es ist ihm das fast unglaubliche gelungen, nämlich Opel wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Er ist ein Mann, der sehr viel Erfahrung darin hat, verschiedene Marken zusammenzubringen, aber auch wieder eigenständig zu halten, und ich traue ihm da schon zu, dass er in dem Bereich einige Synergien wird heben können und die Unternehmen damit auch wettbewerbsfähiger machen kann.
Engels: Sie haben es schon angesprochen. PSA hat Opel erst im Jahr 2017 von General Motors übernommen. Chrysler und Fiat wiederum haben sich im Jahr 2014 zusammengetan; das ist auch noch nicht so lange her. Sind denn die Folgen dieser ganzen Zusammenschlüsse schon konzernintern verarbeitet, um nun einen weiteren Großzusammenschluss überhaupt organisatorisch zu wuppen?
Diez: Ja, das ist natürlich jetzt schon eine große Nummer, wobei ich es schon so sehe, die Übernahme von Opel ist ja relativ schmerzlos über die Bühne gegangen. Carlos Tavares hat wirklich in einer bemerkenswert kurzen Zeit Opel wieder auf Kurs gebracht und das fast Unglaubliche geschafft, das Unternehmen wirklich wieder profitabel zu machen. Fiat Chrysler läuft schon seit einigen Jahren mit einer klaren Aufteilung, was die Marktgebiete anbelangt. Jetzt kommt natürlich eine weitere Komplexität dazu. Jetzt muss man auch da wieder schauen, wo kann man zusammenlegen, wer übernimmt dann die Führung bei den jeweiligen Produktentwicklungen. Aber die ganz große Herausforderung für den Konzern wird es jetzt natürlich auch noch sein, den asiatischen Markt zu erschließen, und ich denke, dass das auch ein wichtiger Aspekt bei diesem Zusammenschluss ist, weil sowohl PSA wie auch Fiat Chrysler sind in Asien und insbesondere auch in China nicht besonders stark. Auch wenn China im Moment ein bisschen holprig läuft, ist das natürlich einer der großen Zukunftsmärkte, und da muss das Unternehmen natürlich auch auf diese Märkte ausgerichtet werden.
"Es wird ein Kampf um Einfluss stattfinden"
Engels: Schauen wir noch etwas konkreter auf Opel. Schwarze Zahlen werden da im Moment geschrieben. Sie haben es angesprochen. Die IG Metall pocht nun auch weiter auf Eigenständigkeit für Opel. Kann es sein, dass in diesem Riesenkonzern am Ende aber die Marke Opel doch auf der Verliererstraße ist?
Diez: Ich würde das jetzt nicht zwangsläufig so sehen. Aber es ist klar, dass natürlich jetzt die Einbindung von Opel, die Fremdbestimmung, kann man natürlich auch sagen, von Opel noch mal zunimmt, weil man muss sich jetzt auch mit den Kollegen bei Fiat vor allem abstimmen, und da wird es sicher auch Ansprüche von Fiat geben, dass beispielsweise bestimmte Entwicklungen bei einzelnen Baureihen und Modellen in Turin angesiedelt werden und nicht unbedingt in Deutschland. Da wird sicher jetzt auch ein Kampf um Einfluss stattfinden, und es ist klar, dass Opel da möglicherweise auch an der einen oder anderen Stelle zurückstecken muss.
Engels: Schauen wir auf die deutsche Konkurrenz. Welcher der deutschen Autobauer muss diesen Zusammenschluss von Fiat Chrysler und PSA am meisten fürchten?
Diez: Ja, da ist die Antwort natürlich klar: Volkswagen. Denn vor allem auf dem europäischen Markt entsteht jetzt ein wirklicher Gigant, auch ein Unternehmen, das in der Lage ist, Volkswagen in praktisch allen Marktsegmenten Konkurrenz zu machen, die vor allem dann auch mit einer sehr guten Kostenstruktur die Chance haben, VW da unter Druck zu setzen.
Engels: Wie sind denn PSA und Fiat Chrysler auf dem Zukunftsmarkt E-Mobilität und generell neuer Alternativantriebe aufgestellt?
Diez: Ja, bislang schwach. PSA hat zwar Elektroautos im Angebot schon seit einigen Jahren, aber ist doch, wenn man es mit dem französischen Wettbewerber Renault vergleicht, da nicht ganz auf Augenhöhe. Das wird sicher auch ein Thema sein, was für beide Unternehmen jetzt in den nächsten Jahren stärker in den Fokus rücken wird. Wenngleich man natürlich sehen muss: Dadurch, dass beide Unternehmen eher im Bereich kleinerer Fahrzeuge stark sind, haben sie nicht die großen Probleme mit den Verschärfungen der Grenzwerte in Europa. Das heißt, sie müssen nicht zwingend so viele Elektroautos anbieten und verkaufen wie andere Konzerne, die ja Probleme bekommen mit den Grenzwerten, die wir in Europa haben und auch noch bekommen werden. Da wird sicher ein Entwicklungsschwerpunkt jetzt sein und da wird natürlich auch die spannende Frage sein, wer wird da den Lead, die Führung bei dem Thema Elektromobilität im Konzern haben. Vieles spricht dafür, dass das dann PSA selber sein wird.
Autonomes Fahren ist eine offene Baustelle
Engels: Als anderer großer Zukunftsmarkt im Bereich der Autobranche gilt ja autonomes Fahren und Datenvernetzung. Hier haben sich PSA und Fiat Chrysler bislang nicht hervorgetan. Wir haben es gerade auch noch mal im Beitrag gehört. Kann da ein Zusammenschluss helfen, oder treffen sich hier zwei Schwache, die nichts ausrichten können?
Diez: Ja, das ist tatsächlich auch eine offene Baustelle in diesem neuen Konzern, und möglicherweise muss man da auch stärker noch über die Branche hinaus sich Entwicklungspartner suchen, so wie das ja andere Automobilhersteller auch tun, die zum Teil mit Unternehmen wie Apple, Google und so weiter zusammenarbeiten, weil hier natürlich die spezifische Automobilkompetenz nicht ausreicht, um wirklich an der Stelle wettbewerbsfähig zu werden. Insoweit könnte jetzt dieser Zusammenschluss eigentlich schon der nächste Schritt sein, sich weitere Kooperationspartner außerhalb der Branche zu suchen, die hier mehr Knowhow haben, um in diesem Feld ebenfalls auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb zu kommen.
Engels: Machen wir einen Strich darunter. Wenn Sie all das zusammennehmen, glauben Sie, dass diese Fusion Bestand hat?
Diez: Ja, ich glaube, dass sie Bestand hat, weil vor allem für Fiat gab es keine Alternative, keine wirkliche Alternative mehr. Das Unternehmen braucht jetzt einen Partner und wird sicher auch sich an der einen oder anderen Stelle unterordnen müssen. Es ist, obwohl es das größte Unternehmen ist, der schwächere Partner, und ich denke, dass PSA die Führung übernimmt. Das ist ja auch so vorgesehen. Und insbesondere glaube ich auch, dass Carlos Tavares, der gezeigt hat, dass er so was kann, ein ganz starker Player sein wird in den nächsten Jahren und diesen Zusammenschluss auch erfolgreich meistern kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.