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Fußball-Bundesliga
Besonders hohes Verletzungsrisiko

In der Bundesliga fallen Spieler öfter verletzungsbedingt aus als in anderen europäischen Top-Ligen. Ein Grund dafür scheinen Defizite bei der ärztlichen Betreuung in den Vereinen zu sein.

Von Thorsten Poppe | 01.04.2018
    Eine rote Wärmflasche
    0,2 Ärzte gibt es statistisch pro Mannschaft in der Bundesliga. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    FIFA-Präsident Gianni Infantino will gerne die Klub-WM von sieben auf 24 Mannschaften aufstocken. Die UEFA verfolgt ihre Idee einer Global Nations League eine Art Mini-WM aller Kontinentalverbände im Zwei-Jahres-Rhytmus.
    Noch ist darüber nicht endgültig entschieden, aber die Kritik von Vereinsseite ließ nicht lange auf sich warten. Karl-Heinz Rummenige reagierte verärgert, weil er mit noch mehr Wettbewerben eine höhere Verletzungsquote bei seinen Spielern befürchtet:
    "Die Global Nations League ist wieder einmal der Beweis, dass kontinuierlich in den letzten 20 Jahren Wettbewerbe der Nationalmannschaften ausgedehnt werden. Die Bundesliga gibt es seit Jahr und Tag mit 18 Klubs. Die Champions League hat sogar mal eine Gruppenphase abgeschafft, damit weniger Belastung für die Spieler stattfindet. Ich muss offen und ehrlich sagen, ich sehe langsam die FIFA und die UEFA in einer Situation, dass sie, ich muss fast sagen, schamlos und aggressiv die Gesundheit der Spieler gefährdet."
    Enger Spielplan nicht zwangsläufig problematisch
    Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München stellt sich erst einmal schützend vor seine Spieler, die sein Verein letztendlich auch bezahlt. Doch einen wesentlichen Aspekt lässt Rummenigge bei dieser Diskussion unerwähnt: Ein enger Spielplan führt nicht zwangsläufig zu einer höheren Ausfallquote. So das Ergebnis einer neuen Studie, die unter anderem die Daten der UEFA "Elite Injury Study" auswertete.
    Sportmediziner Helge Riepenhof verglich darin die Ausfallzeiten von Spielern der vier stärksten Ligen in Europa – alle haben einen sehr unterschiedlich dichten Spielplan. Die Bundesliga schnitt dabei deutlich am schlechtesten ab: Pro Spieltag fehlten ihr im Zeitraum von Saisonbeginn bis zur Winterpause durchschnittlich 62 Profis:
    "Und das sind in England nur 57 Spieler, also doch ein großer Unterschied! Uns hat gar nicht interessiert, was für eine Verletzung die Spieler hatten. Uns hat eigentlich nur interessiert, wie lange fallen die Sportler aus. Und wenn man sich das dann im europäischen Vergleich anschaut, dann schneidet Deutschland schlechter ab als die anderen europäischen Ligen! "
    Am besten schneidet hier La Liga aus Spanien ab, mit durchschnittlich 47 verletzten Spielern pro Spieltag, gefolgt von der Serie A mit 55 Profis. Dazu kommt, dass die Bundesliga im Vergleich zu den anderen Ligen mit jeweils 20 Teams die wenigsten Spiele von Saisonbeginn bis zur Winterpause zu absolvieren hatte.
    0,2 Ärzte pro Mannschaft in der Bundesliga
    Deshalb betrachtete Sportmediziner Riepenhof die Arbeitszeiten von Mannschaftsärzten in diesen vier Top-Ligen Europas. So kam er auf erstaunliche Ergebnisse, die einen möglichen Ansatzpunkt dafür bieten, warum die Bundesliga bei Verletzungen im Vergleich zu den anderen Ligen hinterherhinkt:
    "Zum einen werden in der Bundesliga pro Mannschaft über zwei Ärzte beschäftigt. Also eigentlich eine gute Ausstattung im Vergleich zu anderen Ländern. In England ist es über ein Arzt, in Spanien sind es über 1,5, und in Italien sind es über zwei. Wenn man sich das allerdings genauer ansieht, und fragt, wie viel Prozent diese Ärzte tatsächlich im Verein verbringen, und wie viele Prozent die Ärzte zum Beispiel in ihrer eigenen Praxis oder im Krankenhaus verbringen, dann fällt auf, dass in Deutschland lediglich 0,2 Ärzte pro Mannschaft arbeiten, und das ist deutlich weniger als in allen anderen europäischen Ländern!"
    Führend bei dieser Statistik nach Arbeitszeit ist Italien mit 1,5 Ärzten pro Mannschaft, kurz dahinter folgen schon England und Spanien. In diesen Ligen arbeiten Ärzte auch Vollzeit bei einem Verein, und nicht wie in der Bundesliga ausschließlich in Teilzeit.
    Defizite müssen ernstgenommen werden
    Die Zahlen sind vor allem aus Sicht der Spieler kritisch zu beäugen. Schließlich können Wettkampfverletzungen negative Auswirkungen auf den Spieleinsatz, Marktwert, oder bevorstehende Vertragsverhandlungen haben. Deshalb sollte es im Interesse der Bundesliga sein, Sportverletzungen präventiv besser zu begegnen, fordert Ulf Baranowsky als Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV:
    "Die Ergebnisse der Studie lassen natürlich auf Defizite schließen, und müssen daher auch sehr ernstgenommen werden. Denn die Klubs haben einerseits eine große Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Spieler, und müssen auf der anderen Seite natürlich auch ein großes Eigeninteresse daran haben, dass die Spieler möglichst jederzeit topfit sind. Allein schon aus sportlichen und wirtschaftlichen Gründen."
    Die Orientierung der Bundesliga an ihrer europäischen Konkurrenz bietet jedenfalls weitaus höhere Chancen, die Spieler vor Verletzungen zu schützen, als ausschließlich an der Ausweitung internationaler Fußball-Wettbewerbe Kritik zu üben.