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Fußball-Bundesliga der Frauen
Vermarktung zweiter Klasse

Die Frauen-Bundesliga wird von ihren Medienpartnern teilweise stiefmütterlich behandelt. Spiele werden kurzfristig aus dem Programm genommen, Fans erst spät darüber informiert. Das schadet der Bundesliga, die ohnehin an Stellenwert verloren hat. Dabei gäbe es Wege für den DFB, das zu ändern.

Von Jessica Sturmberg | 10.10.2020
Bundesligaspiel von FC Bayern München Frauen gegen die TSG 1899 Hoffenheim am 30.05.2020 in München.
Die Frauen-Bundesliga leidet unter einer schleppenden Vermarktung, dabei stehen ihr die Medienpartner zuweilen im Weg. (imago / Eibner)
FC Bayern München gegen den SC Freiburg. In der 66. Minute fällt das entscheidende 1:0 – es ist das Topspiel des 3. Spieltages zu sehen Freitagabends im frei empfangbaren Sender von Eurosport. Für drei Spielzeiten läuft der Vertrag mit dem DFB noch bis zur Saison 21/22. Es soll ein regelmäßiges Angebot sein, ein Fixpunkt, auf das sich die Fans einstellen können – wie der Sender selbst betont.
Aber vergangene Woche läuft am Freitagabend auf dem Sender zunächst kein Fußball – sondern das Tennismatch zwischen Alexander Zverev und dem Italiener Marco Cecchinato. Das Spiel kann wegen einer Regenunterbrechung erst am Abend beendet werden und kollidiert damit zeitlich mit dem Spiel der Frauenbundesliga, Bremen gegen Hoffenheim.
Eurosport zeigt das Spiel erst nach dem Tennismatch in voller Länge. Doch bis das den Fans des Frauenfußballs klar wird, hat es eine ganze Weile gedauert, beklagt Fußballjournalistin Ellen Hanisch vom Podcast "Frauen reden über Fußball":
"Ich kann verstehen, dass bei Tennisübertragungen – es geht auch gar nicht darum eine Sportart gegen eine andere auszuspielen – also Tennisspiele sind ja unberechenbar lang ganz häufig, aber diese Kommunikation, dass da eine halbe Stunde lang Fans herumsuchen und nicht wissen, wo sie das Spiel gucken können."
"Beim Männerfußball würden die Leute aufs Dach steigen"
Eurosport erwähnt die Verschiebung während der Tennis-Liveübertragung zwar – in den sozialen Netzwerken informiert aber erst eine halbe Stunde nach Anpfiff der offizielle DFB-Twitter-Account über die Situation. Live verfolgen konnte an dem Abend die Partie nur, wer den kostenpflichtigen Kanal von Magenta-TV abonniert hat.
Hanisch sieht aber vor allem den DFB in der Pflicht, rechtzeitig zu kommunizieren, wo und wann Live-Übertragungen zu sehen sind. Es gibt zwar eine Seite auf der DFB-Homepage, auf diese angekündigt werden, aber…
"Es ist nicht immer klar, ob sie auch wirklich übertragen werden. Also es werden Live-Streams angekündigt und dann finden die aber teilweise gar nicht statt." Wie das Spiel zwischen den Pokalfinalistinnen der SGS Essen und Vizemeisterinnen FC Bayern München am vergangenen Sonntag. Laut DFB-Homepage hätte das Spiel von der ARD Sportschau übertragen werden sollen.
Doch die Sportschau teilt mit, dass eine Übertragung nie geplant war. Fans, die im Internet den Stream gesucht haben, konnten also gar nicht fündig werden. Das zeige exemplarisch, wie wenig ernst der Frauenfußball immer noch genommen werde, sagt Hanisch: "Wenn man sich jetzt vorstellt, das würde im Männerfußball passieren, dass ein Livestream angekündigt wird und dann findet das einfach nicht statt, denen würden die Leute aufs Dach steigen."
An der Sichtbarkeit der Frauen-Bundesliga mangelt es generell
Der DFB zeigt sich aufgrund der Kritik zumindest ein wenig selbstkritisch. Auf Anfrage des Deutschlandfunk schreibt der Verband: "Unser Anspruch ist, diese Information unmittelbar an die User weiterzugeben. Nicht immer ist uns das in der Vergangenheit gelungen. Daran arbeiten wir."
Die Rechtelage ließ es vergangenen Freitag nicht zu, das Spiel kurzerhand beim verbandseigenen Kanal DFB-TV live zu zeigen. Eurosport wiederum hätte das Spiel nach eigenen Angaben auch nicht kostenfrei auf den Streaming-Kanal heben können, da dieser generell nur für Bezahlangebote zur Verfügung steht.
Aber an der Sichtbarkeit der Frauen-Bundesliga mangelt es generell: Die ARD macht nur selten von ihrem Recht Gebrauch, jeden Spieltag eine Partie zu zeigen.
Das jeweilige Spiel müsste selbst produziert werden. Damit sich diese Investition lohnt, müsse es ein sportlich relevantes Spiel sein, das zudem zeitlich so angesetzt sei, dass es programmlich platziert werden könne, heißt es von der ARD. Ein Problem, findet die langjährige Nationalspielerin und heutige Assistenztrainerin beim Serien-Meister VfL Wolfsburg, Ariane Hingst:
"Ich glaube die Menschen, die da am längsten Hebel sitzen und die Entscheidungsträger sind, haben da nicht unbedingt das allergrößte Interesse. Ich weiß, dass es auch viele gibt, die für den Frauenfußball kämpfen und da auch Fortschritte sehen wollen, aber wenn die entscheidenden Personen zu wenig Interesse zeigen, dann hat man schwer Chance und ich finde, da muss man immer wieder von unten nach oben Druck machen. Das Interesse besteht und ich glaube, wenn man da weiterhin Druck macht, hat man hoffentlich Chancen, dass sich das auch mal verändern wird."
Alex Morgan und ihre Mitspielerinnen bei einer Gymnastikübung
Frauenfußball - Eine Liga, die Geld verdient
Vor der Saison haben die Vereine in der Women’s Super League personell stark aufgerüstet. Wirtschaftlich erscheint trotz Corona-Pandemie ein Silberstreif am Horizont. Denn die Premier League und zwei Investoren wollen in die WSL einsteigen.
Das Ausland ist schon weiter
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass auch dort längst professionellere Strukturen geschaffen werden. Die englische Women’s Super League bündelt alle Spiele in einer App des Verbands, schwärmt Fußballpodcasterin Ellen Hanisch:
"Ich gucke jetzt zum Beispiel auch englische Liga. Es gibt diese App, wo man sich ein Spiel aussucht –ein Spiel ist dann immer nicht verfügbar, das ist das, was von der BBC übertragen wird, aber sonst kann ich mir alle Spiele angucken, Kein Problem."
Zwar werden Partien auch oft nur aus einer Kameraposition gezeigt, aber Regelmäßigkeit, Zuverlässigkeit, Einfachheit bei den Übertragungen und Vermarktungen – das wäre auch hierzulande wichtig um Schritt zu halten, meint Ex-Nationalspielerin Ariane Hingst.
"Gerade weltweit sprechen alle über die englische Liga, weil da richtig die Post abgeht, weil die großen Vereine da richtig Geld investieren, weil marketingtechnisch da wahnsinnig viel läuft, weil der Verband vorhanden ist, weil eine ganz andere Sichtbarkeit herrscht."
VfL Wolfsburg gegen den Verein SC Sand
Frauen-Champions-League - "Männer-Klubs sind keine Erfolgsgarantie"
Die internationale Konkurrenz für die Fußball-Frauen des VfL Wolfsburg werde größer, sagt Ralf Kellermann im Dlf. Das zunehmende Engagement von Männerklubs im Frauenfußball sei aber keine Erfolgsgarantie, sagte der Sportdirektor.
Diese Sichtbarkeit sei für die Entwicklung entscheidend, aber Deutschland lasse derzeit viel Potential liegen, findet Hingst. Dabei sollte die Bundesliga den gleichen Anspruch haben und sich weltweit vermarkten.
"Und dann passiert wieder nichts"
Gerade jetzt in der Corona-Zeit sei die Nachfrage nach Übertragungen noch höher. Und es ist nicht immer nur das Geld, das Spielerinnen ins Ausland abwandern lässt. Es ist auch die Frage, wie ernst der Frauenfußball genommen wird, wie attraktiv er präsentiert wird. Es seien immer mehr, die sich woanders hin orientieren, berichtet Hingst aus eigener Erfahrung. Der VfL Wolfsburg hat gerade erst zwei Topspielerinnen ziehen lassen müssen, mit der Dänin Pernille Harder und der Isländerin Sarah Björk Gunnarsdóttir. Und das, obwohl die deutsche Liga noch immer als hochwertig angesehen wird.
"Es sind ja nicht nur ausländische Spielerinnen, die jetzt vielleicht ein bisschen weniger Interesse an der deutschen Liga haben. Es sind natürlich auch viele deutsche Spielerinnen, die das Abenteuern Ausland suchen nicht nur aufgrund der sportlichen Seite, sondern auch aufgrund von Vermarktungsseite", so Hingst.
Inwieweit die Sichtbarkeit als Voraussetzung dafür verbessert wird, dazu heißt es vom DFB:
"Wir führen intensive Gespräche mit unseren TV-Partnern, um die Liga sichtbarer zu machen und versuchen dabei, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Nicht immer decken sich dabei unsere Vorstellungen mit den Entscheidungen der Programmplaner der TV-Anstalten, wir versuchen dennoch gemeinsam einen Weg zu finden, mehr Spiele der Flyeralarm Frauen-Bundesliga ins TV zu bringen."
Aber ob sich da zeitnah tatsächlich etwas ändert, bezweifelt Fußballpodcasterin Ellen Hanisch. Alle sagten zwar immer, dass sie den Frauenfußball voranbringen wollen, aber "dann schieben sich dann DFB und der jeweilige Sender die Schuld dafür gegenseitig in die Schuhe und das führt dann dazu, dass einfach nichts passiert, dann weiß niemand, wer dafür verantwortlich ist und dann versandet die ganze Kritik und dann passiert wieder nichts."