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Fußball-Bundesliga
Neuverteilung der TV-Gelder in der Kritik

Die Deutsche Fußball-Liga DFL hat einen neuen Verteilerschlüssel für die TV-Gelder beschlossen. Ab kommender Saison 21/22 wird mehr Geld an die Clubs gleich verteilt. Der große Wurf sei dennoch nicht gelungen, kritisieren Fans - und auch einige Bundesligisten.

Von Thorsten Poppe | 12.12.2020
Bälle in der Fußball-Bundesliga
Die Haupteinnahmequelle der Bundesliga sind die Medienrechte. (Imago/SVEN SIMON)
Wie in einer Mathe-Stunde muss sich DFL-Chef Christian Seifert Anfang der Woche vorgekommen sein, als er die Neuverteilung der Bundesliga-Medienerlöse an die 36 Clubs auf einer Pressekonferenz präsentiert hat. Denn mehr als eine halbe Stunde referiert Seifert über Prozentangaben, Zahlen und unterschiedliche Rechenmodelle. Eine Revolution, auf die mancher gehofft hatte, verkündet Seifert aber nicht:
"Es ist nicht die Zeit für radikale Lösungen, sondern dass sich Zeiten für verlässliche Lösungen. Wo man aber dennoch Blick nach vorne wirft. Und am Ende, ich hatte es ja gesagt, wir haben ja gerungen, auch leidenschaftlich diskutiert. Ein solcher Beschluss ist auch immer ein Ergebnis von vielen Einzelentscheidungen, und die waren nicht immer einstimmig."
Christian Seifert, Sprecher des Präsidiums und Geschäftsführer der Deutschen Fuußball Liga (DFL). 
Christian Seifert, Sprecher des Präsidiums und Geschäftsführer der Deutschen Fuußball Liga (DFL). (dpa / Picture Alliance / Boris Roessler)
Letztendlich werden die 1,1 Mrd. Euro pro Saison in vier verschiedenen Säulen nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. In den Spielzeiten 21/22 und 22/23 wird etwas mehr als die Hälfte der Einnahmen über die Säule Gleichverteilung ausgeschüttet. Daraus erhalten die Vereine also denselben Betrag: jeder Bundesliga-Klub 25,5 Mio Euro pro Saison, Zweitliga-Klubs ca. 7. Mio Euro – etwas mehr, als es nach dem alten Verteilungsschlüssel der Fall wäre. Damit will die DFL den Clubs helfen, trotz der Nachwirkungen von Corona finanziell stabil zu bleiben.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass weiter fast die Hälfte der TV-Einnahmen über einem komplizierten Schlüssel nach sportlichen Kriterien an die 36 Vereine weitergegeben wird.
"Keine substanziellen Veränderungen"
Wer sportlich erfolgreich ist, bekommt also mehr Geld aus den TV-Töpfen, als die sportlich weniger erfolgreichen Konkurrenten. Und das kritisiert die Fanorganisation "Unsere Kurve", weil sie dadurch den sportlich fairen und integren Wettbewerb gefährdet sieht, erklärt Sprecher Thomas Kessen:
"Für uns ist das vom DFL-Präsidium präsentierte Ergebnis absolut enttäuschend. Wir können keine substanziellen Veränderungen erkennen. Das Leistungs- und Vermarktungsprinzip ist weiterhin vorherrschend, und bestehende Unterschiede werden im Grunde nur zementiert. Die marginale Erhöhung des Prozentsatzes in der Säule "Gleichverteilung" entpuppt sich letztlich als vorübergehende Corona-Hilfsmaßnahme, leider nicht aber als Einstieg in eine Veränderung des Gesamtsystems. Richtungsweisend wäre es gewesen einen Sockelbetrag von 75 Prozent anstatt nur 50 Prozent einzuführen, und diesen im Sinne eines integren Wettbewerbs gleichmäßig auf alle Vereine zu verteilen."
Leere Tribünen, eine Kamera vom Medienvermarkter Sportcast am Spielfeldrand.
Bundesliga-TV-Rechte - Probleme und Verluste bei der Auslandsvermarktung
Noch erlöst die DFL mit ihrer Tochter Bundesliga International eine Viertel Milliarde Euro in der Auslands-Medienvermarktung. Doch die Tendenz ist fallend: Medien berichten von einem Rückgang von 20 Prozent. Innovative Vermarktungsmodelle sollen dabei helfen, die Verluste zu minimieren.
Aber auch manche Bundesligavereine sehen den neuen Verteilerschlüssel kritisch. Schon im Vorfeld der Entscheidung hatte dies zu Spannungen innerhalb der DFL geführt. Mainz, Stuttgart, Augsburg und Bielefeld und die Mehrheit der Zweitligisten hatten eine deutlich höhere Gleichverteilung gefordert.
Mit diesem Vorschlag hätten diese Vereine den "Fehdehandschuh" geworfen, so Karl-Heinz Rummenigge vom Marktführer FC Bayern München. Und der Rekordmeister hat sich bei einem Treffen mit 14 anderen Bundesligisten deutlich gegen weitreichende Reformen gestellt. Der Kampf um‘s Geld war also hart. Und der Ausgang ist für den kaufmännischen Vorstand von Mainz 05, Jan Lehmann, einerseits ein Schritt in die richtige Richtung:
"Andererseits sehen wir es schon auch so, dass die Chance verpasst wurde, ein stärkeres Signal der Solidarität zugunsten eines faireren, sportlichen Wettbewerbs zu setzen. Insofern wird sich am eigentlichen Problem des Fußballs wenig ändern. Der sportliche Wettbewerb, das ist längst wissenschaftlich nachweisbar, wird noch vorhersehbarer. Die Bundesligatabelle ist am Saisonende weitestgehend das Abbild der eingesetzten, wirtschaftlichen Ressourcen der Clubs, nicht der wirklichen, sportlichen Leistung."
Zwei weitere Säulen
Immerhin: Die DFL hat noch zwei weitere Säulen etabliert. Erst drei, dann vier Prozent der Erlöse werden anhand der Nachwuchsförderung verteilt.
Und komplett neu ist die Säule Interesse. Hier werden auf Basis der Allensbacher-Markt und Werbeträgeranalyse die restlichen 2 bzw. 3 Prozent der Medienerlöse auf die Clubs verteilt. Bei einer Beispielerhebung für die vergangene Saison liegen der FC Bayern und Dortmund erwartungsgemäß an der Spitze, gefolgt von Schalke und dem HSV als erstem Zweiligisten.
Auch andere Clubs aus dem Unterhaus erzeugen höheres Interesse als manche Erstligisten: St. Pauli liegt in dieser Tabelle deutlich vor Vereinen wie dem VfL Wolfsburg, der TSG Hoffenheim und dem FC Augsburg.
"Und dass soll die Clubs stärker motivieren, als bisher, ihr gesellschaftliches Auftreten und damit die Attraktivität, indirekt die Attraktivität, auch für die Medienpartner in den Mittelpunkt der Überlegung zu stellen", hofft Christian Seifert.
Nachhaltiges Wirtschaften nicht berücksichtigt
Eine extra Säule für nachhaltiges Wirtschaften findet sich dagegen nicht. Dabei hat die Coronakrise deutlich gemacht, wie wenig die Bundesligavereine darauf setzen. Und wie schnell sie in akute Finanznot geraten sind.
Der frühere DFL-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser
Abgang von Christian Seifert - "Eine Frau? Das wär doch auch mal was für den Fußball"
Wolfgang Holzhäuser war nach der Jahrtausendwende eine treibende Kraft bei der Gründung der DFL und holte 2005 Christian Seifert in den Verband, der nun seinen Abgang für 2022 angekündigt hat. Für Seiferts Nachfolge hat Holzhäuser zwei Vorschläge: Es sollte jemand von außen sein – und möglicherweise eine Frau.
Die Diskussion aus dem Frühjahr über solideres Wirtschaften hat trotzdem keine große Rolle mehr gespielt. Obwohl es Vorschläge gibt, die sportliche Leistung in Relation mit den Ausgaben zu setzen. Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig hatte sich für so ein Modell eingesetzt:
"Also es ist ein Unterschied, wenn Hertha BSC in der abgelaufenen Saison 41 Punkte holt, dann holen die genauso viele Punkte wie Union Berlin. Aber sie haben viel mehr Geld eingesetzt, als Union Berlin. Deswegen müssen wir zu einer anderen Währung kommen. Wir müssen zu einer Leistungskomponente kommen. Nämlich Mitteleinsatz und das was dabei herausgekommen ist. Also wieviel Geld investiere ich, um einen Punkt zu erreichen?"
Der Geschäftsführer des FC St. Pauli, Andreas Rettig, steht in den leeren Rängen des Millerntor-Stadions
Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer (dpa/picture alliance/Revierfoto)
Ein solches Modell könnte aber erst bei der nächsten Verteilung eingeführt werden. Bis 2025 bleiben die sportlichen Gewinner auch die Gewinner an den Geldtöpfen.