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Fußball-EM ohne die Niederlande
Aus dem Desaster lernen

Bei der Fußball-WM in Brasilien waren die Niederlande Dritter. Jetzt sind sie erstmals seit 1984 nicht bei der Europameisterschaft dabei. Im Oktober war ihre Nationalmannschaft im Qualifikationsspiel gegen Tschechien ausgeschieden. Halb Europa ist jetzt bei der Euro dabei, während die Oranje nur zuschaut. Die Niederlande brauchen einen Masterplan für die Zukunft.

Von Melanie Last | 19.06.2016
    0:1 - Die Niederlande liegen im Oktober 2015 gegen Tschechien in der EM-Qualifikation zurück und scheitern schließlich.
    0:1 - Die Niederlande liegen im Oktober 2015 gegen Tschechien in der EM-Qualifikation zurück und scheitern schließlich. (imago sportfotodienst)
    "Wir haben keine besseren Spieler. Die Nationalelf gehört nicht mehr zu den Top-Mannschaften in Europa. Das ist schade."
    "Wenn die Niederlande mitspielen würden, würde ich die EM gucken. Aber so nicht."
    "Da wird auch gesagt, die verdienen ja einen Haufen Geld und sind nicht im Stande gewesen, uns zu qualifizieren."
    Es sollte ein Fest werden
    Es ist das Thema beim niederländischen SC Klarenbeek: Oranje nicht dabei bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. 24 Kinder- und Jugendmannschaften sind zu einem Turnier in das fußballverrückte Dorf bei Apeldoorn gekommen. Genauso viele Teams wie jetzt bei der EM. Es sollte ein Fest werden. Auch eine Einnahmequelle für den Verein, der rund 1.060 Mitglieder zählt.
    Im Vereinshaus mit eigener Gastronomie werden normalerweise die EM- und WM-Spiele übertragen. "Oranje" unter die letzten Vier, bringt das 12.000 Euro in die Vereinskasse. Die werden jetzt bitter fehlen, rechnet Gert van Bokhorst, Vorsitzender des SCK.
    "Nummer eins ist der Umsatz in der Gastronomie, Nummer zwei die Mitgliederbeiträge, Nummer drei die Sponsoren. Fast 50 Prozent unseres Etats macht die Gastronomie aus. Normalerweise hängen wir große Leinwände auf. Jetzt bleibt unser Vereinshaus geschlossen."
    Einnahmen bleiben aus
    So wie der SC Klarenbeek nehmen jetzt auch viele andere Fußballclubs und Bars im Land weniger Geld ein als sonst zu den Meisterschaften. Denn laut einer Umfrage der größten Tageszeitung des Landes "De Telegraaf" wollen 37 Prozent nichts mehr von der Europameisterschaft wissen. Der Fernseher bleibt aus, das Land farblos.
    Ganze Straßen sind normalerweise in Orange getaucht. Kaum ein Haus, das nicht geschmückt ist - mit Fahnen und Fähnchen, Wimpelketten und Girlanden. In diesem Jahr jedoch: Tristesse.
    "Es ist sehr enttäuschend für die Spieler, für mich und für die ganze Niederlande. Aber wir müssen nach vorn schauen. Und da geht es darum, dass wir uns für Russland qualifizieren. Das ist das neue Ziel."
    Mit einem Masterplan in die Zukunft
    Nationaltrainer Danny Blind nach dem Ausscheiden im EM- Qualifikationsspiel im vergangenen Oktober. "In die Zukunft schauen und daran arbeiten", das waren seither immer wieder Blinds Worte an die Presse.
    Diese "Zukunft" soll vor allem von einem brandneuen "Masterplan" geprägt werden. Und der setzt auf ein intensiveres Scouten junger Nachwuchsspieler, technisch versiert und mit großem Spielverständnis.
    Anderthalb Jahre hat der Königliche Niederländische Fußballbund mit fast 90 weltweiten Experten an diesem "Masterplan" gearbeitet. Darunter Trainer, Spieler, technische Direktoren. Und die gingen ehrlich ins Gericht mit der Nationalelf, benannten klar die Ursachen für den fehlenden Erfolg, erklärt Jelle Goes, technischer Manager beim KNVB.
    Spielsystem weiterentwickeln
    "Eigentlich habt ihr zu lange geglaubt, dass ihr auf Altbewährtes setzen könnt. Das habt ihr nicht weiterentwickelt. Man muss den nächsten Schritt tun. Man sollte sich an den modernen Fußball anpassen. Man muss neue Talente entdecken, erkennen und fördern. Aber auch das Spielsystem muss sich entwickeln."
    Ab Juli soll der "Masterplan" mit dem Titel "De Winnaars van Morgen", "Die Gewinner von Morgen", umgesetzt werden. Er sieht vor, dass der KNVB viel intensiver mit den Fußballvereinen zusammenarbeitet als bislang. Und zwar nicht nur mit den Proficlubs wie Ajax Amsterdam oder dem amtierenden niederländischen Meister PSV Eindhoven. Sondern auch und gerade an der Basis bei den Amateur-Vereinen. Genau das habe der Fußballbund in den vergangenen Jahren nicht nur vernachlässigt, sondern schlichtweg verpasst, so Jelle Goes.
    Von Deutschland lernen
    Andere Länder hätten es längst vorgemacht. So wie Deutschland. Dort hätte sich der KNVB jetzt viel abgeschaut. Und so sei klar: mit den Trainern müsse enger Kontakt gehalten, Jugendspieler während der Saison genauer beobachtet, Daten über sie gesammelt und ausgewertet werden.
    "... um zu gucken, ob die Spieler öfter und besser trainiert werden sollten und ob wir bessere Wettbewerbe organisieren können. Auch hier beim KNVB werden wir mehr mit unseren Top-Talenten trainieren. Für unsere Jugend-Nationalteams U15 bis U19 haben wir jetzt Extra-Trainingseinheiten eingeplant. Sie trainieren also öfter und besser, die Besten mit den Besten hier in Zeist, dem Sitz des KNVB."
    Keine Willensstärke, kein Verantwortlicher
    Hinzu kämen unter anderem Lehrgänge für Trainer und spezielle Kurse des KNVB. Sie sollen jungen Fußballern die Willensstärke vermitteln, die sie zum Siegen benötigen, sagt Jelle Goes. Das habe bislang gefehlt.
    Ebenso gefehlt hat in den vergangenen Jahren ein Technischer Direktor. Am Freitag endlich präsentierte der KNVB Hans van Breukelen.
    Er übernimmt das Amt. Der ehemalige National-Torhüter soll im Prinzip den "Masterplan" überwachen. Vor allem aber soll er sich um die Zusammenarbeit mit den Profi- und Amateurclubs kümmern und dafür sorgen, dass endlich eine neue, junge talentierte Fußball-Generation heranwächst.