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Fußball in Palästina
Tore für die Freiheitsbewegung

Auch Palästina nimmt an der Asienmeisterschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten teil. Obwohl die Anerkennung als eigenständiger Staat umstritten ist. Die Nationalmannschaft hat sich in den letzten 20 Jahren rasant entwickelt und belegt in der FIFA-Weltrangliste Platz 99 - trotz großer Einschränkungen.

Von Ronny Blaschke | 12.01.2019
    Palästinensische Fans schauen ein Spiel ihrer Mannschaft bei den Asienmeisterschaften.
    Palästinensische Fans verfolgen ein Spiel ihrer Mannschaft bei den Asienmeisterschaften (imago )
    Der 26. Oktober 2008 war ein historischer Tag für die palästinensischen Gebiete. Über zehn Jahre hatte die Nationalmannschaft Palästinas ihre Heimspiele aus Sicherheitsgründen im Ausland bestritten, nun feierte sie gegen Jordanien ihre Heimpremiere. Fast 7000 Zuschauer sahen das 1:1 in Al-Ram, einer Kleinstadt nordöstlich von Jerusalem. Mit dabei: der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter. Das Spiel verdeutlichte den Plan Palästinas, durch Sport Anerkennung zu erlangen, sagt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche von der Amerikanischen Universität Beirut.
    "Palästina ist noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen, hat nur Beobachterstatus, zählt nicht zu den 193 UN-Mitgliedsländern, aber hat sehr erfolgreich die Strategie entwickelt, Mitglied von internationalen Organisationen im Kultur- aber auch Sportbereich zu werden. Und seit 1996 nimmt es an den Olympischen Spielen teil und seit 1998 ist es FIFA-Mitglied. Und betrachtet dies als ein Zeichen der Staatlichkeit."
    Als Israel entstand, wurde der Sport politischer
    Die Anfänge liegen ein Jahrhundert zurück. Im britischen Mandatsgebiet Palästina übernahmen jüdische und englische Teams die prägende Rolle. Viele Araber islamischen Glaubens sträubten sich gegen den "westlichen Import" Fußball. In den aufkommenden Verbandsstrukturen Ende der 1920er-Jahre blieben sie außen vor.
    Als der Staat Israel entstand, wurde der Sport politischer. Palästinensische Nationalisten beschrieben den Fußball als Symbol für die "Stärke und Reinheit einer neuen Generation". 1962 formierte sich der Palästinensische Fußballverband. Der Durchbruch folgte erst 2008. An der Verbandsspitze stand Jibril Rajoub, der auch das Nationale Olympische Komitee leitet. Für den Publizisten James M. Dorsey, der den Fußball im Nahen Osten seit Jahren beobachtet, eine vielsagende Personalie.
    "Die politische Kontrolle des Fußballs ist offensichtlich. Jibril Rajoub saß jahrelang in israelischen Gefängnissen. Er ist seit langem Mitglied der palästinensischen Befreiungsorganisation. Rajoub war Geheimdienstchef, später wurde er Sicherheitsbeauftragter. Manche glauben, er könnte irgendwann Präsident der Autonomiebehörde werden. Die Basis für seine Ambitionen ist auch der Sport."
    Der palästinensische Verbandspräsident Jibril Rajoub
    Der palästinensische Verbandspräsident Jibril Rajoub (imago sportfotodienst)
    Spieler werden immer wieder an der Ausreise gehindert
    2008 lag der Etat des palästinensischen Fußballverbandes bei 870.000 Dollar, längst ist er zehnmal so groß. Die Belegschaft ist auf 30 Mitarbeiter gewachsen. Neue Stadien und Trainingsstätten wurden gebaut. Trotzdem stößt die Entwicklung an Grenzen. Immer wieder wurden Spieler an der Ausreise aus dem Gazastreifen gehindert, so konnte Palästina an einigen Qualifikationsspielen für Turniere nicht teilnehmen. 2009 wurde der palästinensische Stürmer Mahmoud Sarsak auf dem Weg zum Training von israelischen Beamten festgenommen, wegen Terrorverdachts. Er trat in den Hungerstreik und wurde nach einer internationalen Kampagne 2012 freigelassen. James M. Dorsey stellt fest:
    "Die Spieler können sich nicht frei bewegen. Es gibt zwei Fußballigen, im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Sie symbolisieren die Teilung der palästinensischen Bewegung. Geografisch, aber auch politisch, denn sie unterstehen unterschiedlichen Machtansprüchen. Und auch der Versand von Bällen, Paketen und Material wird oft verzögert."
    "Wir Palästinenser leiden, wir werden gedemütigt"
    Ob es um die die Festnahme von palästinensischen Spielern oder die Durchsuchung ihres Fußballverbandes geht: israelische Sicherheitsorgane beschreiben die Maßnahmen stets als Vorbeugung gegen Terror. Zeitweise sah es nach Entspannung aus. Sportler konnten bei Schwierigkeiten an Kontrollpunkten eine Hotline anrufen. Nationalspieler übernachteten in Trainingsstätten, um Zeit zu sparen.
    Ofer Eini, Präsident des Israelischen Fußball-Verbands, und Rotem Kamer, der Vorstandsvorsitzende, bei einer Pressekonferenz nach der Absage des Testspiels durch Argentinien.
    Ofer Eini (li,), Präsident des Israelischen Fußball-Verbands, nach der Absage des Testspiels durch Argentinien. (AFP / ACK GUEZ)
    Doch der Präsident des palästinensischen Fußballverbandes sah keine Fortschritte. Jibril Rajoub wehrte sich gegen Spiele israelischer Teams in Siedlungsgebieten und rügte die islamfeindlichen Gesänge der Fans von Beitar Jerusalem. Er stellte 2015 bei der FIFA einen Antrag auf den Ausschluss Israels aus dem Weltverband.
    Gegenüber dem Magazin Vice Sports sagte er damals: "Ich finde, dass die Israelis die Sache mit dem Holocaust - die natürlich niemand, der bei gesundem Verstand ist, gutheißen kann - nicht länger ausnutzen sollten, um anderen dasselbe zufügen zu können. Wir Palästinenser leiden, wir werden gedemütigt. Wir sehen uns einer rassistischen Politik vonseiten Israels ausgesetzt, die sogar vor dem Sport nicht Halt macht! Ich sage: Wer uns nicht das Recht einräumt, ohne Hindernisse und Schikanen Fußball zu spielen, wird auch niemals einen eigenen, unabhängigen palästinensischen Staat neben dem Staat Israel anerkennen. Lasst uns und unsere Kinder einfach nur Fußball spielen."
    Verbandspräsident wurde wegen Gewaltaufruf gesperrt
    Vor allem in Europa werden Aussagen wie diese als Verharmlosung des Holocaust gedeutet. Nach langen Vermittlungen, auch mit Beteiligung des Deutschen Fußball-Bundes, zog Jibril Rajoub seinen Antrag bei der FIFA zurück. Doch er nutzt den Fußballverband weiter als politisches Forum.
    Im Juni 2018 plante Argentinien ein Testspiel gegen Israel in Jerusalem. Der Status der Stadt ist zentraler Streitpunkt im Konflikt. Rajoub rief dazu auf, Trikots von Lionel Messi zu verbrennen. Das Spiel wurde abgesagt und Rajoub von der FIFA für ein Jahr gesperrt. Nun bei der Asienmeisterschaft möchte Palästina wieder durch sportlichen Erfolg auf sich aufmerksam machen.