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Fußball
Trainer-Talk zur Halbzeit-Pause

Zum Halbzeitpfiff beim Fußball geht es für die Spieler runter vom Platz und rein in die Kabine. Es beginnen 15 wichtige Minuten für den Trainer: die Taktik anpassen, Reaktion auf die erste Hälfte, die Elf neu einstellen. Was passiert da in der Kabine? Matthias Friebe mit einem seltenen Blick hinter die Kulissen.

Von Matthias Friebe | 03.10.2017
    Bundestrainer Jürgen Klinsmann feuert sein Team an
    Bundestrainer Jürgen Klinsmann feuert sein Team an (dpa)
    "Wenn wir in Ballbesitz sind, wenn wir den Capitano finden, dann müssen wir es breit machen. Schweini, dann musst Du raus an die Linie und dann von der Linie wieder reingehen, um Dich anzubieten."
    Meist sind es taktische Feinabstimmungen wie hier von Jürgen Klinsmann beim WM-Viertelfinale 2006 gegen Argentinien, die ein Trainer in den 15 Minuten in der Kabine vornehmen kann. 0:0 stand es damals zu diesem Zeitpunkt in Berlin. Wichtig jetzt in diesem enorm wichtigen und engen Spiel, die Konzentration oben zu halten und Kleinigkeiten neu einzustellen.
    Fußball-Trainer Hermann Gerland beim Taktik Talk im Deutschen Fussballmuseum Dortmund
    Fußball-Trainer Hermann Gerland beim Taktik Talk im Deutschen Fussballmuseum Dortmund (imago sportfotodienst / Rauch)
    Kein Harakiri zur Halbzeit
    Grundsätzlich ist ein Unentschieden zur Halbzeit für den Trainer eine gute Ausgangsposition, erklärt der langjährige Bundesliga-Spieler und –Trainer Hermann Gerland: "Ich muss nicht sofort Harakiri spielen, sondern ich spiele so weiter oder ich nehme einen Spieler vom Platz, der heute nicht gut in Form ist. Oder ich versuche die Taktik zu ändern, versuche aus einem 4-3-3 ein 3-4-3 zu machen in der Halbzeit."
    "Änderungen sieht man schon"
    "Wenn ein Trainer 4-3-3 auf 3-4-3 umstellt in der Halbzeit, dann siehst Du das. Dann ist die Grundordnung anders. Wenn es Kleinigkeiten sind wie: Geh mal zehn Meter weiter vor, dann brauch man schon ein bisschen. Aber grundsätzlich sieht man diese Änderungen schon." Dafür braucht es aber einen geschulten Blick wie den von Tobias Escher. Der Taktik-Experte misst der Halbzeitpause eine enorme Bedeutung zu: "Das ist das Schöne am Fußball. Es gibt diese eine fünfzehnminütige Halbzeit und Du weißt auch, dass da etwas passiert in der Kabine. Es ist nicht wie bei anderen Sportarten, wo es Time-Outs gibt. Du weißt, der Trainer hat denen irgendetwas mitgegeben und irgendetwas wird sich tun da. Und sei es, der Trainer hat nur gesagt, macht genauso weiter. Dann siehst Du es ja auch."
    Tonart nach Spielstand
    Wie eine Kabinenansprache ausläuft, ob laut und wütend oder bedächtig und mahnend oder ganz einfach motivierend, hängt natürlich vom Spielstand ab. "Wenn Du hinten liegst, dann musst Du natürlich sagen: 'Wir haben jetzt noch 45 Minuten Zeit, das Spiel umzubiegen. Wenn wir jetzt noch einen kriegen, noch ein Tor fangen, dann sind wir erledigt.' Also müssen wir aufpassen, dass wir hinten gut stehen, aber wir müssen mehr Aktivität nach vorne entwickeln." Erklärt Hermann Gerland die Grundprinzipien einer Halbzeitansprache. Ganz anders dagegen, wenn er mit seiner Mannschaft beispielsweise 3:0 führt. Dann würde er so etwas sagen wie: "Jungs, passt auf, dass wir kurz nach der Halbzeit keinen kriegen. Und wenn wir am Mittwoch dann wieder ein Spiel haben, dann musst den jungen Leuten wie David Alaba sagen: David, wir haben Mittwoch ein Spiel, ein Gang zurück. Spiel ein bisschen mit Augen und Köpfchen."
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    Pep Guardiola beim Training mit den Bayern-Spielern (Bild: picture alliance / dpa / nph / Straubmeier) (picture alliance / dpa / nph / Straubmeier)
    "Pep hat alles durcheinander gewirbelt"
    Der Chef des Nachwuchsleistungszentrums des FC Bayern München hat aber in seinen Jahren als Co-Trainer auch einen Cheftrainer erlebt, den er nicht nur außerordentlich schätzt, sondern der einiges anderes gemacht hat: "Pep hat in jeder Halbzeit, egal ob wir 3:0 geführt haben oder es 0:0 stand, alles durcheinander gewirbelt. Innerhalb von drei Minuten hat er die ganze Tafel bewegt und alles anders gemacht und es hat trotzdem wieder hingehauen. Also das war schon einmalig, aber das muss man auch können."
    Effektivität die große Kunst des Trainers
    Und das ist die große Kunst des Trainers. Die 15 Minuten effektiv zu nutzen, die eigenen Spieler nicht zu überfordern und im besten Fall besser eingestellt als vorher wieder auf den Platz zurückzukommen. Der DFB rät seinen Trainern deshalb in der Ausbildung: "Die Aufnahmefähigkeit während der Halbzeit ist begrenzt. Umso wichtiger ist es also, dass die relevanten Informationen verständlich übermittelt werden. Bei allen Beobachtungen und Erkenntnissen der ersten 45 Minuten muss der Trainer sich fragen, welche den größten Nutzen für die zweite Hälfte haben."
    Effektivität ist das Gebot für die Halbzeit. Auch hier hat die absolute Professionalisierung Einzug gehalten. Die Zeiten der schreienden Rumpelstilzchen in der Kabine und der Donnerwetter scheinen der Vergangenheit anzugehören: "Ich war zu aggressiv in meiner Zeit als Trainer in der Halbzeitpause. Jetzt bin ich etwas ruhiger und gelassener geworden."