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G20-Vandalismus
"Auf jeden Fall seinen Schaden melden"

Ausgebrannte Autos, geplünderte Geschäfte - den Opfern der Krawalle rund um den G20-Gipfel wurde von der Politik Hilfe zugesichert. Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt dennoch, Schäden zunächst beim Versicherer melden. "Wenn die sich querstellen, sollten sie sich bei den Verbraucherzentralen melden", empfahl Becker-Eiselen im Dlf.

Kerstin Becker-Eiselen im Gespräch mit Stefan Römermann | 11.07.2017
    Ausgebranntes Auto in Hamburg
    Je nach Schadensart sind unterschiedliche Versicherungen zuständig. (dpa / Friso Gentsch)
    Stefan Römermann: "Welcome to Hell" – so war eine Demo am Rande des G20-Gipfels überschrieben, die dann außer Kontrolle geraten ist. Die Demonstranten, die wollten wohl den Politikern ein infernalisches Willkommen bereiten, doch die Hölle waren diese Krawalle und Ausschreitungen wohl vor allem für die Anwohner. Am Telefon ist jetzt Versicherungsexpertin Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Frau Becker-Eiselen, haben sich denn bei der Verbraucherzentrale schon die ersten betroffenen Bürger gemeldet?
    Kerstin Becker-Eiselen: Bisher haben wir wenig Rückmeldungen. Das liegt aber sicherlich daran, dass bisher noch nicht allzu viel passiert ist. Ich gehe davon aus, dass sich viele melden werden, wenn es vielleicht Probleme bei der Abwicklung gibt.
    Römermann: Welche Versicherungen sind denn eigentlich bei diesen typischen Schäden zuständig? Wo müsste ich mich erst mal melden?
    Becker-Eiselen: Gehen wir mal von diesen zunächst anfänglichen Bildern aus, dass ein Auto brennt. Das ist ein Fall für die sogenannte Teilkasko-Versicherung des Kfzs. Dort würden alle Schäden des Brandes gezahlt werden. Wenn das Auto auf andere Weise demoliert worden ist, es Schäden von Vandalismus vorzeigt, dann ist es ein Fall für die Vollkasko-Versicherung. Lediglich wenn es nur Reifenschäden gibt, sagen wir mal, da sind die Reifen nur aufgestochen worden, dann bleibt man auf diesen Schäden sitzen.
    Römermann: Schäden am Gebäude, wenn beispielsweise jetzt Brandsätze bei mir ins Haus geflogen sind, was ist damit?
    Becker-Eiselen: Brandschäden am Gebäude, dafür ist die Wohngebäudeversicherung zuständig. Aber man muss bedenken, wenn es reinfliegt, dass in erster Linie der Hausrat möglicherweise betroffen ist, und die Hausratversicherung würde in diesen Fällen tatsächlich nicht zahlen, weil sie für Beschädigungen von außen eigentlich eine Einbruchdiebstahl-Versicherung ist, und ein Einbruch liegt ja dann in dem Fall nicht vor.
    Römermann: Es gibt ja in vielen Versicherungsverträgen auch noch eine Klausel, die heißt, dass es keine Zahlung gibt bei inneren Unruhen. Könnten sich die Versicherer damit womöglich auch rausreden und Leistungen verweigern?
    Becker-Eiselen: Das bleibt abzuwarten. Es gibt keine Definition von inneren Unruhen und es gibt eine bunte Rechtsprechung zu diesem Thema. Wir haben eine Rechtsprechung aus den 70er-Jahren, die die Versicherer heranziehen. Da haben sich die Verhältnisse sicherlich sehr geändert. Das wird man nicht eins zu eins auf heutige Zeiten übertragen können. Es gibt eine andere Entscheidung aus den 80er-Jahren, Ende der 80er-Jahre.
    Da hat man innere Unruhen wiederum bei durchaus vergleichbaren Schäden abgelehnt. Wir kennen alle die Bilder von 1. Mai Randalen und Bränden und Barrikaden; auch da ist unseres Wissens bisher nicht davon ausgegangen worden, dass es innere Unruhen sind. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte entscheiden. Aber die ersten Versicherer haben angekündigt, dass sie sich nicht darauf berufen wollen.
    Schaden zunächst beim Versicherer melden
    Römermann: Die Politik hat ja schon angekündigt, betroffene Bürger auch im Zweifelsfall zu entschädigen. Wie läuft das? Ist trotzdem zuerst die Versicherung mein Ansprechpartner, oder sollte ich gleich irgendwo beim Senat mich melden? Wie funktioniert das?
    Becker-Eiselen: Das wissen wir nicht genau. Wir gehen davon aus, dass man sich auf jeden Fall bei seinem Versicherer melden sollte und auf jeden Fall seinen Schaden anmelden sollte. Wir wissen nicht, wie die Übereinkunft und Schadensregulierung dann zwischen dem Hamburger Senat und der Bundesregierung ausgehandelt dann aussehen wird. Insofern auf jeden Fall erst mal die Schäden beim Versicherer melden. In welcher Höhe und wie dann reguliert wird, das bleibt abzuwarten.
    Römermann: Ist das dann in der Regel so? Solche Fälle, dass die Bundesregierung oder Landesregierungen zahlen, gab es ja auch beispielsweise bei Hochwassern. Zahlt dann die Bundesregierung an die Versicherungen am Ende das Geld zurück, oder wie funktioniert so etwas?
    Becker-Eiselen: Im Moment, das was ich jedenfalls den Medien entnehmen konnte, ging es um direkte Zahlungen an die Verbraucher und an die Geschädigten. Es ging da nicht um Zahlungen an die Versicherer. Es ging um die Personen, die hier leer ausgehen, das heißt, die möglicherweise keine Versicherung haben. Man kann sich vorstellen: Man hat ein Fahrzeug, das ein bisschen älter ist, und das hat keine Teilkasko- und keine Vollkasko-Versicherung und ist aber trotzdem jetzt hin, und für denjenigen ist das vielleicht aber ein ganz wertvolles Auto, und auch der braucht eine Entschädigung und das wäre Aufgabe des Staates an dieser Stelle.
    Ombudsmann für Versicherungen als Ansprechpartner
    Römermann: Was raten Sie Verbrauchern, wenn sich jetzt die eigene Versicherung querstellt, gleich zum Staat gehen, oder doch erst mal noch die Versicherung in die Pflicht nehmen?
    Becker-Eiselen: Wenn die sich querstellen, sollten sie sich bei den Verbraucherzentralen melden. Es gibt einen Ombudsmann für Versicherungen. An den kann man sich auch vielleicht zunächst mal wenden. Vielleicht gibt es da auch eine vergleichsweise Regelung, die möglich ist. Das ist sehr schwer vorauszusagen, wer in welcher Höhe das tatsächlich ablehnen wird und wie man dann reagiert. Aber das sind erst mal die grundsätzlichen Möglichkeiten, die man hat.
    Römermann: Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.