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G7-Gipfel
"Der Ball ist im Spielfeld von Griechenland"

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat das Verhalten der griechischen Regierung nach den jüngsten Reformverhandlungen kritisiert. Die Bereitschaft, "nur minimal einen Eigenbeitrag zu leisten", sei nicht vorhanden, sagte er im DLF. Griechenland dürfe den Gläubigern nicht die Bedingungen diktieren.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Bettina Klein | 08.06.2015
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen.
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen. (Imago / Müller-Stauffenberg)
    Alle Institutionen und Gläubiger hätten sich zusammengerauft und ein gutes Angebot gemacht, so Röttgen, nur um dann von Griechenlands Ministerpräsident Tsipras abgekanzelt zu werden. Die Zeit werde immer knapper, Griechenland müsse liefern. "Wir wollen die Eurozone zusammenhalten," sagte Röttgen. Die Bereitschaft der Gläubiger und politischen Partner, Griechenland wieder auf die Beine zu helfen, sei groß. "Die Einigkeit in Europa, innerhalb des Westens herzustellen, ist das strategische Gut, dass wir immer erreichen müssen."
    Deutliche Aussprache über NSA-Affäre
    Röttgen unterstützte den Ausschluss Russlands vom G7-Gipfel, schloss aber eine Rückkehr zur G8 nicht aus. Sobald Russland sich wieder als kooperativer Partner zeige und nicht mehr mit dem Mittel der Aggression agiere, könne es wieder die G8 geben.
    Bezüglich der NSA-Affäre rechnet Röttgen damit, dass Deutschland auf dem G7-Gipfel mit den USA "Tacheles" reden werde. Eine Klärung sei in beiderseitigem Interesse.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Perfekte Szene, wunderschöne Bilder bei bestem Wetter zumindest gestern Vormittag. Am Telefon mitgehört hat Norbert Röttgen (CDU). Er ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Röttgen.
    Norbert Röttgen: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Beginnen wir mal, um es ein bisschen konkreter zu machen, mit dem zuletzt genannten Punkt. Juncker hat sich sehr ungehalten gestern Richtung Griechenland gezeigt. War das jetzt eigentlich nur eine emotionale Äußerung nach Ihrem Eindruck, oder heißt das etwas? Heißt das, da wird der Druck Richtung Athen offensichtlich doch verschärft, und zwar nicht nur bei den G7-Staaten?
    Röttgen: Es heißt etwas nach meiner Einschätzung und es ist auch zugleich emotional. Ich glaube aber nicht, dass man davon sprechen kann, dass der Druck verschärft wird, sondern es haben sich ja alle Institutionen und Gläubigereinrichtungen zusammengesetzt und zusammengerauft und noch mal ein wirklich sehr gutes Angebot an die griechische Regierung gemacht. Darüber wurde auch gesprochen. Und dann hat ja Herr Tsipras im griechischen Parlament diese Vorschläge, über die er selber gesprochen, auch gesagt, ich werde auch dann andere Vorschläge noch mal einreichen, als absurd abgekanzelt. Und das, glaube ich das bezeugt, dass die Bereitschaft, vielleicht die Fähigkeit der griechischen Regierung, auch nur minimal einen Eigenbeitrag zu leisten, jetzt über eine lange Strecke und auch nach einem solchen Angebot, das als ein sehr gutes Angebot aufzufassen ist, nicht vorhanden ist, und die Zeit wird immer knapper, dass Griechenland etwas liefert. Das ist insofern ein Sachverhalt, der gerade bei denen - und das sind ja die aller meisten -, die Griechenland drin halten wollen, aus politischen, geopolitischen Gründen vor allen Dingen, auch für große Enttäuschung sorgt.
    Klein: Herr Röttgen, das was Sie gerade skizziert haben, der Auftritt im Parlament, das war Freitagabend. Wir haben am nächsten Tag, am Samstag auch noch einmal gehört, wie groß der Unmut in Teilen des Bundestages, in Teilen Ihrer Fraktion ist, dass man offenbar vor weiteren Zahlungen jetzt doch noch einmal eine Bundestagsentscheidung dazwischenschieben möchte. Um dabei noch mal kurz zu bleiben: Gehen Sie davon aus, dass es dazu kommen wird?
    Reformbemühungen sind das Zentrale
    Röttgen: Das hängt ja von dem weiteren Verlauf ab. Ich glaube, alles hängt nun daran, dass auch Griechenland einen Beitrag erbringt, um sich zu einigen. Die Themen sind doch völlig klar. Das sind eben auch Reformbemühungen, die dazu führen, dass Primärüberschüsse, Überschüsse im Haushalt nach den Zinszahlungen und Schuldendienstleistungen vorhanden sind. Die sind reduziert worden. Darauf, glaube ich, kommt es jetzt an. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass sich alle Beteiligten, der IWF, die EZB, die Kommission, die deutsche Regierung, geeinigt haben, und diese Einigkeit ist auch in dieser Frage extrem wichtig, und das bestimmt jetzt das weitere Verhalten. Der Ball ist jetzt im Spielfeld von Griechenland, keine Frage.
    Vertrauen ist durch Griechen beeinträchtigt worden
    Klein: Der griechische Finanzminister ist heute in Berlin. Er wird, wie wir in den vergangenen Tagen hörten, am Vormittag mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble zusammentreffen. Wissen Sie, was das Ziel dieses Gesprächs ist?
    Röttgen: Das Thema und das Ziel ist ja immer das Gleiche. Wir wollen die Eurozone zusammenhalten. Dazu gibt es auch eine große Bereitschaft der Gläubiger Griechenlands oder der politischen Partner in der Eurozone und der Europäischen Union, dort ist Griechenland Mitglied, etwas zu tun, Griechenland zu helfen, auf die eigenen Beine zu bringen, große Anstrengungen, die bereits erfolgt sind, die fortgesetzt werden sollen. Aber das setzt auch die eigene Bereitschaft der griechischen Regierung voraus, auf die eigenen Beine zu kommen und nicht nur denjenigen, die Solidarität geben, die Bedingungen diktieren zu wollen. Das kann nicht funktionieren, sondern es braucht auch eigene Reformanstrengungen im eigenen Land, bei der Mehrwertsteuer, bei den Themen Steuern, Pensionen, Staat, Bürokratie, die gesamten Bereiche. Und es ist leider auch in den vergangenen Monaten - das war jetzt auch wieder in der letzten Woche so - Vertrauen nicht nur nicht aufgebaut worden, sondern durch das Verhalten der Regierung auch beeinträchtigt worden.
    Klein: Stichwort Vertrauen, Herr Röttgen, um da mal kurz einzuhaken. Wir haben, um bei dem Namen Schäuble mal kurz zu bleiben, in den vergangenen Tagen auch gehört, dass sich einiger Unmut beim deutschen Finanzminister aufgebaut hat und dass es zumindest hinter den Kulissen so eine Art Dissens, wenn auch nur gefühlten Dissens im Verhältnis zur Kanzlerin gegeben hat. Das alles ist natürlich sofort vor den Kulissen dementiert worden. Aber mal Hand aufs Herz: Wird da auch mit verteilten Rollen gespielt und hat das möglicherweise noch mal ein Spaltpotenzial innerhalb der Bundesregierung?
    Röttgen: Weder das eine, noch das andere. Ich glaube nicht, dass man mit verteilten Rollen spielen kann, oder dass irgendetwas gespalten ist. Es sind die Bemühungen von allen. Sie haben eben von Jean-Claude Juncker gesprochen, heute Varoufakis mit Schäuble, Frau Merkel als Bundeskanzlerin hat die Initiative ergriffen, die eben genannten Institutionen zusammenzubringen, wie in anderen Fragen auch, vielleicht reden wir noch über Russland. Die Einigkeit in Europa, innerhalb des Westens herzustellen, das ist, glaube ich, das wirklich strategische Gut, das wir immer erreichen müssen. Das macht es aus und daraufhin hat die Bundeskanzlerin es hingeführt mit all den europäischen und internationalen Institutionen. Ich glaube, das ist absolut der richtige Weg zu zeigen, wir wollen das. Aber auch Griechenland muss einen Teil liefern, und das ist, glaube ich, auch der richtige unbestrittene Kurs in der Regierung.
    G7 wird G8, wenn Putin wieder kooperativer Partner ist
    Klein: Auf der G7-Ebene ist man auch dafür, Griechenland in der Eurozone drinzuhalten. Da stehen nicht zuletzt auch strategische Fragen im Vordergrund. Aus Sicht der Amerikaner ist es auch aus diesem Grund wichtig, Griechenland bei den Euroländern dabeizuhalten. Russland war gestern auch ein Thema. Sie haben es gerade kurz angesprochen. Wladimir Putin ist nicht dabei gewesen. Inzwischen gibt es offenbar keine Aussicht mehr, dass man zurückkehrt zu G8. Stehen Sie da uneingeschränkt hinter dieser Entscheidung?
    Röttgen: Ich würde es nicht so apodiktisch formulieren. Meine Formulierung etwa wäre: Sobald Putin, Russland unter Putin zurückkehrt dazu, ein kooperativer Partner in der internationalen Politik zu sein und nicht mehr das Mittel von Aggression und Gewaltanwendung zur Durchsetzung eigener nationaler Ziele anwendet, wird aus G7 wieder G8 werden. Das ist ja vor 15 Jahren so beschlossen worden. Aber die G7 oder G8 lebt auch von einem Minimalkonsens der sieben Demokratien, die es jetzt sind. Man wollte es ja unbedingt erweitern, um Russland dabei zu haben. Und der Minimalkonsens ist, dass man die internationale Gemeinschaft, die ja in derartigem Chaos und Unordnung ist, versucht, im Sinne von Kooperation, Friedlichkeit, Konfliktlösung zu gestalten. Und insofern ist es jetzt geradezu der Sinn von G7, gegenüber Russland eine gemeinsame Position zu beziehen, und wenn es dort wieder zu Friedlichkeit und Kooperation kommt, dann, glaube ich, wird sich das auch wieder ändern, vorher allerdings nicht. Solange die Gründe für die Aussetzung der Mitgliedschaft noch vorliegen, wird es auch dabei bleiben, ja.
    Klein: Wie wäre es denn mit einem Zwischenschritt? Man nennt das Ganze nicht schon wieder G8, lädt aber Wladimir Putin trotzdem ein, denn reden ist auch im Blick auf Russland sicherlich besser als schießen.
    Röttgen: Absolut und es wird darum ja auch geredet auf den unterschiedlichsten Ebenen. Aber ich glaube oder ich halte es für ganz wichtig, auch politisch keinen Zweifel daran zu lassen, dass dieser neue Ansatz von Wladimir Putin, den er seit gut einem Jahr praktiziert, nicht akzeptiert wird, dass die Völkergemeinschaft, jedenfalls diese Institution innerhalb der Völkergemeinschaft, die G7, eine informelle Gruppierung, dass die das nicht akzeptiert. Putin wendet militärische Machtmittel an und wir reagieren darauf nicht militärisch, sondern nur politisch und ökonomisch, aber das müssen wir darum auch mit Geschlossenheit und Klarheit tun. Ich glaube auch, dass wir nicht ernst genommen würden, wenn er die Grundprinzipien des Völkerrechts verletzt, und wir sagen jetzt, dann reden wir mal darüber. Ich glaube, dann muss man sagen, das ist eine Grenze, die überschritten wird, die nicht akzeptiert wird.
    Klein: Herr Röttgen, auch dem US-Präsidenten Barack Obama ist es sehr darum gegangen, gestern Führungsstärke gegenüber Russland zu zeigen. Das ist durchaus auch Journalisten in Hintergrundgesprächen deutlich gemacht worden, dass das ein Ziel der US-Regierung dabei sei. Wir haben gestern Vormittag wunderschöne Bilder aus Bayern sehen können und es wurde sehr stark auch die Harmonie zwischen Merkel und Obama in den Vordergrund gestellt. Das war auch alles sehr schön dort anzusehen. Auf der anderen Seite ist die Frage, wie die Kritik aufgefangen wird, die bei vielen Deutschen entstanden ist über die NSA-Affäre. Wir haben jetzt von der Kanzlerin gehört, das hat auch hinter verschlossenen Türen keine Rolle gespielt. Werden sich die Deutschen mit Lederhosen darüber hinwegtrösten lassen, dass sie sich - und das ist jetzt ein Zitat - wieder einmal als Vasallen fühlen, denn auch dieses Wort ist gefallen im Zusammenhang mit der NSA-Affäre?
    Meinungsverschiedenheiten zur NSA sind angesprochen worden
    Röttgen: Der Sinn dieses Treffens G7 - und das findet ja jährlich statt, nur dieses Mal in Deutschland - besteht ja gerade darin, offen über viele Stunden miteinander zu sprechen, am Ende auch gegenüber Herausforderungen gemeinsame Positionen zu finden, aber auch die Meinungsverschiedenheiten auszusprechen, in der Runde in bilateralen Gesprächen deutlich zu werden, auch mal Tacheles zu reden, gerade ein solches Forum zu schaffen, wo man miteinander redet, nicht nur für zwei Stunden einfliegt, sondern für eine längere Zeit. Darum bin ich ganz, ganz sicher, dass diese Meinungsverschiedenheit mit den USA, NSA, wie auch andere Meinungsverschiedenheiten, die existieren, nicht nur im Verhältnis zu den USA - wir sind leider nicht immer einer Meinung -, dass die deutlich angesprochen worden sind, weil es ja im beiderseitigen Interesse ist, diese Belastung im Laufe der Zeit zu beseitigen.
    Klein: Wir haben gestern von der Kanzlerin was anderes gehört, aber vielleicht haben Sie Recht und es ist dennoch thematisiert worden und es ist der Öffentlichkeit aber nicht mitgeteilt worden. - Norbert Röttgen war das, der Vorsitzende vom Auswärtigen Ausschuss im Deutschen Bundestag, er gehört der CDU an, heute Morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Interview.
    Röttgen: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.