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G7-Gipfel in Krün
Wie sich ein Dorf vor Randale schützen will

Der G7-Gipfel findet in diesem Jahr auf Schloss Elmau im bayerischen Krün statt. Da das Treffen der Staats- und Regierungschefs höchstwahrscheinlich Proteste mit sich bringen wird, sind die knapp 2.000 Einwohner des Örtchens besorgt. Ihre Gedanken kreisen schon jetzt um Versicherungen und Schadenersatz.

Von Michael Watzke | 02.04.2015
    Demonstranten mit schwarzen Kapuzen und Schals, im Hintergrund brennt ein Polizei-Auto
    Brennende Autos auf Almenwiesen? Die Bürger der umliegenden Bergorte sind verängstigt angesichts solcher Szenarien. (dpa/Arne Dedert)
    Gerd Przybylla hat die Nase voll. Der Immobilienmakler aus Krün bei Schloss Elmau zieht um.
    "Um diesem ganzen Theater um den G7-Gipfel zu entfliehen, das sich über Monate erstrecken wird, und wir noch einen weiteren geschäftlichen Einbruch haben werden, ziehen wir von Krün nach Mittenwald."
    Dort hat Przybylla, ein zugereister Wahlbayer aus dem rheinischen Kleve, ein etwas abseits gelegenes Ladenlokal gemietet. Das sei "pflastersteinsicher".
    "Ich hab' keine Sorgen wegen kaputten Scheiben, Fenster, Krawall und Theater, was hier alles entstehen wird. Ich brauch' keine Extra-Versicherung abschließen, wie man uns empfiehlt. Das ist ja schon wieder paradox: Wir sollen die Kosten tragen für dieses Theater, das mit dem G7-Gipfel entsteht."
    Moment. Hatte nicht Horst Seehofer persönlich versichert: "Kein Bürger wird auf seinem Schaden sitzen bleiben?" Przybylla ist nicht wirklich überzeugt von der Vertrauenswürdigkeit des bayerischen Ministerpräsidenten.
    "Das Vertrauen in die Politik haben wir schon längst verloren. Bei jedem Hochwasser läuft irgendeiner von unseren Prominenten mit seinen Gummistiefeln über den Deich und erzählt: 'Kein Problem, wir zahlen alles.' Das ist nicht so."
    Das sehen die meisten Bürger von Krün ähnlich. Sie stimmen derzeit ab - nicht mit den Füßen, sondern mit Policen. Der örtliche Versicherungs-Vertreter macht das Geschäft seines Lebens. Sogar der Bürgermeister von Krün, Thomas Schwarzenberger, rät den 2.000 Einwohnern ...
    " ... sich mit seinem Versicherungsvertreter in Verbindung zu setzen. Die einen regeln Vandalismusschäden und 'innere Unruhe', und die anderen nicht."
    "Innere Unruhe" – dieser versicherungstechnische Begriff meint "gewaltsame Ausschreitungen". Er beschreibt aber auch den Gemütszustand der Bürger rund um das G7-Tagungshotel "Schloss Elmau". Eine innere Unruhe spürt zum Beispiel Garmisch-Partenkirchens Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer. Die fühlt sich seit den EZB-Krawallen in Frankfurt ...
    " ... erstmal nicht gut. Da mach' ich gar kein Hehl draus. Das war ein neuer Gewaltausbruch. Solche Eruptionen haben wir die letzten Jahre gar nicht mehr gesehen. Da war ich schon erschrocken. Und dann überträgt man das automatisch auf die Situation, die wir jetzt vor uns haben."
    Die Bürger der kleinen Bergorte fürchten sich vor brennenden Autos auf Almenwiesen und Molotowcocktails auf Lüftlmalereien. Denn die G7-Gipfel-Gegner haben Demonstrationen vor Ort angekündigt. Sie fordern, dass die umliegenden Alpen-Gemeinden ihnen Platz für ein angeblich friedliches Protest-Camp zur Verfügung stellen. Das aber sieht der bayerische Innenminister Joachim Herrmann gar nicht ein.
    "Das ist das Problem, das die Demonstranten selber haben. Ich bin nicht dafür verantwortlich, Übernachtungsmöglichkeiten für Demonstranten zu organisieren."
    Örtliche Politiker wie Krüns Bürgermeister Thomas Schwarzenberger bitten ihre eigenen Bürger inständig "die Flächen nicht zur Verfügung zu stellen. Weil wir festgestellt haben, dass es aus diesen Camps heraus gewalttätige Aktionen gegeben hat ."
    Ein Rekordaufgebot von 15.000 Polizisten
    Zwar könne man, so Schwarzenberger, keinem Eigentümer vorschreiben, was er mit seinem Grund und Boden anstelle. Wenn einer allerdings einen Campingplatz errichten wolle, brauche er eine behördliche Genehmigung. Und die ist rund um Schloss Elmau an harte Bedingungen gebunden.
    "Was wären da Möglichkeiten? Naturschutz. Immissionsrecht. Die Ver- und Entsorgungs-Situation und solche Dinge müssten dann noch bewertet werden."
    Diese Bewertung würde mit großer Wahrscheinlichkeit negativ ausfallen. Allerdings droht den saftig-grünen Alpenwiesen des Werdenfelser Landes Gefahr nicht nur von Krawall-Demonstranten, sondern auch von Polizisten. Laut Bayerns Innenminister Hermann ist beim G7-Gipfel in zwei Monaten ein Rekordaufgebot im Einsatz.
    "Wir gehen in unserer Konzeption gegenwärtig von 15.000 Polizeibeamten aus, die im Einsatz sind. Bayerische Polizei, Bundespolizei."
    15.000 – das sind siebenmal mehr, als das Örtchen Krün Einwohner hat. Sollten nach dem Gipfel also Stiefelabdrücke zurückbleiben, gilt beim Schadenersatz erst einmal das Verursacher-Prinzip. Wenn das versagt, soll der Staat haften – wie es Ministerpräsident Seehofer versprochen hat. Aber welcher Staat? Der Freistaat? Oder der Bund? Bayerns Innenminister stellt schon mal vorsorglich klar:
    "Die Entscheidung, wo die Bundeskanzlerin ihre Gäste einladen will, hat sie selbst getroffen. Da ist die bayerische Polizei nicht gefragt worden, sondern uns wurde die Entscheidung mitgeteilt."
    Soll heißen: Für Schäden haften nicht wir, sondern der Bund. Der hat die Party schließlich bestellt. Der Bund hat aber mit dem Freistaat Bayern noch gar keine Verwaltungsvereinbarung getroffen, die die Kostenübernahme regelt. Der bayerische Ministerpräsident hat also mit seinem Schadenersatz-Versprechen eine Garantie abgegeben, die er selbst gar nicht bezahlen will. Bisher, sagt Krüns Bürgermeister Schwarzenberger, seien alle Gelder, die Seehofer seiner Kommune versprochen habe, auch pünktlich auf dem Gemeindekonto gelandet. Bei den möglichen Krawallschäden allerdings will sich Schwarzenberger dann doch nicht auf Seehofers Garantie verlassen.
    "Also ich persönlich werde für mich selber lieber auf die sichere Seite gehen."
    Demnächst hat Schwarzenberger einen Termin bei seinem Versicherungs-Vertreter. Wegen der inneren Unruhe.