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G7-Gipfel
"Müssen IS und Unterstützern den Todesstoß versetzen"

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, erwartet vom heute beginnenden G7-Gipfel in Taormina vor allem eine starke Reaktion der freien Welt gegen den Terrorismus. Stärke werde über die Gewalt siegen, sagte Tajani im DLF. Unabhängig vom Brexit rechnet Tajani zudem mit einer weiterhin engen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Großbritannien.

Antonio Tajani im Gespräch mit Christoph Heinemann | 26.05.2017
    Antonio Tajani von der EVP-Fraktion im Europaparlament.
    Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments (Aufnahme von Januar 2017) (AFP / FREDERICK FLORIN)
    Christoph Heinemann: Was erwarten Sie vom G7-Gipfel in Taormina?
    Antonio Tajani: Vor allem ein Signal, eine starke Reaktion der freien Welt gegen den Terrorismus. Wir müssen dem IS und allen seinen Unterstützern den Todesstoß versetzen. Jenen, die Europa und den Westen in Schwierigkeiten bringen wollen und alle diejenigen, die ihre Entscheidungen nicht hinnehmen wollen. Von Taormina wird eine deutliche Botschaft ausgehen. Am Schluss wird die Stärke über die Gewalt siegen.
    Christoph Heinemann: Wird die Zusammenarbeit mit den Briten beim Kampf gegen den Terrorismus nach dem Brexit schwieriger sein?
    Antonio Tajani: Das glaube und hoffe ich nicht. Der Kampf gegen den Terrorismus hat nichts mit einem EU-Beitritt oder -Austritt zu tun. Alle, die den IS bekämpfen wollen, müssen zusammenarbeiten. Großbritannien gehört wie viele Länder der Europäischen Union der NATO an. Deshalb glaube ich, dass die Zusammenarbeit mit London weiterhin sehr eng sein wird, unabhängig vom Brexit.
    "Die Signale des Präsidenten Trump im Nahen Osten und in Europa gehen in die richtige Richtung"
    Christoph Heinemann: Donald Trump wird erstmals dabei sein. Halten Sie den Präsidenten für geschwächt durch die Untersuchungen, die zu Hause gegen ihn laufen?
    Antonio Tajani: Diese Frage betrifft die Vereinigten Staaten, das ist eine innere Angelegenheit. Für uns sind die Vereinigten Staaten unser wichtigster Gesprächspartner und er ist der Präsident. Die Signale, die im Laufe seiner Treffen im Nahen Osten und in Europa zu hören waren, gehen in die richtige Richtung. Sie unterscheiden sich auf jeden Fall von jenen, die ursprünglich von Washington ausgesandt wurden.
    Christoph Heinemann: Wird mit den USA unter Trump ein freier Handel möglich sein?
    Antonio Tajani: Wir werden sehen, was passieren wird. Wir unterstützen das TTIP-Abkommen, das sich gegenwärtig in einer schwierigen Phase befindet. Wir hoffen, dass wir weiter gehen können.
    "Wir sollten Trump als Präsidenten bewerten, nicht als Präsidentschaftskandidaten"
    Christoph Heinemann: Er hat den Brexit gelobt und unterstützt. Wie sollte die Europäische Union mit ihm reden?
    Antonio Tajani: Wir sollten Trump als Präsidenten bewerten, und nicht Trump als Präsidentschaftskandidaten der Vereinigten Staaten. In Wahlkämpfen wird der Ton manchmal etwas lauter. Ich bin Pragmatiker. Mich interessiert, was Trump heute vorhat.
    Christoph Heinemann: Sprechen wir über Europa: die EU-Kommissare Moscovici und Dombrovskis haben vorgeschlagen, dass das Europäische Parlament die Finanzminister der EU, die Eurogruppe kontrollieren sollten. Sollte diese Idee verwirklicht werden?
    Antonio Tajani: Ja, das Parlament soll die Kontrolle über die Kommission und alle Aktivitäten, die die Wirtschaft der Union und die Eurozone betreffen, ausüben. Das ist Demokratie. Ich bin davon überzeugt, dass das Parlament gegenwärtig eine wichtige Rolle übernehmen sollte, damit sich die europäischen Bürger den Institutionen wieder annähern. Ohne, dass dabei die Regeln verletzt werden. Wir müssen die Regeln vielmehr dazu nutzen, um diese Rolle zu übernehmen, damit sich die Bürger nicht von den Institutionen entfernt oder isoliert fühlen. Das wäre die beste Art um den Populismus zu bekämpfen.
    "Das Europäische Parlament sollte die Eurogruppe kontrollieren"
    Christoph Heinemann: Der Vorschlag von Moscovici bedeutete, dass die Eurogruppe weniger stark und mächtig wäre ...
    Antonio Tajani: Ich bin dafür, dass das Parlament die Eurogruppe kontrolliert.
    Christoph Heinemann: … und damit würde die Eurogruppe geschwächt …
    Antonio Tajani: Nein, das wäre eine Verbindung zwischen Parlament und Eurogruppe. Gute Beziehungen zu einem Parlament zu unterhalten, das die Eurogruppe kontrolliert, würde ich nicht als absolut negativ bewerten, im Gegenteil, das ist positiv. Wenn die Vertreter der Bürger in die wichtigsten Entscheidungen einbezogen werden, halte ich das für die Demokratie für sehr nützlich. Es geht ja nicht darum, für Ärger zu sorgen, sondern darum, die Interessen der europäischen Bürger zu schützen.
    Ein Investitionsfonds der Eurozone könnte für mehr Wachstum sorgen
    Christoph Heinemann: Sollte die Eurozone mit einem Investitionsfonds ausgestattet werden?
    Antonio Tajani: Ja, warum nicht. Ich halte das für eine gute Idee, damit die Wirtschaft wachsen kann. In vielen Ländern muss die öffentliche Verschuldung saniert werden. Als erstes kann man gleich mein Land, Italien, nennen. Das werden wir aber nicht schaffen, wenn wir der Wirtschaft nicht gleichzeitig zu Wachstum verhelfen, den kleinen und mittleren Betrieben, der Industrie, Landwirtschaft, Handel, Handwerk und den freien Berufen nicht Hilfe leisten. Gäbe es einen Investitionsfonds, der Wachstum anstrebt, könnte dies ein positiver Beitrag sein.
    Christoph Heinemann: Die Kommissare Moscovici und Dombrovskis befürworten, dass nach dem Brexit in allen EU-Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2025 der Euro eingeführt werden sollte. Halten Sie das für möglich?
    Antonio Tajani: Dazu könnte es vielleicht kommen. Das hängt natürlich von den Entscheidungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ab, ob sie der Eurozone angehören können. Eine gemeinsame Währung für alle wäre ein schöner Traum, den man für Europa verwirklichen könnte. Es bedarf allerdings auch einer starken politischen Einheit. Denn eine gemeinsame Währung wäre ohne eine starke Politik der Europäischen Union als Ausgleich nicht möglich. Also müssen wir die europäischen Verträge überprüfen, wie es Bundeskanzlerin Merkel gesagt hat. Wir benötigen darüber eine Debatte in der Zukunft. Nicht jetzt, denn jetzt müssen wir alles für Wirtschaftswachstum tun, wir müssen das Problem der Zuwanderung lösen und dem Terrorismus einen Todesstoß versetzen.
    Christoph Heinemann: Die Europäische Union ist gegenwärtig ziemlich unpopulär: Antieuropäische Parteien sind in den Niederlanden, Österreich, Frankreich, Italien und Deutschland erfolgreich. Warum immer mehr Geld, mehr Kompetenzen, eine größere Eurozone?
    Antonio Tajani: Ich glaube, die Dinge ändern sich gerade. Die letzte Eurobarometer-Umfrage zeigt zum ersten Mal seit 2007 eine Trendwende, und dass die Bürger der Europäischen Union durch Europa geschützt werden wollen. Ich glaube, dass die Wahlergebnisse in Spanien, Österreich, Frankreich und den Niederlanden uns sagen, dass die Bürger nicht aus Europa heraus wollen. Die vielen Stimmen für die populistischen Parteien sagen uns allerdings auch, dass dieses Europa verändert werden muss. Unsere Arbeit muss also daran ausgerichtet sein, dieses Europa umzubauen. Und ich glaube, dass unter anderen Bundeskanzlerin Merkel diesen Weg einschlagen möchte. Aber wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass dieses Europa die Bürger schützen kann. Also eine weitreichende Arbeit aller Institutionen, um den Bürgern klarzumachen, dass wir für sie arbeiten wollen, sollen und es auch tun.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.