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G7-Treffen
"China sollte mit am Tisch sitzen"

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, fordert eine Erweiterung der G7-Runde. Eine solche Konferenz "ohne China zu führen, scheint mir sehr fragwürdig zu sein", sagte der Ökonom im DLF. Auch Russland solle möglichst schnell wieder einbezogen werden.

Michael Hüther im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.06.2015
    Porträt von Michael Hüther
    Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (imago / Müller-Stauffenberg)
    Es gehe bei G7 nicht nur darum, dass man sich treffe, sondern die Frage sei, "treffen sich die Richtigen", sagte Hüther im Deutschlandfunk. Die Weltwirtschaft werde auch von China wesentlich geprägt. Deshalb müsse man das Land in die Gespräche einbeziehen. Sonst drohe die G7-Runde zu einem "Teilklub der Weltwirtschaft" zu werden. "Ein geschlossener Klub kann sich negativ auswirken", warnt der Ökonom.
    Hüther plädiert deshalb auch dafür, Russland möglichst bald in die Runde zurückzuholen. "Man muss gerade in schwierigen Zeiten die Kraft haben, miteinander zu sprechen." Die Entscheidung, Russland auszuschließen, sei aus seiner Sicht im vergangenen Jahr "zu abrupt" gefallen.
    Ähnlich hatte sich zuvor der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, geäußert. Auch der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, forderte, Präsident Putin in die Gipfelrunde zurückzuholen. Das zweitägige G7-Treffen beginnt morgen auf Schloss Elmau in Bayern.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Und am Telefon ist Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Das ist eine Forschungseinrichtung, die der Arbeitgeberseite nahesteht. Schönen guten Morgen, Herr Hüther!
    Michael Hüther: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Hüther, ein Millionenaufwand für so ein Treffen, das noch nicht mal zwei Tage dauert! Lohnt sich dieser Aufwand?
    Hüther: Der Millionenaufwand entsteht ja nicht nur durch das Treffen an sich, sondern durch diejenigen, die auch demonstrieren, das muss man dem zurechnen. Aber ein solches Treffen führt dazu, dass eine andere Gesprächskultur entsteht und dass jenseits der konkreten Themen man auch in schwierigen Phasen anders zueinanderfindet. Will daran erinnern: November 2008 war es ganz wichtig, dass in der Krise, die damals eskalierte, die Welt schnell zu einem gemeinsamen Verständnis über diese Krise sich zusammenfand und dann auch handlungsfähig war. Das ist der große Unterschied zur Weltwirtschaftskrise 1933, 29 bis 33, als im Sommer 33 eine solche Konferenz scheiterte. Insofern ist es auch das Etablieren einer Kultur des Redens miteinander und natürlich auch mal jenseits der Tagesordnung über Dinge dann vertraulich sich auszutauschen.
    Armbrüster: Über was können denn die Teilnehmer hier beraten oder beschließen, was sie nicht auch in einer Video- oder Telefonkonferenz vereinbaren könnten, auch das gab es ja in den 30er-Jahren noch nicht?
    Es sollte eine andere Basis des Vertrauens entstehen
    Hüther: Ja, aber wir wissen schon, dass das direkte Gespräch miteinander ein anderes ist als das über eine Videokonferenz. Das gilt auch in Unternehmen. Vertrauen entsteht so. Und wenn wir überlegen, was heute wichtig ist: Wir erleben eine Neuformierung der Globalisierung, wir sehen, dass die Krise, die 2008, 2009 ausbrach, natürlich uns immer noch in den Kleidern hängt. Und das sind alles letztlich Themen, die global zu beantworten sind. Für mich ist die eigentliche Frage nicht "Trifft man sich", sondern "Treffen sich alle die Richtigen".
    Armbrüster: Und, würden Sie sagen, sind das die Richtigen, die da so zusammensitzen?
    Hüther: Na ja, es wird ja argumentiert, man basiert auf der gleichen Wertegrundlage, das ist sicherlich richtig und auch ein Wert an sich. Aber man sollte vielleicht auch die, die wirtschaftlich und politisch global bedeutend sind, auch miteinbeziehen, den Weg auch für die dorthin zu ebnen. Eine solche global auf wirtschaftliche Fragen gerichtete Konferenz ohne China zu führen, scheint mir sehr fragwürdig zu sein. Hier sollte einfach auch eine andere Basis des Vertrauens entstehen. Ein geschlossener Klub ist zwar für sich auch ein Wert, kann aber auch negativ wirken, wenn die anderen dauerhaft nicht dabei sein können.
    Armbrüster: Können Sie sich denn vorstellen, dass zum Beispiel Angela Merkel und Barack Obama ähnlich offen miteinander reden, wenn China mit am Tisch sitzen würde?
    Hüther: Na ja, das setzt dann auch einen längeren Weg voraus. Man hat ja auch mit Russland in den 90er-Jahren so verfahren. Man hat es erst dann einen Tag dazugenommen, man hat gelernt, miteinander solche Dinge zu bereden. Da hat man ja schon Erfahrung und trotzdem bleiben am Rande Räume und Zeiten genug, sich dann auch vertraulich auszutauschen. Man muss das schon versuchen, denn wir können ja nicht verkennen, dass die Weltwirtschaft in erheblichem Maße durch China mitbestimmt wird, dass wir im Augenblick gerade alle sorgenvoll auf die Minderung des dortigen Wachstumspotenzials schauen. Und damit stehen ja auch politische Fragen im Raum.
    Armbrüster: Sie haben gesagt, dass so ein Treffen Sinn macht, gerade damit man sich in Krisenzeiten schnell zusammenfinden kann, sich schnell austauschen kann. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht äußerst sinnvoll gewesen, gerade jetzt Wladimir Putin einzuladen?
    Man muss ja nicht nur freundlich sein
    Hüther: Ja, das sehe ich durchaus so, denn wann braucht man solche Gespräche: Dann, wenn es schwierig wird. Schön-Wetter-Veranstaltungen können nur die Voraussetzung sein, auch in schwierigen Phasen dann miteinander zu sprechen. Das schien mir auch bei allen guten Begründungen, die man dafür finden kann, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, wenn er sich außerhalb bestimmter Üblichkeiten stellt, dann nicht dabeizuhaben, dass auf Dauer das aber natürlich nicht wirklich funktioniert. Man muss gerade auch die Kraft haben, in schwierigen Zeiten dann zu sprechen, dann kommt es darauf an, diese Kultur zum Ertrag zu bringen. Insofern fände ich es schon richtig, wenn man hier in irgendeiner Weise Russland auch wieder einbezieht, das darf sich auf Dauer nicht verhärten. Dann wird es irgendwann ein Teilklub für die Weltwirtschaft, für die Weltpolitik sein.
    Armbrüster: Ist es denn ein Fehler, dass er in diesem Jahr nicht dabei ist?
    Hüther: Ich denke schon, ich fand auch die Entscheidung im letzten Jahr zu abrupt. Man muss ja dann nicht, nur weil er kommt, freundlich sein, sondern man kann dann sehr deutlich sagen, was einem nicht gefällt, was nicht geht, was als Nicht-Kooperation in der Welt einfach ein Riesenproblem darstellt. Aber nur fernmündlich scheint mir dann die schwächere Möglichkeit des Austauschs zu sein. Noch mal, ein solches Zusammentreffen muss gerade auch dazu führen, dass man sehr kritische Themen gemeinsam bespricht. Da hätte man Vertrauen geben können, wenn man Vertrauen haben will.
    Armbrüster: Herr Hüther, Sie haben am Anfang des Gesprächs gesagt, die großen Kosten werden unter anderem auch verursacht durch die vielen Demonstranten, die da jetzt unterwegs sind. Sind die nicht auch eigentlich inzwischen mit einer der Teilnehmer, sagen die nicht auch ihre Meinung? Eben durch ihre großen Proteste?
    Demonstrationen sind fast eine Folklore-Erscheinung
    Hüther: Ja, aber ich meine, auf der anderen Seite, wie viele sind es dann wirklich? Wir können heute leicht organisiert über die sozialen Netze so etwas in Bewegung bringen. Es ist schon fast eine Folklore-Erscheinung, die dazugehört. Aber man muss dann, wenn man mitreden will, auch sich in den Diskurs einbinden. Das geschieht in den jeweiligen Ländern in den demokratischen Strukturen. Aber ich würde das für mich nicht überbewerten, das ist eher eine Protesterscheinung, wie wir sie an vielen Rändern haben. Wenn man das alles ernst nähme, dann dürften die sich gar nicht treffen, dann dürfte alles nicht stattfinden, was den Austausch in der Welt leichter macht, was die Globalisierung befördert und was letztlich aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten der schwächsten Regionen der Welt befördert.
    Armbrüster: Na ja, es entsteht bei solchen Gipfeltreffen ja immer leicht der Eindruck, hier legen jetzt ein paar Staats- und Regierungschefs die Spielregeln fest, an die sich dann alle anderen auf der Welt halten müssen.
    Hüther: Nun, man kann aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass es nun einmal die großen Volkswirtschaften, die großen politischen Mächte sind, die in der Welt in einer Weise auch Verantwortung zu übernehmen haben. Es ist ja umgekehrt gerade fatal zu beschreiben, wenn sie es nicht täten! Wo soll denn der Weg aus der Krise zu finden sein, wie im Jahr 2008, wenn nicht aus G8 und wenn nicht dann auch damals sehr mutig auf G20 erweitert wurde, um schnell wirklich zu sehen, was ist zu tun? Und dann ist ja auch 2009 parallel gemeinsam krisenpolitisch gehandelt worden, das hat ja auch die schnelle Korrektur der Krise begründet. Also, hier ist auch eine Verantwortungszuweisung da, die wahrgenommen werden muss.
    Armbrüster: Herr Hüther, wir müssen an diesem Samstagmorgen noch ganz kurz über Griechenland sprechen! Alexis Tsipras hat gestern in Athen gesagt, er lehnt eine weitere Reform ab und fordert einen weiteren Schuldenschnitt. Reformen hatten vorher die Geldgeber in der Europäischen Union gefordert. Wie sollen diese Verhandlungen jetzt weitergehen nach diesen Äußerungen von Tsipras?
    Griechenland muss endlich handeln
    Hüther: Nun, ich glaube, das, was gestern im Parlament von ihm gesagt wurde, ist ja eher der politischen Problematik in der eigenen Partei und auch in Griechenland geschuldet. Man hat sich im Wahlkampf ganz klar verortet, man hat einen großen Teil in der eigenen Partei, die nicht beweglich ist, die sich überhaupt nicht auf Europa zubewegen wollen. Und das muss er irgendwie auch bedienen. Auf der anderen Seite weiß er - und das ist ja auch in manchen Zwischentönen zu greifen -, dass letztlich es ohne einen Kompromiss und Konsens nicht gelingt. Insofern ist er da Opfer seiner eigenen politischen und wahlkampftechnischen Positionierung. Ein Schuldenschnitt, den da immer wieder man als Forderung hört von ihm, von Varoufakis, hat mich nie wirklich überzeugt! Die Zinslast, die Griechenland auf 30 Jahre zu tragen hat, ist schon deutlich subventioniert, das ist schon seit dem November 2012 faktisch ein Schuldenschnitt. Und das Land kann das auch tragen. Was man aber jetzt erst mal gemacht hat, die Welt vor den Kopf zu stoßen, Vertrauen zerstören, Kapital aus dem Land jagen und damit natürlich die Möglichkeiten einer Wachstumsstärkung sehr stark reduziert. Und insofern passt das alles nicht wirklich zusammen. Wenn die nach vorne gehen wollen, müssen sie einen Kompromiss finden und sie müssen sich auch weiter überlegen, mit welchen Strukturen sie sich verbessern können. Die Wettbewerbsfähigkeit ist ein Problem, das Verwaltungshandeln ist ein Problem, das Steuersystem ist ein Problem. Nichts ist gemacht und endlich müsste da mal gehandelt werden!
    Armbrüster: Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft war das live hier bei uns in den "Informationen am Morgen". Vielen Dank für das Gespräch!
    Hüther: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.