Freitag, 19. April 2024

Archiv

G9 statt G8
Elterninitiative gegen Turbo-Abi in NRW

Eine Elterninitiative in Nordrhein-Westfalen will zurück zum Abitur nach neun Schuljahren. Gegen das Turbo-Abi, das politisch beschlossene Sache und längst eingeführt ist, sammelt sie in 31 Städten Unterschriften. Denn nur mit genügend Unterschriften muss die Landesregierung das Thema im Landtag auf die Agenda setzen.

Von Katrin Sanders | 09.02.2015
    "Jetzt sehen wir noch zu, dass wir ein paar Stimmen sammeln, weil es gibt noch ein paar Dinge neben der Schule, die nicht zu kurz kommen dürfen. Das sind Freunde, das ist Musik machen und andere Dinge, die auch fürs Leben lebenswert sind." - "Und wird denken, dass muss dringend im Landtag überdacht werden, das Konzept ist einfach nicht in Ordnung."
    Ohne Flashmob, ohne Trillerpfeifen sind die Eltern in Bonn unterwegs. Etwa 15 Mütter und Väter setzen an diesem "Aktionstag" vor allem auf Argumente – und die Volksinitiative rennt damit offene Türen ein:
    "Danke schön." - "Ich bin erstaunt, wie schnell wir Unterschriften zusammen kriegen." - "Ich hab unterschrieben, weil von dem Turboabi halt ich nichts. Ich hab die Diskussion in Baden-Württemberg mitbekommen, hab den Stress bei den Eltern mitbekommen, was es für die Schüler bedeutet. Und ohne eine vernünftige Schulreform und nur mit einer Verkürzung von der Schulzeit erzielt man keine Verbesserung in der Schulausbildung." - "Es wird einem einfach dafür sehr viel weggenommen, vor allem auch von der Freizeit von der Jugend. Man wird einfach ein Jahr früher ins Leben geschmissen und das finde ich einfach auch nicht besonders erwachsen von den Leuten – ich finde, dass kann man auch wieder absetzen lassen."
    Unterschriften gegen G8
    Sie macht in diesen Wochen das G8-Abitur – mitentscheiden aber darf sie mit erst 17 Jahren in dieser Frage noch nicht. Damit das Thema wieder auf die politische Agenda kommt, dürfen nur wahlberechtigte NRW-Bürgerinnen und Bürger unterschreiben. An diesem Morgen hört man kritische Gegenmeinungen – wie diese – selten:
    "Also ich fand die Umstellung doof, aber es noch mal zurück umstellen, ist ja auch noch mal Aufwand und noch mal ne Umstellung und totales Chaos für die Universitäten. Das Hin- und Hertauschen find ich noch schlimmer als es einmal zu ändern und dann irgendwie in den sauren Apfel zu beißen und es zu nehmen wie es ist."
    Umtausch ist aber nicht ausgeschlossen. Das zeigen Beispiele aus anderen Bundesländer: In Hessen haben 80 Prozent der Gymnasien die Wahl genutzt und sind zu G9 zurückgekehrt. In Niedersachsen ist politisch entschieden, dass alle Schulen ab Sommer aus dem G-8 System aussteigen sollen.
    Starke Bündnispartner in NRW
    Der Unterschied zu NRW: Die Eltern dort hatten starke Bündnispartner in der Landeselternschaft. In Düsseldorf dagegen handelten die Verbände mit dem Schulministerium im Herbst den sogenannten Zehn-Punkte-Plan aus: Weniger Schulaufgaben, weniger Klassenarbeiten – so sollten die Nachteile von G8 gemildert werden.
    Gelungen sei das nicht, findet die Mutter von Fünftklässler Benjamin:
    "Auch wenn es jetzt 'nur' 32 Stunden in der fünften Klasse sind. Es ist ja damit nicht beendet der Schulalltag. Es sind ja immer noch Hausaufgaben - also ich merk das nicht, dass sich da was verändert hat." - "G8 ist ein Konstruktionsfehler. Die Erfahrung auch in den anderen Bundesländern hat gezeigt: Überall hat man versucht, G8 zu verbessern und es ist nicht gelungen",
    sagt dazu Anja Nohstadt, die landesweite Sprecherin der Initiative für die Rückkehr zu G9.
    Skepsis und Widerstand bei den Eltern, die sich von der Einigkeit am Runden Tisch in NRW nicht überzeugen ließen, fordern für sie die neue politische Debatte.
    Die Zeit läuft
    Noch knapp zwei Monate Zeit bleiben der Initiative, die noch fehlenden Unterschriften dafür zu sammeln.
    "Heute Morgen hatten wir 56.000 Stimmen. Und mit dem heutigen Aktionstag der landesweiten Sammlung der Stimmen werden wir sicherlich mit mehreren 1.000 Stimmen heute Abend rausgehen. Und dann haben wir ja noch Zeit.
    Ich bin da ganz zuversichtlich. Wir brauchen 66.600, um den ersten Schritt der Volksinitiative zu begehen. Wir werden weiter sammeln, wir werden das Ganze auch weiter in die Öffentlichkeit tragen und da bin ich absolut zuversichtlich."