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Gabriel trifft Putin
"... aber das ist meine persönliche Meinung"

Sigmar Gabriel will Kanzler werden, noch ist er Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Zurzeit ist er in Moskau, für zwei Tage. Dort traf er gestern Putin. Und zeitweise hatte man den Eindruck, er reise in gar keiner offiziellen Funktion, sondern als Privatmann, so sehr hob er seine persönliche Meinung zu Kernfragen hervor.

Von Gesine Dornblüth | 29.10.2015
    Russlands Präsident Wladimir Putin empfängt Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD)
    Russlands Präsident Wladimir Putin empfängt Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) (dpa / picture-alliance / RIA Novosti)
    Drei Themen standen im Mittelpunkt der Gespräche von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel: Energiepolitik, Syrien und die Ukraine. Gabriel machte im Anschluss an das Treffen klar: Die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens sei wichtig. Er persönlich sei aber weiterhin der Ansicht, erste Sanktionen gegen Russland könnten bereits vorher schrittweise aufgehoben werden.
    "Ich kann mir auch vorstellen, dass man, so wie man die Sanktionen schrittweise erhöht hat, sie bei substantieller Umsetzung, zum Beispiel, dass die Wahlen erfolgt sind, dass die Verfassung geändert ist, dass die Waffen dort weg sind, dass man dann auch erste Erleichterungen schafft, aber das ist meine persönliche Meinung."
    Für diese Meinung hatte Gabriel bereits vor Wochen viel Kritik geerntet. Im Gespräch mit Journalisten betonte er, die offizielle Haltung der Europäischen Union und der Bundesregierung bestehe weiterhin darin, dass zunächst alle Punkte des Minsker Abkommens erfüllt werden müssen. Das bedeutet auch, dass die Regierung der Ukraine erst die Kontrolle über die Grenze zwischen den Separatistengebieten und Russland zurückerlangt - vorher keine Erleichterung bei den Sanktionen.
    Der "Herr Assad"
    Über Syrien hätten Putin und er sehr lange gesprochen, sagte Gabriel:
    "Weil natürlich die Zusammenarbeit Russlands mit Herrn Assad und der syrischen Regierung insofern ein Riesenproblem ist, weil jede Bombe, die Herr Assad schmeißt auf seine eigene Bevölkerung, erstens viele Menschenleben kostet und außerdem noch mehr Flüchtlinge in Bewegung setzt, das hab ich ihm auch gesagt.
    Wahrscheinlich müsse man die jetzige Regierung Syriens an den Verhandlungen beteiligen, so Gabriel. Zugleich sei aber klar, dass das heutige System Assad dort auf Dauer keine Chance habe.
    "Unsere Position ist Ihnen gut bekannt"
    Putin seinerseits verteidigte Russlands Hilfe für Assad. Im öffentlichen Teil des Gesprächs mit Gabriel sagte Russlands Präsident:
    "Unsere Position ist Ihnen gut bekannt: Wir müssen die verbliebenen staatlichen Strukturen festigen oder staatliche Strukturen wieder herstellen und eine politische Lösung aller strittigen Fragen fördern."
    Am zweiten Tag seines Moskau-Besuches trifft Gabriel Russlands Energieminister Alexander Nowak und Gasprom-Chef Alexej Miller. Dabei geht es vor allem um den Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream. Im Sommer hatten die beteiligten Firmen beschlossen, die Kapazität von Nord Stream zu verdoppeln. 2019 sollen zwei weitere Röhren in Betrieb gehen. Die russische Regierung will sich damit vom Gastransit durch die Ukraine unabhängig machen, möglicherweise künftig ganz auf die Route durch das Nachbarland verzichten. Die Bundesregierung dagegen will Perspektiven für die Ukraine als Transitland erhalten.