Samstag, 20. April 2024

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Game-Piraterie im Ostblock
Popkultureller Anti-Kommunismus

Alte (Brett-)Spiele aus der DDR sind wieder beliebt. Es gab aber auch eine beachtenswerte Gamerszene im Osten Deutschlands sowie in anderen Staaten des damaligen Ostblocks. "In dieser Szene fand diese Art von popkulturellem Anti-Kommunismus großen Anklang", erzählte Forscher Gleb Albert im Dlf.

Gleb Albert im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 06.12.2019
Robotron Computer vom Typ PC 1715
Auch nicht so viel unhandlicher als damalige West-Modelle: der DDR-Computer Robotron Typ PC 1715 im Jahr 1989 (picture alliance/dpa/Foto: Wolfgang Eilmes)
In fast allen Ostblockstaaten gab es Pläne für Heimcomputer - "mancherorts blieb es bei den Plänen, mancherorts wurden einige Heimcomputermodelle hergestellt", erzählte der Historiker Gleb Albert, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Zürich. Allerdings nur in kleiner Stückzahl, deshalb seien die Menschen in den Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs meist aus westlicher Herstellung über Privatimporte oder später über Valuta-Läden - also Geschäfte, in denen man mit eingetauschtem West-Geld diverse West-Artikel kaufen konnte - an die Geräte gekommen. Für diese Computermodelle habe man sich dann die dazu passende Software besorgt.
Cracker-Kollektive in West und Ost
In den 1980er-Jahren habe es im Westen eine "Renaissance anti-kommunistischer Populärkultur" gegeben, und diese Kultur sei von sogenannten Crackern aufgegriffen worden, so Albert. Diese Cracker waren "jugendliche Software-Piraten" im Westen, insbesondere in Skandinavien, die es sich ursprünglich vor allem zur Aufgabe gemacht hatten, den Kopierschutz zu knacken: "In dieser Szene fand diese Art von popkulturellem Anti-Kommunismus ganz großen Anklang", sagte der Wissenschaftler. Diese Spiele mit anti-kommunistischen Inhalten zirkulierten dann irgendwann, in den späten 1980er-Jahren, "auch hinter dem eisernen Vorhang", erzählte der Historiker. Auch dort seien dann Cracker-Kollektive entstanden.
Anti-Kommunismus kein abstraktes Schießbudenspiel
Und für diese Leute in den Ostblockstaaten sei das Ganze nicht nur ein "abstraktes Schießbudenspiel, die hatten persönliche Erfahrungen mit dem Kommunismus"; zum Beispiel der Mangelwirtschaft in ihrem Land, die etwa dazu führte, dass sie etwa schwer an Computer und Disketten herankamen. Was die Regierungen der Ostblockstaaten angehe, so hätten diese unterschiedlich reagiert: In der Tschechoslowakei wurde die Piraterie und die Gamer-Szene eher als "Jugendspaß" gesehen und "politisch nicht so ernst genommen", meinte Albert. In der DDR dagegen wurden "Computerclubs recht engmaschig überwacht", so der Wissenschaftler im Corsogespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.