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Ganz oder halb

Die Mittelmeerinsel Zypern ist ein bevorzugtes Reiseziel für Sonnenhungrige. Jenseits vom großen Touristentrubel hat sie sich einen anderen Namen erworben - "Friedhof der Diplomatie". Seit nunmehr fast 30 Jahren scheitern alle Bemühungen um eine Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel. Und auch den jüngsten Anstrengungen scheint morgen bei den Volksabstimmungen, die Zyperntürken und der Zyperngriechen getrennt an die Urnen rufen, das gleiche Schicksal zu drohen. Diesmal wird es jedoch an den griechischen Zyprioten liegen, wenn die Wiedervereinigung nicht zustande kommt. Wenn die Meinungsumfragen nicht völlig daneben liegen, werden die türkischen Zyprioten mehrheitlich mit "Ja", die Zyperngriechen jedoch mit "Nein" stimmen.

Von Jerry Sommer | 23.04.2004
    Auf Zypern leben heute 700 000 Zyperngriechen und 200 000 Zyperntürken. Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen begannen schon 1963. Nur drei Jahre vorher war die britische Kronkolonie Zypern in die Unabhängigkeit entlassen worden. Die griechische Mehrheit hatte sich mit ihrem Ziel der "Enosis", des Anschlusses an das Mutterland Griechenland nicht durchgesetzt. Ebenso wenig waren die türkischen Zyprioten mit ihrem Ziel, der Teilung der Insel, durchgekommen. Statt dessen entstand 1960 die Republik Zypern mit in der Verfassung verankerten Vetorechten für die türkischen Zyprioten. Doch schon nach drei Jahren kündigte Zyperns Präsident, Erzbischof Makarios, den Verfassungskompromiss auf. Kurz danach begannen Extremisten beider Seiten einen blutigen Bürgerkrieg. Tausende von türkischen Zyprioten flohen aus bis dahin gemischten Dörfern und Stadtteilen in moslemische Viertel der Hauptstadt Nikosia und in Gebiete an der Nordküste, die vorwiegend von Zyperntürken bewohnt waren. Zu ihrem Schutz wurden die ersten UNO-Truppen in Zypern stationiert.

    Elf Jahre später, im Juli 1974, putschten auf Zypern stationierte griechische Soldaten, auf Befehl der damals in Athen herrschenden Militärjunta, gemeinsam mit rechtsradikalen Zyperngriechen. Für einige Wochen rissen sie die Macht an sich. Ihr Ziel: Die Vereinigung Zyperns mit Griechenland. Als Antwort auf diesen Putsch und zum Schutz der Zyperntürken fielen türkische Truppen auf Zypern ein. Sie besetzten 37 Prozent des Inselgebietes. 160 000 Zyperngriechen wurden aus den besetzen Gebieten in den griechisch-zypriotischen Süden vertrieben. In umgekehrter Richtung flohen 40 000 Zyperntürken aus dem Süden in den türkisch-zypriotischen Norden.

    Seitdem ist Zypern geteilt. Die Stacheldraht-Grenze geht mitten durch die Insel. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt Europas.

    Während die Regierung der griechischen Zyprioten international als Vertretung ganz Zyperns gilt, hat sich im Norden die nur von der Türkei anerkannte "Türkische Republik Nordzypern" gebildet. Bis zum März vergangenen Jahres war die Demarkationslinie, die das Land teilt, so gut wie undurchlässig. Dann erst öffnete der Präsident der türkischen Zyprioten, Rauf Denktash, die Grenze. Seitdem haben hunderttausende den jeweils anderen Landesteil besucht - um die Häuser und Dörfer ihrer Jugend wieder zu sehen oder um einen Einkaufsbummel zu machen. Dabei kam es zu keinerlei Zwischenfällen. Der Bochumer Historiker Christoph Ramm hält Denktashs Entscheidung für ein historisches Ereignis:

    Die Öffnung der Grenzen ist als ein durch und durch positives Ereignis zu beschreiben. Kurzfristig hat sich gezeigt, dass der durch den nationalistischen Konflikt entstandene Hass doch nicht so tief wirkt und die Menschen bereit sind, aufeinander zuzugehen.

    Schon 1999 hatte der vorerst letzte Versuch der UNO, eine Wiedervereinigung Zyperns zustande zu bringen, begonnen. Dieses Ziel sollte noch vor dem 1. Mai 2004 erreicht werden, damit dann das ganze, vereinigte Zypern Mitglied der Europäischen Union wird und nicht nur der griechisch-zypriotische Teil.

    Wirkliches Geben und Nehmen fand in den vergangenen fünf Jahren bei den Gesprächen allerdings nie statt. Hätte man die Führer der beiden Volksgruppen, Denktash für die Zyperntürken und Cleridis sowie seit März 2003 Papadopoulos für die Zyperngriechen, allein gelassen, wäre nie ein Wiedervereinigungsplan zustande gekommen. Den alten Herren, so schien es, war der Status quo immer lieber als ein Kompromiß.

    Deshalb hat die UNO in einer Art Shuttlediplomatie auszutarieren versucht, was für beide Seiten gerade noch annehmbar sein könnte. Am 31. März legte UNO-Generalsekretär Kofi Annan den endgültigen Wiedervereinigungsplan vor, in den einige Forderungen beider Seiten noch eingearbeitet worden waren. Über diesen Plan wird morgen im Norden wie im Süden abgestimmt werden.

    Friedensforscher Dr. Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung hält ihn für einen guten tragfähigen Kompromiss:

    Nach allem, was ich an Vermittlungsplänen von Zypern kenne, ist er mit Abstand das Beste. Er ist sehr detailliert, er versucht die Zeit sozusagen zu nutzen, er versucht Regelungen, die nicht so kompliziert sind wie früher, also vergleichsweise einfach.

    Nach dem Plan soll das neue vereinigte Zypern ein Bundesstaat mit einer schwachen Zentralregierung und zwei weitgehend selbstständigen Teilstaaten sein. Im neuen Zentralstaat soll keine Ethnie Entscheidungen allein durchsetzen können. Beschlüsse müssen zumindest von einer beträchtlichen Minderheit der jeweils anderen Volksgruppe mitgetragen werden.

    Der UNO-Plan verpflichtet die Zyperntürken auch dazu, etwa ein Viertel ihres heutigen Gebietes an den zyperngriechischen Teilstaat zurückzugeben. Sehr detailliert ist im Wiedervereinigungsplan auch die Frage der Rückgabe von Häusern und Grundbesitz an die alten Besitzer geregelt. Alle Flüchtlinge sollen demnach in einem komplizierten Verfahren einen Teil ihres Besitzes sowie eine Entschädigung für den Rest erhalten.

    Eine weitere, für beide Seiten wichtige Frage, die der Sicherheit, ist im UNO-Plan ebenfalls detailliert geregelt. Demnach werden die gegenwärtig auf Zypern stationierten türkischen Truppen von derzeit 35 000 Mann innerhalb von drei Jahren auf zunächst 6000, ab 2011 auf 3000 und später auf 650 Mann reduziert. Genauso viele Soldaten aus Griechenland können im zyperngriechischen Teilstaat stationiert werden.

    UN-Generalsekretär Kofi Annan, die EU sowie die USA sehen den Wiedervereinigungsplan als eine guten und tragfähigen Kompromiß an. Beide Seiten müssen allerdings Opfer bringen und konnten ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen. Die türkische Regierung und der Ministerpräsident der türkischen Zyprioten Mehmet Ali Talat unterstützen den Annan-Plan. Der griechische Ministerpräsident, Kostas Karamanlis, hat sich ebenfalls dafür ausgesprochen.

    In Zypern hingegen hat der Wiedervereinigungsplan die Gesellschaften gespalten. In ungewöhnlicher Eintracht fordern die Präsidenten der beiden Volksgruppen ihre jeweiligen Landsleute auf, mit "Nein" zu stimmen. "Die türkischen Zyprioten werden bei einer Annahme des Plans vernichtet werden", malt der 80jährige Präsident der Zyperntürken, Rauf Denktash, an die Wand. "Dem Streben der Türkei, Zypern zu kontrollieren und zu dominieren, ist im Plan vollständig entsprochen worden", behauptet der Präsident der Zyperngriechen, Tassos Papadopoulos.

    Vor 15 Monaten demonstrierten Zehntausende der insgesamt 200 000 türkischen Zyprioten gegen die sture und kompromißlose Haltung von Denktash bei den Verhandlungen um die Wiedervereinigung. Im Dezember 2003 errangen die politischen Parteien, die für eine Wiedervereinigung eintreten, bei den Wahlen zum dortigen Parlament mit 50,3 Prozent knapp die Mehrheit der Stimmen. Mehmet Ali Talat, der Vorsitzende der linken, auf eine Wiedervereinigung drängenden "Republikanisch-Türkischen Partei", ist inzwischen zum Regierungschef der Zyperntürken gewählt worden. Vergangene Woche gingen 10 000 türkische Zyprioten für ein "Ja" bei der Volksabstimmung auf die Straße.

    Der neue Ministerpräsident Nordzyperns, Mehmet Ali Talat, sieht unter anderem wirtschaftliche Vorteile, wenn Nordzypern als einer der zwei Teilstaaten eines wiedervereinigten Zyperns in die EU aufgenommen wird:

    Die Touristen, die bisher nach Zypern kamen, und das sind zweieinhalb Millionen, werden auch den Norden besuchen und hier in Hotels sich einquartieren können. Das wird der Wirtschaft der türkischen Zyprioten einen großen Sprung nach vorn erlauben.

    Bisher stand der türkische Norden Zyperns unter einem internationalen Wirtschafts-Embargo. Die griechischen Zyprioten hatten es mit der Begründung durchgesetzt, dass ja der Norden international nicht anerkannt sei. Urlauber dürfen zum Beispiel nicht direkt mit dem Flugzeug in den Norden reisen. Der Export von Produkten der türkischen Zyprioten ist so gut wie unmöglich. Die Folge: Während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im griechischen Süden vergangenes Jahr circa 18 000 Euro betrug, lag es im Norden bei nur etwa 4000 Euro. Die Arbeitslosigkeit ist hoch.

    Wichtig für die gegenwärtige Stimmung im Norden ist auch die Haltung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Er setzt sich vehement für die Annahme des Annan-Planes ein und scheut sich dabei nicht, den vom türkischen Establishment jahrzehntelang hofierten Denktash ins politische Abseits zu stellen. Mit dieser Wende soll ein Hindernis, dass dem EU-Beitritt der Türkei im Wege steht, beiseite geräumt werden. Nur so besteht für die Türkei die Chance, Ende dieses Jahres von den EU-Staatschefs einen positive Entscheidung über den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen zu erlangen.

    Im griechischen Teil Zyperns hingegen bestimmen die Gegner des UNO-Wiedervereinigungsplanes das politische Klima. "Ochi" - Nein steht auf Plakaten, die auf Werbetafeln und in Autos angebracht sind. "Nein" schallt es auch von vielen Kanzeln der griechisch-orthodoxen Kirche. "Wer 'Ja' sagt, unterstützt Ungerechtigkeit und den Verlust des Vaterlandes. Und er wird auch den Himmel verlieren", drohte zum Beispiel Bischof Pavlos vergangenen Sonntag den Gläubigen in seiner Predigt.

    Die "Nein"-Kampagne wird angeführt vom Präsidenten der Zyperngriechen, Tassos Papadoloulos. Der 69jährige Vertreter einer bürgerlichen 14 Prozent-Partei war im vergangenen Februar aus den Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorgegangen, auch weil er den damaligen Entwurf des UNO-Wiedervereinigungsplan abgelehnt hatte. Trotzdem hatte ihn die größte Partei Zyperns, die ex-kommunistische AKEL, die als eher verständigungsbereit gilt unterstützt, um mit ihm an die Regierung zu kommen. Unterschiede im Herangehen an die Zypernfrage konnten überspielt werden: Man einigte sich in der Regierung und mit der konservativen Opposition auf die Formel: "Der Annan-Plan ist eine Basis für Verhandlungen, muß aber noch verbessert werden."

    Jetzt werfen Kritiker Papadopoulos vor, er hätte von Anfang an den UNO-Plan torpedieren wollen. In einem Leitartikel der unabhängigen Cyprus Mail heißt es diese Woche:

    Er hat bei den Verhandlungen durch seine offene Verzögerungstaktik alles in seiner Macht Stehende getan, um eine negative Stimmung in der Öffentlichkeit gegen den UNO-Plan hervorzurufen. Eine Lösung vor dem 1. Mai wollte er unbedingt verhindern. Seine Berater und Gefährten haben in einer rüden und unehrlichen Kampagne den Plan diskreditiert, um irrationale Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

    Dies ist ihnen zweifellos gelungen. Unter den Zyperngriechen herrscht ein Klima des Nationalismus und der Hysterie wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Stimmen für den Annan-Plan haben sich erst in den letzten Tagen öffentlich formiert. Zum Beispiel hat sich die konservative Oppositionspartei DISY auf einem Parteitag mit 77 Prozent der Stimmen für den Wiedervereinigungsplan ausgesprochen. Einer ihrer Mitglieder, Gregoris Neokleous, ein 38jährige Manager aus Nikosia, begründet sein "Ja":

    Ich bin dafür, weil das Land dann wiedervereinigt ist. Die türkischen und griechischen Zyprioten werden endlich wieder zusammen leben können. Die Mehrheit der zyperngriechischen Flüchtlinge wird in ihre Heimatorte zurückkehren können. Mehr als 60 Prozent werden sogar in Gebieten unter griechisch-zypriotischer Verwaltung leben können.

    Die meisten griechischen Zyprioten möchten allerdings keine Kompromisse machen, keinerlei Opfer bringen. Alle Flüchtlinge müssten zurückkehren und ihren Besitz sofort wieder ganz und gar in Anspruch nehmen können, fordern sie.

    Neokleous ist selbst als achtjähriger mit seiner Familie von den türkischen Truppen aus dem Norden vertrieben worden. Sein Vater hat in der Stadt Kyrinia ein Haus und mehrere Geschäfte besessen. Im Unterschied zu dem Vater ist der Sohn Neokleous bereit, seinen Besitz für eine Lösung zu opfern.

    Wenn jeder nur daran denkt, was er an Besitz zurückerhalten kann, ohne an das Wohl des Landes insgesamt zu denken, dann tun wir unserem Land keinen Dienst und handeln gegen unsere nationalen Interessen.

    Doch so denken nicht viele. Irrationale Angst vor der Türkei ist ein anderes bei den Gegnern des Annan-Planes weit verbreitetes Gefühl. Statt den Abzug von 29 000 und schließlich 34 000 türkischen Soldaten als ein Stück mehr Sicherheit zu interpretieren, regen sich viele über die 650 türkischen Soldaten auf, die auf der Insel bleiben. Vergessen und verschweigen wird, dass die gleiche Anzahl von griechischen Soldaten auf der Insel stationiert bleiben darf.

    Angst vor Veränderung haben viele Bürger, vor allem aber die politische Elite der griechischen Zyprioten. Jetzt gilt Tassos Papadopoulos international als der Präsident der Republik Zypern. Weil die jetzige Türkische Republik Nordzypern international nicht anerkannt ist, nimmt Papadopoulos einen Alleinvertretungsanspruch für die Insel wahr. Nach dem UNO-Plan müssten sich die griechischen Zyprioten die Macht mit den türkischen Zyprioten teilen. Papadopoulos würde bestenfalls für 20 Monate zum Vorsitzenden des Präsidialrates des vereinigten Zypern - eine Vorstellung, die er ablehnt.

    Die Ursachen für die Negativstimmung unter den griechischen Zyprioten liegen jedoch nicht in der ein oder anderen Bestimmung des Annan-Plans, die den Zyperngriechen ungelegen kommt. Die Politologin Maria Hatzipablou von der Universität Nikosia kritisiert, dass die politische Führung der griechischen Zyprioten einen Kompromiss nicht wirklich angestrebt habe. Sie habe deshalb auch die eigene Bevölkerung nie darauf vorbereitet, dass eine Lösung nur mit Abstrichen von den eigenen Maximalforderungen möglich sei.

    Die Bevölkerung ist mit all dieser Rhetorik hinters Licht geführt worden. Seit Jahrzehnten behaupten die Führer der Zyperngriechen, wir könnten eine Wiedervereinigung erreichen, und alle Flüchtlinge würden zurückkehren und alle türkischen Soldaten die Insel verlassen.

    Im Unterschied zum türkischen Teil der Insel fand unter den Zyperngriechen in den vergangenen Jahren keine offene und öffentliche Debatte darüber statt, welche Kompromisse man für eine Wiedervereinigung eingehen kann und will. Ein Verständnis für die andere Seite, eine Verständigungs- und Versöhnungspolitik ist so gut wie nicht entwickelt worden. Hinzu kommt, dass auf einem EU-Gipfel 1999 beschlossen wurde, den griechischen Teil Zyperns auch ohne Wiedervereinigung in die EU aufzunehmen. Damit hat sich die EU jeglicher Druckmittel beraubt, die die griechischen Zyprioten zu mehr Kompromissbereitschaft drängen könnten. Diese Entscheidung kam zustande, weil Griechenland damit gedroht hatte im anderen Fall die Osterweiterung der EU insgesamt mit einem Veto zu blockieren.

    In den vergangenen Tagen bemühten sich die UNO und die EU, den griechischen Zyprioten deutlich zu machen: Erstens: Die internationale Staatengemeinschaft wird die Umsetzung des Annan-Planes garantieren. Die Sorge, die Türkei würde ihre Zusagen, zum Beispiel beim Truppenabbau, nicht einhalten, sind unbegründet. Zweitens: die Alternative ist nicht Wiedervereinigung gemäß Annan-Plan oder eine Lösung mit einem anderen, den griechischen Zyprioten genehmeren Plan, sondern: Dieser Plan oder keine Lösung - zumindest für eine lange Zeit.

    Ob die Aktivitäten der Befürworter des UNO-Planes, international wie auch von griechischen Zyprioten, in den letzten Tagen ausgereicht haben, um bei der Volksabstimmung morgen auch im Süden eine Mehrheit für "Ja" zu sichern, wird man morgen abend wissen.

    Sollte es wider Erwarten zu einem beiderseitigen "Ja" kommen, wird am 1. Mai das vereinigte Zypern Mitglied der EU. Dann haben die Zyprioten eine große Kraftanstrengung vor sich: Sie müssen die ohnehin schwierige Wiedervereinigung in einem politisch und zwischen den Volksgruppen vergifteten Klima beginnen.

    Wahrscheinlicher aber ist, dass die Mehrheit der griechischen Zyprioten "Nein" sagt. Dann dürfen die Zyperngriechen - und besonders ihre politische Führung - mit keinerlei Sympathie in der EU und auf der internationalen Bühne rechnen. Auch neue Verhandlungen scheinen ausgeschlossen. Sollte sich innerhalb der Zyperngriechen das Meinungsklima ändern, könnte man die Volksabstimmung eventuell in einigen Monaten wiederholen.

    Auf jeden Fall wird die verständigungsbereite Haltung der türkischen Regierung positiv ins Gewicht fallen, wenn über die Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei entschieden wird. Außerdem werden sich die USA und die EU überlegen müssen, wie sie die Zyperntürken für ihr wahrscheinliches "Ja" belohnen könnten. Eine völkerrechtliche Anerkennung ist unwahrscheinlich, aber unterhalb dieser Statusfrage ist vieles möglich, meint der Südosteuropaexperte Professor Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen:

    Die Abschaffung des Handelsembargos, das denke ich, ist ein wichtiger Punkt, die Erleichterung von Flugrechten von Berlin oder München aus in den Nordteil. Also hier gibt es eine ganze Reihe von Dingen unendlicher Erleichterungen. Hier sollten alle Möglichkeiten dann genutzt werden. Da kann man das deutsche Beispiel seit Beginn der 70er Jahre heranführen, um zu einem geregelten Nebeneinander, zur Verbesserung auch der menschlichen Dimension zwischen Norden und Süden beizutragen.

    Ein Dilemma bleibt der EU. Ihre Außengrenze wird ab dem 1. Mai im Falle, dass der Annan-Plan abgelehnt wird, auch die Grenze innerhalb Zyperns sein. Wird sie diese dann dichtmachen und damit die türkischen Zyprioten vom Übergang in den anderen Teil ihres Landes abhalten?