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Gauck-Rede vor Presserat
"Ich weiß, was Lügenpresse wirklich bedeutet"

Bundespräsident Joachim Gauck nahm die Feier zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Presserates heute zum Anlass, um Journalisten den Rücken zu stärken. Was "Lügenpresse" bedeute, habe er jahrzehntelang in der DDR erlebt, betonte Gauck - und forderte die Medienvertreter auch zu Selbstkritik auf.

01.12.2016
    Bundespräsident Joachim Gauck hält in Berlin eine Rede bei einem Festakt zum 60. Geburtstag des Deutschen Presserats.
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht beim Festakt zum 60 jährigen Bestehen des Deutschen Presserats. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Die Zeiten sind schwierig für den Journalismus. Nicht nur, dass es durch Internet und digitale Medien immer schwieriger wird, mit Informationen Geld zu verdienen. Zugleich müssen sich die Redaktionen mit dem Vorwurf der "Lügenpresse" herumschlagen. In seiner Festrede zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Presserates nahm Bundespräsident Joachim Gauck die Medien gegenüber populistischer Kritik in Schutz. Natürlich machten auch Journalisten Fehler, doch wer behaupte, dies sei nicht die Ausnahme, sondern die Regel oder gar Vorsatz, dem gehe es nur um die Bestätigung seiner Überzeugung, dass überall gelogen und betrogen werde. Gauck sprach von einem problematischen Vertrauensschwund, der nicht nur die Medien, sondern alle politischen Institutionen der repräsentativen Demokratie betreffe:
    "Skepsis gegenüber den Medien, ja auch eine ausgeprägte Abneigung gegenüber ihren Vertretern ist wahrlich nicht neu. Aber der Effekt, den diese Minderheit der Medienverächter in der Öffentlichkeit erzielt, ist es durchaus. Und die maßlose Wut, ja der Hass auf die Medien, sie erschrecken uns."
    Gauck über soziale Medien: nur die eigenen Überzeugungen und Wahrheiten
    Im digitalen Zeitalter sei es leicht geworden, sich Parallelrealitäten und Mikro-Öffentlichkeiten zu erschaffen, kritisierte Gauck. In den sozialen Medien würden Echoräume entstehen, in denen nur die eigenen Überzeugungen und Wahrheiten widerhallen und sich selbst verstärken würden.
    "Wenn es denn ausreicht, von sich selbst überzeugt zu sein, um erfolgreich inhaltsleeres Geschwätz oder bedeutungsschwangere Falschheiten verbreiten zu können, dann ist eine Verständigung unmöglich geworden.
    Gauck sprach in diesem Zusammenhang von einem "Kommunikationsinfarkt". Demokratie sei aber auf gelingende Kommunikation angewiesen, sie lebe vom Austausch von Meinungen und von den Medien, die auch Kontroversen abbilden.
    "Wenn Fakten eine immer geringere Rolle spielen, dann schadet das der Demokratie. "
    Journalisten ermahnte Gauck zu mehr Selbstkritik
    Aber auch die Journalisten ermahnte Gauck zu mehr Selbstkritik – und zu mehr Offenheit gegenüber berechtigter Kritik. Ihm scheine es, so Gauck,
    "dass Journalisten auch bei uns zuweilen versucht waren und sind, in die Echoräume des politischen Gleichklangs zu fliehen und Meinungen, die ihnen nicht behagen oder die sie selbst nicht teilen, abzuwerten oder einfach zu ignorieren. Und: Dass es auch in Deutschland nicht nicht so einfach ist, die Grenzen strikt einzuhalten zwischen Berichten, Aufklären und Belehren.
    Zur Überwindung der Vertrauenskrise forderte der Bundespräsident die Journalisten auf, sich und ihre Arbeit permanent zu überprüfen und "möglichst sensibel und fair" zu berichten, mit "Verstand und Scharfsinn, Offenheit und Vorurteilslosigkeit". Das seien die Talente, mit denen sich seriöser Journalismus am Ende gegen die Konkurrenz digitaler Stammtische durchsetzen werde:
    "Was dagegen Lügenpresse wirklich bedeutet, meine Damen und Herren, ich weiß es nun wirklich, den ich habe es erlebt, jahrzehntelang in der DDR. Ich weiß, was das ist."
    Der Deutsche Presserat ist 1956 in Bonn als Institution der journalistischen Selbstkontrolle gegründet worden. Er wacht darüber, dass Zeitungen und Zeitschriften publizistische Regeln wie Fairness und Sorgfalt einhalten.