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Gay-Pride-Parade in Jerusalem
"Gebt ihnen keine Kinder"

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen findet in Jerusalem die jährliche Gay-Pride-Parade statt. Anders als im toleranten Tel Aviv wird die Parade in der israelischen Hauptstadt von homophober Hetze durch Ultraorthodoxe überschattet. Zugleich gibt es Streit über das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.

Von Tim Aßmann | 03.08.2017
    Eine Frau hält während einer Gay-Pride-Parade in Jerusalem 2016 eine Regenbogenfahne mit einem Davidstern in der Mitte in der Hand.
    Die Gay-Pride-Parade in Jerusalem - zwischen Anfeindung und Toleranz (picture-alliance/ EPA/ Abir Sultan)
    "Jerusalem ist nicht Sodom. Gebt Ihnen keine Kinder." Mit Slogans wie diesen wirbt die national-religiöse, extrem rechte Gruppierung "Lehava" für eine Gegendemonstration zur schwul-lesbischen Gay-Pride-Parade. Benzi Gopstein, einer der Anführer von Lehava, machte in einem Internet-Video aus seiner Verachtung für die Parade keinen Hehl:
    "Es gibt keinen Grund in den Straßen der Stadt herumzustolzieren und zu sagen: Wir sind pervers. Man muss nicht stolz darauf sein, seiner Lust nicht widerstehen zu können. Wenn ihr ein Problem habt, setzen wir uns gerne mit euch zusammen und schauen, wie wir euch helfen können eurer Lust zu widerstehen."
    Sicherheitskräfte befürchten Anschläge
    Es ist homophobe Hetze wie diese, die die israelischen Sicherheitskräfte im Vorfeld der Gay-Pride-Parade Anschläge befürchten lässt. Vor zwei Jahren erstach ein ultraorthodoxer Jude eine Teilnehmerin des Umzugs. Sein Motiv: Hass auf Homosexuelle. Rund tausend Polizisten sollen die Parade nun absichern. Überschattet werden der schwul-lesbische Demonstrationszug und die angekündigten Proteste dagegen von einem Streit über das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare in Israel. Schon seit fast zehn Jahren sind solche Adoptionen gesetzlich erlaubt – in der Praxis werden die Anträge aber meist abgelehnt. Das wollen schwul-lesbische Verbände nun mit einer Petition beim obersten israelischen Gerichtshof ändern. Die Rechtsanwältin Ricky Shapira Rosenberg vertritt die Kläger:
    "Wir erwarten, dass das Gericht dem Staat sagen wird, dass diese Auslegung rechtswidrig ist. Denn 'für das Wohl des Kindes' bedeutet, dass sie das Wesen der Eltern untersuchen sollen und nicht im Voraus Eltern ausschließen dürfen, nur weil sie in die eine oder andere Kategorie passen. Zwischen der Kategorisierung der Eltern und dem Wohl des Kindes besteht keinerlei Verbindung."
    Ministerium kündigt Reform an
    Als die Richter die Position der Regierung abfragten, erklärte diese zunächst in einer Stellungnahme, bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufzuwachsen, bedeute für Kinder zusätzlichen Ballast. Ein Aufschrei der Empörung war die Folge. Mittlerweile hat das zuständige Ministerium eine Reform bei der Bearbeitung von Adoptionswünschen angekündigt. Eine Gruppe einflussreicher Rabbiner hat nun allerdings in einem offenen Brief an die Justizministerin gefordert, Adoptionen gleichgeschlechtlicher Paare zu verhindern. Shmuel Eliyahu, Oberrabbiner der ultraorthodoxen Hochburg Safed im Norden Israels, bezeichnete Homosexuelle als Kranke, die behandelt werden müssten, um sie heilen zu können.
    "Gott spricht von einem Fehler, davon dass man irrt. Er verwendet dabei sogar ein scharfes Wort: Er sagt Abscheulichkeit, damit wir verstehen, dass es wirklich nicht normal ist. Es ist ungesund und so etwas darf nicht vorgelebt werden. Das Problem ist, dass die schwul-lesbische Gemeinde und ihre Freunde bei den Medien versuchen, uns den Mund zu verbieten, uns zu verbieten zu sagen, was Gott sagt."
    Es wird noch dauern, bis der oberste Gerichtshof im Streit um das Adoptionsrecht entscheidet. Voraussichtlich wird er von der Regierung verlangen, sicher zu stellen, das gleichgeschlechtliche Paare nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis Kinder adoptieren dürfen. Den Widerstand homophober religiöser Extremisten wird das Gericht damit aber ganz sicher nicht brechen.