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Gaza
Politischer Streit macht Aufbau unmöglich

Drei Monate schon dauert die Feuerpause und dennoch scheuen sich viele Palästinenser davor, ihre Häuser wieder aufzubauen. In einem Jahr sei wieder alles zerstört, warum also neu anfangen. Neben vielen anderen Gründen wirkt der Streit zwischen den palästinensischen Fraktionen lähmend.

Von Torsten Teichmann | 26.11.2014
    Ein Junge sitzt auf seinem Fahrrad im Gazastreifen inmitten von zerstörten Gebäuden.
    Im Gazastreifen ist der Wiederaufbau auch knapp drei Monate nach den Angriffen der israelischen Armee kaum vorangekommen. (afp / Mohammed Abed)
    40 Tonnen Zement sind von Israel in den Gaza-Streifen gekommen. Die zweite Lieferung in drei Monaten. Zement für Familien, die Kriegsschäden, also klaffende Löcher an ihren Häusern ausbessern wollen. Für mehr reicht das wohl nicht.
    Doch Abdel Nasser Abu Taema hat auch gar keine Lust mehr sein zerstörtes, fünfstöckiges Wohnhaus in Khuza wieder aufzubauen. "Jedes Jahr gibt es Krieg, die Israelis bombardieren, das kostet mich sehr viel Geld, das geht nicht."
    Der Landwirt hat zehn Söhne und elf Töchter mit drei Ehefrauen. Dazu viele Enkel. Die 74-köpfige Familie lebt bis auf weiteres unter 300 Quadratmetern moderner Zeltplane, so hat es Abu Taema entschieden.
    Auf den Krieg folgen Resignation und Stillstand. Die Sozialaktivistin Andalib Adwan glaubt, dass viele Palästinenser trotz der Feuerpause immer noch unter Schock stehen. Außerdem gehe nur wenig in Gaza voran, weil sich die größten politischen Fraktionen, Hamas und Fatah, nicht einig werden:
    "Es geht um Macht. Wer kontrolliert wen? Es geht um Geld. Und alle Menschen wissen das. Selbst die Alten wissen, die kämpfen um das Geld und die Macht."
    So offen zu sprechen, kann in Gaza Fragen nach sich ziehen. Denn die offizielle Darstellung der dominierenden Hamas-Organisation ist eine ganz andere. Ihr Sprecher, Salah Al-Bardawil sieht allein den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in der Pflicht, den er Abu Mazen nennt.
    "Abu Mazen trägt die Verantwortung. Er möchte die Hamas nicht als Partner. Er will Entscheidungen allein treffen. Er hat das Parlament nicht wieder einberufen, er hat die Wahlen nicht organisiert, er hat der Einheitsregierung verboten nach Gaza zu kommen. Er trägt die Verantwortung."
    Der tiefe Graben zwischen den Palästinensern
    Anfang November war der Konflikt eskaliert: In der Nähe von Wohnungen von Fatah-Mitgliedern gingen Sprengsätze hoch. Eine Explosion riss auch die Tür des neuen Gouverneurs von Gaza aus den Angeln. Er ist ein alter Bekannter: Abdallah Frangi ist von Präsident Abbas als Gesandter in Gaza eingesetzt worden. Frangi war früher Vertreter der Palästinenser in Deutschland.
    Auch er bedauert den tiefen Graben zwischen den Palästinensern. Doch allein mit dem politischen Streit lasse sich unmöglich der gegenwärtigen Stillstand rechtfertigen, so Frangi. Der Hintergrund: Europa verlangt, dass Präsident Abbas auch in Gaza die Verantwortung übernimmt. Der Hamas trauen die Staaten nicht:
    "Aber das kann nicht der Grund sein, um jetzt die Kontrollen so weit zu treiben, dass man hier mit einer Kamera hinter jedem Sack Zement der UNWRA hinterher läuft. Das ist Wahnsinn, wenn wir so weiter machen, dann dauert das 50 Jahre, wir werden den Wiederaufbau nicht erleben.
    Abdallah Frangi verlangt, die internationale Gemeinschaft müsse jetzt zu ihrem Versprechen einer Zwei-Staaten-Lösung stehen. Das heißt, sie soll Druck ausüben: Auf Israel, damit die Grenzen weit aufgehen.
    Allen scheint klar, dass die Situation in Gaza so nicht bleiben kann. Sie ist gefährlich. Aber Verhandlungen über eine Waffenruhe und alle strittigen Fragen sind vertagt worden – vom Vermittler selbst, von Ägypten. Das Nachbarland hält den eigenen Grenzübergang nach Gaza seit fünf Wochen komplett geschlossen.