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Gazastreifen
Hamas soll Hilfsorganisation unterwandert haben

Israel wirft dem Direktor der Hilfsorganisation World Vision im Gazastreifen vor, über viele Jahre Spendengelder in die Kassen der Hamas umgeleitet zu haben. Sein Anwalt und die Organisation bestätigten dies bisher nicht.

Von Peter Kapern | 05.08.2016
    Das Büro der Hilfsorganisation World Vision im Osten Jerusalems.
    Das Büro der Hilfsorganisation World Vision im Osten Jerusalems. (AFP/Ahmad Gharabli)
    Für den israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet ist der Fall klar: Der Mann muss geradezu ein Genie gewesen, wenn es darum ging, Geld in den dunklen Kanälen der Hamas verschwinden zu lassen. Er habe Hamas-Kämpfer zu unterstützungswürdigen Bauern umdeklariert, er habe bedürftige Familien mit behinderten Kindern erfunden und Bargeld an die Islamisten umgeleitet.
    Selbst tausende von Nahrungsmittel-Paketen aus dem Ausland habe er an die Hamas verschoben. Mohammad El Halabi heißt der Mann, er ist seit vielen Jahren Direktor der Hilfsorganisation World Vision im Gazastreifen. Vor fast zwei Monaten wurde er festgenommen, bei der Einreise in das Palästinensergebiet. Kurz drauf verhängte Israel jedoch eine Nachrichtensperre, die erst gestern aufgehoben wurde. Seither versorgt der israelische Geheimdienst die Medien mit zahlreichen Details aus seinen Ermittlungsakten.
    El Halabi sei seit Mitte der 1990er-Jahre Mitglied der Hamas gewesen, so wollen es die Geheimdienstler herausgefunden haben. Vor zwölf Jahren soll er sich zudem dem bewaffneten Arm der Hamas, den Kassam-Brigaden, angeschlossen haben. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, soll ihn gezielt auf internationale Hilfsorganisationen angesetzt haben, um Einfluss auf die Verteilung der Hilfsgelder zu bekommen.
    Millionen an Spendengeldern für die Hamas
    Seit 2005 war El Halabi bei World Vision beschäftigt, einer christlichen Hilfsorganisation mit Sitz in den USA. Seit sechs Jahren war er deren Chef im Gazastreifen. Seither hat er viele Millionen Dollar an Spendengeldern aus aller Welt in die Kassen der Hamas umgelenkt, wie Yoav Mordechai, der Chef der israelischen Militärbehörde für die Palästinensergebiete, sagt:
    "Unsere ausgiebigen Untersuchungen haben klar gemacht, dass sich die Hamas Gelder zunutze macht, die in aller Welt für Hilfsorganisationen wie World Vision gespendet werden. Unser Beweis ist das Geständnis des Inhaftierten Mohammad El Halabi, des Direktors dieser Organisation im Gazastreifen, dass er Geld an die Hamas geleitet hat, und zwar Millionen Dollar."
    Insgesamt sollen es mehr als sieben Millionen US-Dollar pro Jahr gewesen sein, was etwa 60 Prozent aller World-Vision-Hilfsgelder im Gazastreifen entsprechen würde.
    Hilfsorganisation World Vision steht zu ihrem Mitarbeiter
    Die Berufung auf ein Geständnis des Beschuldigten lässt sich aber nur schwer in Übereinstimmung bringen mit den Aussagen seines Anwalts. Der sagte israelischen Journalisten, sein Mandant sei weder Mitglied der Hamas noch auf andere Art mit der Organisation verbunden. El Halabi habe den Ermittlern lediglich berichtet, wie sich Hamas-Kämpfer mit vorgehaltener Waffe in den Lagern von World Vision bedient hätten.
    Auch die Hilfsorganisation World Vision steht zu ihrem Mitarbeiter. Aufgrund der derzeit verfügbaren Informationen sehe sie keinen Grund zu der Annahme, dass die Behauptungen wahr seien. So heißt es in einer Mitteilung.
    Zahlreiche internationale Hilfsorganisationen, darunter auch World Vision, und die israelische Regierung sind seit einiger Zeit auf Konfrontationskurs. Die NGOs werfen Israel vor, den Wiederaufbau des Gazastreifens, der zuletzt während des Krieges im Sommer 2014 schwer verwüstet worden ist, zu verhindern.