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Gazprom
Putins langer Arm

Der russische Energiekonzern Gazprom ist einer der größten Sponsoren in der Sportwelt. Doch nicht nur Teams im Radsport, Eishockey oder im Fußball profitieren davon - auch bei der FIFA engagiert sich der Staatskonzern als Hauptgeldgeber und soll in dieser Rolle die Vergabe der Fußball-WM 2018 entscheidend beeinflusst haben.

Von Robert Kempe | 26.12.2016
    Ein Schalker Spieler mit dem neuen Trikot der Saison 2016/2017 hält einen Ball in der Hand.
    Ein Schalker Spieler mit dem neuen Trikot der Saison 2016/2017 (dpa/ picture alliance / Guido Kirchner)
    Ein Werbespot für die UEFA-Champions League. Unterlegt von Tschaikowskis Klavierkonzert Nummer 1. Wohl sein bekanntestes. Auf dessen Wirkung setzt ein Konzern, der als rücksichtslos und verschlossen gilt. Gazprom. Der russische Staatskonzern – größtes Energieunternehmen der Welt – und seit Jahren auch einer der größten Sponsoren im Sport. Dass Gazprom sich dort so massiv einbringt, sei knallhart kalkuliert, meint Jürgen Roth. Der Mafiaexperte beschäftigt sich seit Jahren mit den Geschäften des Energieriesen.
    "Gazprom ist ja ein bekanntlich einerseits ein Energiekonzern auf der anderen Seite die wirtschaftliche und politische Waffe von Wladimir Putin. Dass heißt, Gazprom ist ein ganz besonderer Konzern. Und wenn er versucht, Einfluss zu gewinnen, wenn man sagt er sponsert den Fußball und andere Sportarten. Dann geht es nicht um Sponsoring, dass man jetzt besonders sympathisiert, sondern, dass man jetzt versucht sein Image, wieder in Ordnung zu bringen."
    Gazprom fest im Griff von Wladimir Putin. Sein geostrategisches Machtinstrument. Für den Sport offenbar kein Problem. Das Geld stimmt. Neben Radsport und Eishockey setzt Gazprom vor allem auf den Fußball. Von russischem Gasgeld lebt derzeit etwa Schalke 04, Roter Stern Belgrad oder Zenit St. Petersburg. Doch damit nicht genug.
    Seit 2012 ist man Sponsor der UEFA-Champions League und seit 2015 einer der Hauptgeldgeber der FIFA. Den Vertrag unterzeichnete der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter im Beisein von Wladimir Putin. Bis 2018 – also genau bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland - sollen schätzungsweise 80 bis 100 Millionen Dollar an den Weltverband fließen. Die FIFA und Gazprom – eine unheilvolle Beziehung meint Jaimie Fuller. Der Chef eines Sportartikelherstellers engagiert sich in der Initiative NewFIFANow.
    Keine "übliche Sponsorenbeziehung"
    "Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, anzunehmen, dass die Rolle Gazproms im Sponsoring der FIFA eine ganz andere als die von den üblichen Sponsorenbeziehungen ist. Wir drehen uns mit der FIFA im Kreis. Das Verhalten der FIFA hat uns über die Jahre den Mangel an Charakterstärke, Rückgrat und moralischer Richtschnur vor Augen geführt. Ich bin nicht überrascht, dass eine korrupte Organisation vom Kaliber der FIFA einen Vertrag mit Gazprom abschließt. Offensichtlich geht es bei Russland um andere Dinge. Etwa: Was hat man getan, um die WM 2018 zu bekommen?"
    Russische Millionen zum Stillhalten? Denn auch bei der WM-Bewerbung spielte Gazprom eine Rolle, vielleicht die entscheidende. Die Fäden zog der Staatskonzern. Etwa Sergei Fursenko, damaliger Chef des russischen Fußball-Verbandes, eine Schlüsselfigur der Bewerbung. Und: Direktor einer Gazprom-Tochter. Später UEFA-Vorstand. Außerdem: Witali Mutko, damals Sportminister, heute Vize-Premier und FIFA-Vorstand. Nutzte Gazprom-Geld schon früher für den Sport. Erst für seinen Fußballclub Zenit St. Petersburg, dann für den russischen Sport. Gazprom-Verflechtungen bis in die höchsten Ebenen. Jaimie Fuller.
    "Mich überrascht nichts mehr. Auch wenn es zu Ermittlungen kommt. Erinnern wir uns an Michael Garcias Korruptions-Ermittlungen im Auftrag der FIFA - diese endeten, als die Russen behaupteten, sie hätten die Computer zerstört. Und hätten keine Kopien. Wir haben es hier mit einer Kultur zu tun."
    Kultur des Klüngels
    Eine Kultur des Klüngels – zwischen Sportfunktionären und dem mächtigen Geldgeber Gazprom: Aufzuklären gäbe es dort weiter genug. So nahm Russlands Gasgesellschaft, etwa Franz Beckenbauer einen der bei der WM-Wahl mitstimmte, später unter Vertrag. Als Sportbotschafter. Wichtigstes Mitglied dieser Gesellschaft ist Gazprom. Beckenbauer bestreitet, dass dieser Deal etwas mit der Wahl zu tun hatte. Hinweise, dass der Vertrag schon vor der Wahl angebahnt wurde, wies Beckenbauer zurück.
    Oder aber der Deal zwischen einer Gazprom-Tochter und dem zypriotischen Ölkonzern Petrolina. Abgeschlossen nur Tage vor der Entscheidung über die WM 2018. Inhaber der Firma: Marios Lefkaritis. Sitzt im FIFA-Vorstand, entschied mit über den WM-Ausrichter Russland. Dass Russland bei der Bewerbung auf Gazprom gesetzt hat, sei wenig überraschend, erklärt Jürgen Roth.
    "Die Gier bei Funktionären oder Ex-Funktionären ist halt sehr groß. Dass sie sich instrumentalisieren lassen um es mal ganz harmlos auszudrücken. Und durch diese Art der politischen Korruption – nenne ich es mal - werden Spiele gekauft. Ist es nicht Gazprom, dann ist es Putin. Putin ist gleich Gazprom. Und das heißt, dass im Grunde ein undemokratisches System hofiert wird. Und von daher zeigt sich, wie verrottet der Sport zumindest in bestimmten Teilen geworden ist."
    Die WM 2018 wird sicher in Russland gespielt werden. Dafür sorgt auch Gazprom. Denn Wladimir Putin, der schon die Bewerbung zur Chefsache machte, hat damit ein neues Prestigeprojekt. Er kann, wie schon mit den korruptionsverseuchten Spielen in Sotschi, seine Stärke inszenieren.