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GDL soll sich als "verantwortungsvoller Tarifpartner" erweisen

Die angekündigten Warnstreiks der Gewerkschaft Deutscher Lokführer seien völlig überflüssig und gingen zu Lasten der Kunden, bedauert Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutschen Bahn. Er forderte die GDL auf, die Tarifverhandlungen wieder aufzunehmen.

Ulrich Weber im Gespräch mit Gerwald Herter | 14.02.2011
    Gerwald Herter: Der SPD-Politiker Peter Struck musste schlichten, die Verhandlungen waren zäh, führten aber schließlich zum Erfolg. Deutsche Bahn, Privatbahnen und die große Gewerkschaft EVG haben sich auf einen Tarifvertrag für den regionalen Schienenverkehr geeinigt, heute wird er unterzeichnet. Ein flächendeckender Tarifvertrag für die Lokführer ist hingegen nicht in Sicht. Die GDL plant Proteste und Warnstreiks ab Mitte der Woche.

    Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Weber, hat der GDL – wir haben es gerade noch einmal gehört – einen offenen Brief geschrieben. Von Verschwörungstheorien, Stimmungsmache oder Verweigerungshaltung ist da die Rede. Mit Ulrich Weber bin ich nun telefonisch verbunden. Guten Morgen, Herr Weber! Sind Sie inzwischen wieder besserer Laune?

    Ulrich Weber: Guten Morgen, Herr Herter! – Ich bin eigentlich ein ganz fröhlicher Mensch, ja.

    Herter: Aber in Ihrem Brief sind ja drastische Worte zu lesen. Da ist doch eine gewisse Verärgerung spürbar?

    Weber: Ich würde eher von Enttäuschung sprechen, weil wir uns ja in den letzten Monaten sehr viel Mühe gegeben haben, mit der GDL über deren Anliegen in inhaltliche Verhandlungen zu kommen. Wir haben ja die Forderung der GDL auf dem Tisch, für alle Lokomotivführer in der Bundesrepublik, egal in welchem Unternehmen sie tätig sind, Konditionen zu verhandeln, wie sie bei der Deutschen Bahn üblich sind. Das heißt, im Kern geht es gar nicht darum, zwischen dem deutschen Bahnkonzern und der GDL zu neuen Bedingungen zu kommen, sondern diese Bedingungen zu transferieren. Ein Anliegen, was wir im Kern unterstützen, aber diese Unterstützung wird nicht gesehen und wird nicht angenommen.

    Herter: Das hieße, die GDL meint gar nicht Sie, sondern die Privatbahnen, und droht trotzdem mit einem Streik gegen Sie?

    Weber: Ja, das ist die naheliegende Vermutung. Natürlich gibt es auch bilateral zwischen der GDL und uns spezifische Themen, aber wir haben es ja eben auch in dem Beitrag von Herrn Weselsky gehört: Die stehen in dieser Runde gar nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht dieser Flächentarifvertrag.

    Herter: Aber fünf Prozent Erhöhung auf 29 Monate, wenn ich mich recht erinnere, ist denn das wirklich ein zufriedenstellendes Angebot?

    Weber: Das ist eine Addition von Elementen – ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben -, es ist eine Erhöhung der Entgelttabellen, der Einkommen, es sind Angebote in Sachen Altersversorgung, es sind strukturelle Verbesserungen, die sich dann addieren in einer nennenswerten Höhe, und mit einem solchen Abschluss lägen wir schon auf dem Niveau dessen, was in diesem Jahr wahrscheinlich üblich sein wird.

    Herter: Das Verhältnis zwischen Ihnen und der GDL scheint, speziell, ja besonders gespannt zu sein. Vielleicht ist das auf die Vergangenheit zurückzuführen. Oder wäre es Ihnen lieber, wenn es diese kleine Gewerkschaft gar nicht gäbe und Sie nur einen Verhandlungspartner hätten?

    Weber: Nein, das Verhältnis würde ich nicht als gespannt oder belastet ansehen. Sie wissen, dass bei der Deutschen Bahn ein neuer Konzernvorstand agiert seit Sommer 2009, der unbelastet an die Dinge herangegangen ist. Auch ich persönlich stand bisher in wirklich intensiven guten, auch persönlich guten Gesprächen und Beziehungen zu Herrn Weselsky, daran soll sich ja gar nichts ändern. Die GDL hat ihre definierte Rolle im Konzern, die machen wir gar nicht streitig. Sie haben zitiert den Arbeitskampf 2007/2008, seitdem gibt es einen spezifischen Tarifvertrag für die Lokomotivführer im DB-Konzern, der steht nicht zur Disposition. Also die GDL ist unser Partner für Belange der Lokomotivführer, das hat sich nicht geändert und das wird sich nicht so ändern, das ist anerkannt.

    Herter: Sind Sie denn auch daran interessiert, dass nun wirklich für alle Lokomotivführer, auch die des Güterverkehrs, ein Tarifvertrag abgeschlossen wird?

    Weber: Also im DB-Konzern fahren wir ja Güter, wir befördern Personen, und für sämtliche Lokomotivführer im DB-Konzern gibt es einen einheitlichen Tarifvertrag. Die GDL möchte jetzt einen vergleichbaren Tarifvertrag für die, nennen wir sie, Dritten, die Wettbewerbsunternehmen, die im Personenverkehr unterwegs sind, vereinbaren und für die Güterverkehrsunternehmen. Wir haben Unterstützung zugesagt, aber wir können ein solches Projekt natürlich nicht mehr unterstützen, als wir das bisher getan haben. Deshalb haben wir immer gesagt, lasst uns an einen Runden Tisch setzen, alle Parteien an diesem Tisch, die GDL, die Drittunternehmen und wir, damit wir dann auch über identische Themen gemeinsam reden können.

    Herter: Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, oder glauben Sie, dass dieser Runde Tisch noch zu Stande kommt?

    Weber: Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. Ich bin guten Mutes, dass wir uns dort noch einfinden. Bedauerlich finde ich, dass wir eben eine Runde über Warnstreiks wahrscheinlich machen müssen, was ich für völlig überflüssig halte. Das geht nur zu Lasten unserer Kunden, insbesondere der Kollegen im Berufsverkehr, die reichlich strapaziert sind durch Wetterunbilden und Ähnliches. Und angesichts der Komplexität des Themas kann ich nur immer wieder daran appellieren, deshalb auch dieser offene Brief, lasst uns an diesen Tisch setzen, lasst uns da ohne größeren Zorn die Dinge, die schwierig genug sind, vernünftig besprechen.

    Herter: Sie ärgern sich darüber, dass die GDL die jetzige Situation mit dem monatelangen Streik 2007 vergleicht. Das waren sicher harte Wochen, auch für die GDL-Funktionäre. Sollen die ihre Erfahrungen einfach vergessen, die sie auch mit der Deutschen Bahn gemacht haben?

    Weber: Die brauchen sie nicht einfach vergessen, aber sie sollen sie nicht immer wieder unter Hervorrufen dieser seinerzeitigen Emotionen, wo es um sehr Grundsätzliches ging, versuchen, hier ins Feld zu führen, in einer Situation, wo wir auf Augenhöhe partnerschaftlich miteinander sprechen. Die seinerzeitige Situation war eine besondere, die ist mit der heutigen Situation in keiner Weise vergleichbar. Die GDL muss nicht um ihre Existenz hier kämpfen, sondern wir erwarten nur von ihr, dass sie sich als verantwortungsvoller Tarifpartner erweist.

    Herter: Letzte Frage, Herr Weber. was werden Sie tun, was können Sie tun, um die Auswirkungen von Warnstreiks oder Streiks in Grenzen zu halten? Die Deutsche Bahn hat da ja sicher gelernt.

    Weber: Na ja, wir wollen sehen, dass wir mit allen Kräften, die wir haben, versuchen, die Belastungen für unsere Kunden klein zu halten, und hoffen in der Tat sehr, dass auch die GDL sehr zügig unsere Angebote aufnimmt und an den Tisch zurückkommt, denn sie ist gegangen. Bildlich gesprochen sitzen wir noch immer an diesem Tisch und warten.

    Herter: Das war der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Weber, über die Auseinandersetzungen mit der Lokführergewerkschaft GDL. Vielen Dank und schönen Tag.

    Weber: Auf Wiederhören!