Donnerstag, 28. März 2024

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GDL
Widerstand gegen Weselsky

Die meisten Lokführer hätten den Streik von Beginn an nicht für richtig gehalten, sagte Volker Siewke, Sprecher der "Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" in der GDL im DLF. Deshalb folgten auch viele dem Streikaufruf nicht. Der Vorsitzende Claus Weselsky trete als Alleinherrscher auf - deshalb fordere man seinen Rücktritt.

Volker Siewke im Gespräch mit Martin Zagatta | 21.05.2015
    Reisende warten am 05.05.2015 an einem Informationsschalter der Deutschen Bahn auf weitere Auskünfte, während links daneben ein Bildschirm auf den aktuellen Lokführerstreik aufmerksam macht.
    Reisende warten am 05.05.2015 in Frankfurt a. M. auf weitere Auskünfte, während links daneben ein Bildschirm auf den aktuellen Lokführerstreik aufmerksam macht. (dpa/picture-alliance/Schmidt)
    Christiane Kaess: Die Fronten sind verhärtet im Tarifstreit zwischen der Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Hinter verschlossenen Türen spricht man miteinander, aber von außen entsteht der Eindruck, es bewegt sich rein gar nichts. Leidtragende sind wieder einmal Millionen von Pendlern, die auf Notfahrpläne angewiesen sind oder auf Bus und Auto umsteigen müssen. Und das kann auch über das Pfingstwochenende so weitergehen. - Mein Kollege Martin Zagatta hat gestern Abend mit Volker Siewke gesprochen. Er ist Sprecher der "Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" in der GDL und er ist damit ein kritischer GDL-Vertreter gegenüber dem Kurs von GDL-Chef Claus Weselsky.
    Martin Zagatta: Herr Siewke, wie ist denn die Stimmung unter Ihren Kollegen, unter den Lokführern? Gibt es da Zweifel, oder halten die meisten den Streik nach wie vor für richtig?
    Volker Siewke: Ich denke, die meisten haben diesen Streik von Anfang an nicht für richtig gehalten, sondern sind in eine ziemlich große Verunsicherung getrieben worden: Auf der einen Seite gewiss die Loyalität zur Organisation, zur GDL, die man auch nicht zu gering schätzen sollte, auf der anderen Seite aber das nicht nachvollziehen können über die eigentlichen Streikziele, die ja die Berufsgruppe der Lokomotivführer im Wesentlichen gar nicht berührt, sondern es geht hier ja um grundsätzliche Dinge hinsichtlich der Zuständigkeit der GDL für Berufsgruppen, die mehrheitlich nicht in der GDL organisiert sind.
    Zagatta: Wir hören ja immer wieder, wenn man dann streikende Lokführer fragt, sie würden hinter Herrn Weselsky stehen. Überschätzen Sie da nicht Ihre Initiative? Sie sind doch eine Minderheit eigentlich.
    Siewke: Wir sind eine Minderheit, das kann man so nicht sagen. Wir konkurrieren ja nicht. Wir bilden eine Stimme innerhalb der GDL.
    "Viele Lokführer folgen dem Streikaufruf nicht"
    Zwei DB-Mitarbeiter warten am 05.05.2015 im Bahnhof in Stuttgart auf Reisende.
    Zwei DB-Mitarbeiter warten am 05.05.2015 im Bahnhof in Stuttgart auf Reisende. (dpa/picture-alliance/Kastl)
    Zagatta: Aber eine Minderheit.
    Siewke: Eine Minderheit. Wir kandidieren ja nicht und wir sind ja hier nicht auf Stimmfang und lassen hier auch nicht abstimmen. Aber Fakt ist auch: Ich bin ja nun selbst Lokomotivführer und übe diesen Beruf aus, bin auch tagtäglich an meinem Arbeitsplatz, außer an den freien Tagen, und ich sehe schon, dass sehr viele Lokomotivführer, auch in der GDL organisierte Lokomotivführer diesem Streikaufruf eben nicht folgen. Dass die Auswirkung auf den Bahnverkehr so enorm ist, ist systembedingt. Es bedarf nur weniger bestreikter Züge, um hier durchschlagende Wirkungen im gesamten Bahnverkehr zu erzeugen. Das ist systembedingt.
    Zagatta: Gibt es denn Lokführer, die jetzt sich an diesem Streik nicht beteiligen, die Streikbrecher sind? Gibt es die bei der GDL überhaupt?
    Siewke: Ja, zahlreiche, insbesondere im Güterverkehr, und die Anzahl sollte man auch nicht unterschätzen. Allerdings wir wissen ja, dass die DB einen Notfahrplan aufgestellt hat bei allen Streikmaßnahmen bislang, und diese Fahrpläne werden auch sehr stabil gehalten.
    Zagatta: Wie ist das denn innerhalb der GDL? Von außen sieht es ja so aus, das ist eine demokratische Organisation. Herr Weselsky wird auch jedes Mal wiedergewählt. Da ist doch Ihr Protest nicht so recht nachzuvollziehen.
    Siewke: Herr Weselsky ist bis jetzt ein einziges Mal wiedergewählt worden, 2012 bei der letzten ordentlichen GDL-Generalversammlung, und die Entwicklung, die Leute zu beklagen haben, hat ja dann nachher erst ihren Lauf genommen. Und wenn Sie dieses Thema schon ansprechen: Zweifelsohne ist die GDL formaljuristisch auf der richtigen Seite bei ihrer Forderung nach eigenständigen, mithin auch konkurrierenden Tarifverträgen. Gar keine Frage! Zweifelsohne wird die Schärfe dieses Tarifkonfliktes auch durch das gleichsam unsinnige Tarifeinheitsgesetz aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin befeuert geradezu. Bloß was der GDL fehlt, der GDL-Führung, ist eindeutig die politische Legitimation. Es gibt keinen einzigen Antrag aus der Gewerkschaftsbasis, der die Gewerkschaftsführung dazu auffordert, mit einem Erzwingungsstreik diese politischen Ziele zu verfolgen. Das ist von oben nach unten diktiert in der GDL und das wird von uns kritisiert und auch von vielen Kollegen.
    Zagatta: Ist Claus Weselsky ein Alleinherrscher, oder wie muss man sich das vorstellen?
    Siewke: Das muss man sich so vorstellen, ja.
    Zagatta: Ja?
    Siewke: Ja.
    Zagatta: Und wieso gibt es da keinen Widerstand? Das klingt doch irgendwie paradox.
    Siewke: Ja, es gibt schon Widerstand, aber Sie wissen ja, wie in Wohlstandsgesellschaften abgestimmt wird. Dann kommt es zu Gewerkschaftsaustritten oder einfach nur das Schweigen, das nicht mehr Beteiligen am Streikaufruf. Das ist schon als Widerstand zu bewerten.
    "Wir bekommen erhebliche Resonanz"
    Zagatta: Das heißt aber auch, wenn das so ist oder so wäre, wie sie uns das schildern, dann müsste doch Ihre Initiative - das ist ja so eine Art Opposition in der GDL - richtig Zulauf bekommen. Für wie viele Leute sprechen Sie denn?
    Siewke: Zulauf in der Form, dass wir enorm viel Zuspruch kriegen auf unsere Auftritte im weltweiten Netz, dass wir sehr viele Kontakte haben zu Kollegen im gesamten Einzugsbereich der GDL, das ist schon wahr. Wir sind aber nun nicht so aufgestellt, so organisiert, dass wir Versammlungen durchführen und dass wir einen Vorstand gewählt haben, uns eine eigene Satzung gegeben haben. Wir sind einfach nur eine Stimme. Aber die Resonanz, die ist sehr erfreulich und sehr beachtlich, die wir bekommen.
    Zagatta: Wie glauben Sie jetzt, dass das weitergeht, oder was müsste unternommen werden? Was fordern Sie da von Ihrer Gewerkschaftsführung?
    Siewke: Wir haben ja schon vor geraumer Zeit unter anderem auch den Wesel des Bundesvorsitzenden gefordert, allerdings auch im Zusammenhang mit anderen Unregelmäßigkeiten innerhalb der Organisation. Das Allermindeste, was wir aber fordern, dass noch mal eine Urabstimmung durchgeführt wird, und damit diese Urabstimmung, die noch durchzuführen wäre aus unserer Sicht, über jeden Zweifel erhaben ist, dass sie unkorrekt verlaufen ist, sollte diese Urabstimmung unter notarielle Aufsicht gestellt werden. Dann hätte man ein ehrliches Votum der Mitgliedschaft und daraus könnte man den weiteren Verlauf dieses Konflikts gegebenenfalls aufbauen.
    Kaess: ... sagt Volker Siewke. Er ist Sprecher der "Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" innerhalb der GDL. Die Fragen stellte mein Kollege Martin Zagatta.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.