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Gebäudesanierung
"Wir brauchen eine steuerliche Förderung"

Wenn die bereits vereinbarte steuerliche Absetzbarkeit für die Gebäudesanierung falle, dann sei das ein Rückschlag für die Energiewende, sagte Franz Untersteller, Umweltminister in Baden-Württemberg. Um die Treibhausgase massiv zu reduzieren, brauche man eine Sanierungsquote von mehr als zwei Prozent.

Franz Untersteller im Gespräch mit Jasper Barenberg | 26.02.2015
    Baugerüst in der Schulstraße in Frankfurt an der Oder, aufgenommen am 20.07.2012.
    Energetische Sanierung wird von der Bundesregierung gefördert. (picture alliance / ZB - Soeren Stache)
    Neben dem bestehenden KfW-Förderprogramm müsse es deshalb auch steuerliche Anreize geben. Nur dann könne man ein Klientel ansprechen, das sich durch zinsgünstige Programme nicht angesprochen fühle.
    Der Grünen-Politiker warnte ausdrücklich vor einer Verschiebung des Programms. "Wir brauchen Gewissheit und keine monatelange Hängepartie", unterstrich Untersteller. Wenn es jetzt einen Sanierungsstau gebe, dann "wüsste ich nicht, wie man die Klimaziele halten könnte".

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Nicht einmal ein Prozent aller Gebäude in Deutschland werden derzeit pro Jahr so gedämmt, dass sie weniger Heizenergie verbrauchen. Das ist viel zu wenig, um die Ziele im Klimaschutz zu erreichen, und genau deshalb wollte die Bundesregierung Hauseigentümer mit Steuernachlässen motivieren, den Energiebedarf ihrer Häuser zu reduzieren. Eine Milliarde Euro wollte die Koalition dafür in die Hand nehmen und Eigentümern die Möglichkeit bieten, ihre Ausgaben über zehn Jahre lang von der Steuerschuld abzuziehen. Jetzt aber steht dieses Vorhaben auf der Kippe. Einmal mehr legt sich offenbar CSU-Chef Horst Seehofer quer.
    Am Telefon ist Franz Untersteller von Bündnis 90/Die Grünen, Umweltminister in Baden-Württemberg. Schönen guten Tag, Herr Untersteller.
    Franz Untersteller: Guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Horst Seehofer, die größte Gefahr - so hieß es, glaube ich, gerade - für die Zukunft der Energiewende. Mit seinem Einspruch auch in diesem Projekt?
    Untersteller: Na ja, soweit würde ich da jetzt nicht unbedingt gehen. Eine andere Frage ist dann das bei den Stromtrassen. Da sehe ich allerdings, dass er da auf falschem Kurs ist. Bei dem Thema energetische Sanierung muss man noch mal Folgendes sehen: Wir sind uns einig darin, mit der Bundesregierung und auch die Länder, dass die heutige einprozentige Sanierungsquote viel zu wenig ist. Wer das Ziel hat, dass wir bis Mitte diesen Jahrhunderts die Treibhausgase um 80, besser 90 Prozent reduzieren - das Ziel ist das Ziel der Bundesregierung, das Ziel der Länder -, der kommt gar nicht umhin, bis dahin den Gebäudebestand, den wir in Deutschland haben, einmal durchsaniert zu haben und das auf einem möglichst hohen Niveau.
    Barenberg: Und im Moment, glaube ich, wenn ich da kurz eingreifen darf, wenn es bei dem Tempo bleibt, dann würden wir, glaube ich, ungefähr 100 Jahre brauchen.
    Untersteller: Man muss in Mathematik in der Schule nicht gut gewesen sein, um zu wissen, dass wir mit ein Prozent weniger als die Hälfte bis zur Mitte diesen Jahrhunderts durch haben werden. Das heißt, wir brauchen eine Sanierungsquote von über zwei Prozent. Zweieinhalb Prozent ist das mindestens.
    "Wir brauchen diesen zusätzlichen Interessentenkreis"
    Jetzt gibt es seit einiger Zeit die Zuschussprogramme, zinsverbilligte Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der KfW, es gibt das Marktanreizprogramm für die Förderung vom Austausch von Heizungsanlagen, und es macht natürlich Sinn, darauf haben wir immer wieder hingewiesen, dass man ergänzend dazu auch steuerliche Anreize schafft, um, sage ich mal, eine bestimmte Klientelgruppe anzusprechen, die durch zinsverbilligte Darlehen nicht angesprochen wird.
    Das heißt, wir brauchen hier zusätzliche Interessenten für die energetische Sanierung, und deswegen ist die steuerliche Abschreibungsmöglichkeit so wichtig. Und sie muss natürlich so gestaltet sein, dass sie mindestens so interessant ist wie das KfW-Programm, wie das Marktanreizprogramm, und nicht weniger interessant ist, weil sonst kriege ich nicht diesen zusätzlichen Interessentenkreis. Das ist die Situation.
    Lassen Sie mich noch einen Satz sagen: Ich bin einigermaßen verwundert darüber, dass nach dieser Spitzenrunde in Berlin dieses Thema jetzt erst mal wieder hoffentlich nur geschoben ist und nicht ganz von der Bühne runtergenommen ist.
    "Monatelange Hängepartie verhindern"
    Barenberg: So klingt es!
    Untersteller: Ja gut, Genaueres weiß man noch nicht. Aber auch das Schieben ist natürlich ein Problem. Warum? Wenn Sie sich mal in die Situation von Bürgerinnen und Bürgern versetzen. Was machen die? Die warten! Das heißt, wir bekommen damit natürlich wieder einen Sanierungsstau, an dem niemand, weder eine Bundesregierung noch wir als Länder noch irgendjemand ein Interesse haben kann, sondern was wir brauchen ist möglichst zeitnah eine Entscheidung darüber, wie eine solche vernünftige steuerliche Förderung aussieht. Und lieber, man sagt den Leuten gleich, es gibt nichts, als wie dass man jetzt wieder sozusagen eine monatelange Hängepartie hier hat. Davon halte ich überhaupt nichts.
    Barenberg: Zumal, Herr Untersteller, die Pläne ja so aussahen, dass es rückwirkend zu Beginn dieses Jahres diese Steuererleichterungen und Steueranreize geben sollte. Darauf kann sich natürlich auch niemand jetzt mehr verlassen. - Lassen Sie uns noch über den Blickwinkel der Länder sprechen. Der bayerische Ministerpräsident hat das ja offenbar verworfen, oder Kritik daran geübt, weil es einen Zusammenhang gibt mit diesem Handwerkerbonus, der parallel dazu ein wenig runtergefahren werden sollte. Das müsste doch eigentlich auch Ihren Interessen entsprechen, denn bisher sind Projekte, die Gebäudesanierung zu forcieren, ja immer an den Interessen der Länder gescheitert, die auf die Steuereinnahmen nicht verzichten wollten.
    "Wir brauchen eine Sanierungsrate von mindestens zwei Prozent"
    Untersteller: Jetzt müssen wir mal Folgendes sehen. Die Länder gibt es da nicht, sondern wir haben in Deutschland 16 Bundesländer und die Strukturen dieser 16 Bundesländer sind sehr unterschiedlich. Wir haben welche, sage ich mal, die finanziell halbwegs gut gebettet sind, nehmen wir mal Bayern und Baden-Württemberg. Wir haben aber auch etliche Länder, die nicht finanziell so gut gebettet sind, nehmen wir einige der ostdeutschen Länder, nehmen wir das Land, aus dem ich ursprünglich mal herstamme, das Saarland. Und wir haben Stadtstaaten. Das heißt, die Strukturen und die Voraussetzungen in den Ländern sind sehr, sehr unterschiedlich. Es gibt Länder, die einen solchen Steuerausfall leichter verkraften können als andere. Dazu kommt dann auch noch: Es gibt Länder, in denen, sage ich mal, sich der Anteil der Hauseigentümer, der Häuslebauer und so weiter völlig anders darstellt als in anderen Ländern. Stadtstaaten sind anders strukturiert wie Baden-Württemberg und Bayern und die Anzahl der Hauseigentümer, die, ich sage mal, Interesse daran hätten, steuerliche Abschreibungen in Anspruch zu nehmen, weil sie einen Vorteil davon hätten, die sind in Bayern und Baden-Württemberg anders als in Mecklenburg-Vorpommern, um mal diese Beispiele zu nehmen. Deswegen darf man auch hier die Länder nicht über einen Kamm scheren.
    Wir haben hier in den letzten Jahren seitens Baden-Württemberg immer wieder Vorschläge gemacht, um bei diesem Thema endlich zu einem Ergebnis zu kommen und zum Erfolg zu kommen. Noch mal: Ich halte das für notwendig. Wenn wir zu Sanierungsraten kommen wollen von zwei Prozent mindestens, besser aber zweieinhalb Prozent, wird man um steuerliche Förderung, um steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten nicht drum herum kommen. Es nutzt da auch nichts, dass man jetzt hingehen will seitens der Bundesregierung und sagt, wir stocken die KfW-Mittel weiter auf, weil damit erreiche ich sozusagen das Publikum, das auch bisher schon auf die KfW-Mittel zugegriffen hat.
    Was die Absenkung des Handwerkerbonusses betrifft - ich meine, das stößt bei mir nun auch nicht unbedingt auf Begeisterung. Da bin ich nicht so arg weit weg von Horst Seehofer. Aber ich glaube, man wird da zum Schluss eine Gegenfinanzierungsmöglichkeit finden. Ich nehme mal ein Beispiel: Nehmen Sie mal die sogenannte Mövenpick-Steuer. Die ist in der Vergangenheit nicht so auf arg viel Begeisterung gestoßen, nämlich die Absenkung im Hotelbereich von 19 Prozent auf sieben Prozent. Wenn man hier Korrekturen wieder vornehmen würde, dann hätte man eine Gegenfinanzierung.
    "Sanierung des Gebäudesektors muss angegangen werden"
    Barenberg: Wenn es jetzt darauf hinausläuft, dass es nicht nur auf die lange Bank geschoben ist, sondern im Grunde gar nicht stattfindet, würden Sie dann Ihrer Parteifreundin Bärbel Höhn zustimmen, dass das so etwas wäre wie ein Offenbarungseid mit Blick auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung?
    Untersteller: Das ist das eine, weil wie gesagt: Ich wüsste nicht, wie man dann die Klimaschutzziele halten soll. 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und gut 30 Prozent der Treibhausgase entfallen nun mal auf den Gebäudesektor. Und nur wenn wir dieses Thema angehen, nämlich die Sanierung des Gebäudesektors, den Austausch von ineffizienten Heizkesseln, die 25, 30 Jahre alt sind, durch effiziente Heizkessel, durch Heizkessel auf der Basis von erneuerbaren Energien, nur dann werden wir eine Chance haben, dieses Potenzial an CO2-Reduzierung auch anzugehen. Und noch mal: Dazu zählt neben den Förderprogrammen, die der Bund anbietet über die KfW, über das sogenannte BAFA-Marktanreizprogramm, über die Förderungen, die die Länder auch jeweils haben - es ist ja nicht so, dass wir da nichts machen -, natürlich, dass wir steuerliche Anreize brauchen, um ein bestimmtes Publikum, das einen gut gefüllten Geldbeutel hat, aber das gewissermaßen auch einen Vorteil haben will, nämlich in Form von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, dieses Publikum zu erschließen. Wenn man das nicht macht, ich meine, dann kann man Abschied nehmen von den Zielen, die die Bundesregierung sich gesetzt hat bei dem Klimaschutz. Dann bin ich aber der Meinung, dann sollte man das offen und ehrlich dann auch Bürgerinnen und Bürgern gegenüber sagen und möglichst Klarheit schaffen, nicht dass noch weiterhin wie gesagt die Leute warten und warten und wir mit einem Sanierungsstau uns herumplagen müssen.
    Barenberg: Wir werden es abwarten müssen. - Franz Untersteller von Bündnis 90/Die Grünen, der Umweltminister von Baden-Württemberg, heute hier live im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch.
    Untersteller: Gerne! Auf Wiederhören!
    Barenberg: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.